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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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3. Abschnitt.welcher Augusts Geheimschreiber war, an die Erzbischöfe,
welche in Deutschland Kanzler heißen u. s. w. 1). "Die
"apostolischen Schreiber haben die ersten Geschäfte der Welt
"in Händen, denn wer anders als sie schreibt und verfügt
"in Sachen des katholischen Glaubens, der Bekämpfung der
"Ketzerei, der Herstellung des Friedens, der Vermittlung zwi-
"schen den größten Monarchen? Wer als sie liefert die
"statistischen Uebersichten der ganzen Christenheit? Sie sind
"es, die Könige, Fürsten und Völker in Bewunderung ver-
"setzen durch das was von den Päpsten ausgeht; sie ver-
"fassen die Befehle und Instructionen für die Legaten;
"ihre Befehle aber empfangen sie nur vom Papst, und sind
"derselben zu jeder Stunde des Tages und der Nacht ge-
"wärtig". Den Gipfel des Ruhmes erreichten aber doch
erst die beiden berühmten Secretäre und Stylisten Leo's X.:
Pietro Bembo und Jacopo Sadoleto.

Nicht alle Kanzleien schrieben elegant; es gab einen
ledernen Beamtenstyl in höchst unreinem Latein, welcher die
Werthschätzung
des Briefstyls.
Mehrheit für sich hatte. Ganz merkwürdig stechen in den
mailändischen Actenstücken, welche Corio mittheilt, neben
diesem Styl die paar Briefe hervor, welche von den Mit-
gliedern des Fürstenhauses selber, und zwar in den wich-
tigsten Momenten verfaßt sein müssen 2); sie sind von der
reinsten Latinität. Den Styl auch in der Noth zu wahren
erschien als ein Gebot der guten Lebensart, und als Folge
der Gewöhnung.

1) Die wirkliche kaiserliche Kanzlei unter Friedrich III. kannte Aeneas
Sylvius am besten. Vgl. Epp. 23 u. 105, Opera, p. 516 u. 607.
2) Corio, storia di Milano, fol. 449 der Brief der Isabella von Ara-
gon an ihren Vater Alfons von Neapel; fol. 451. 464 zwei Briefe
des Moro an Carl VIII. -- Womit zu vergleichen das Histörchen
in den Lettere pittoriche III, 86 (Sebast. del Piombo an Are-
tino), wie Clemens VII. während der Verwüstung Roms im Castell
seine Gelehrten aufbietet, und sie eine Epistel an Carl V. concipiren
läßt, Jeden besonders.

3. Abſchnitt.welcher Auguſts Geheimſchreiber war, an die Erzbiſchöfe,
welche in Deutſchland Kanzler heißen u. ſ. w. 1). „Die
„apoſtoliſchen Schreiber haben die erſten Geſchäfte der Welt
„in Händen, denn wer anders als ſie ſchreibt und verfügt
„in Sachen des katholiſchen Glaubens, der Bekämpfung der
„Ketzerei, der Herſtellung des Friedens, der Vermittlung zwi-
„ſchen den größten Monarchen? Wer als ſie liefert die
„ſtatiſtiſchen Ueberſichten der ganzen Chriſtenheit? Sie ſind
„es, die Könige, Fürſten und Völker in Bewunderung ver-
„ſetzen durch das was von den Päpſten ausgeht; ſie ver-
„faſſen die Befehle und Inſtructionen für die Legaten;
„ihre Befehle aber empfangen ſie nur vom Papſt, und ſind
„derſelben zu jeder Stunde des Tages und der Nacht ge-
„wärtig“. Den Gipfel des Ruhmes erreichten aber doch
erſt die beiden berühmten Secretäre und Styliſten Leo's X.:
Pietro Bembo und Jacopo Sadoleto.

Nicht alle Kanzleien ſchrieben elegant; es gab einen
ledernen Beamtenſtyl in höchſt unreinem Latein, welcher die
Werthſchätzung
des Briefſtyls.
Mehrheit für ſich hatte. Ganz merkwürdig ſtechen in den
mailändiſchen Actenſtücken, welche Corio mittheilt, neben
dieſem Styl die paar Briefe hervor, welche von den Mit-
gliedern des Fürſtenhauſes ſelber, und zwar in den wich-
tigſten Momenten verfaßt ſein müſſen 2); ſie ſind von der
reinſten Latinität. Den Styl auch in der Noth zu wahren
erſchien als ein Gebot der guten Lebensart, und als Folge
der Gewöhnung.

1) Die wirkliche kaiſerliche Kanzlei unter Friedrich III. kannte Aeneas
Sylvius am beſten. Vgl. Epp. 23 u. 105, Opera, p. 516 u. 607.
2) Corio, storia di Milano, fol. 449 der Brief der Iſabella von Ara-
gon an ihren Vater Alfons von Neapel; fol. 451. 464 zwei Briefe
des Moro an Carl VIII. — Womit zu vergleichen das Hiſtörchen
in den Lettere pittoriche III, 86 (Sebaſt. del Piombo an Are-
tino), wie Clemens VII. während der Verwüſtung Roms im Caſtell
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[226/0236] welcher Auguſts Geheimſchreiber war, an die Erzbiſchöfe, welche in Deutſchland Kanzler heißen u. ſ. w. 1). „Die „apoſtoliſchen Schreiber haben die erſten Geſchäfte der Welt „in Händen, denn wer anders als ſie ſchreibt und verfügt „in Sachen des katholiſchen Glaubens, der Bekämpfung der „Ketzerei, der Herſtellung des Friedens, der Vermittlung zwi- „ſchen den größten Monarchen? Wer als ſie liefert die „ſtatiſtiſchen Ueberſichten der ganzen Chriſtenheit? Sie ſind „es, die Könige, Fürſten und Völker in Bewunderung ver- „ſetzen durch das was von den Päpſten ausgeht; ſie ver- „faſſen die Befehle und Inſtructionen für die Legaten; „ihre Befehle aber empfangen ſie nur vom Papſt, und ſind „derſelben zu jeder Stunde des Tages und der Nacht ge- „wärtig“. Den Gipfel des Ruhmes erreichten aber doch erſt die beiden berühmten Secretäre und Styliſten Leo's X.: Pietro Bembo und Jacopo Sadoleto. 3. Abſchnitt. Nicht alle Kanzleien ſchrieben elegant; es gab einen ledernen Beamtenſtyl in höchſt unreinem Latein, welcher die Mehrheit für ſich hatte. Ganz merkwürdig ſtechen in den mailändiſchen Actenſtücken, welche Corio mittheilt, neben dieſem Styl die paar Briefe hervor, welche von den Mit- gliedern des Fürſtenhauſes ſelber, und zwar in den wich- tigſten Momenten verfaßt ſein müſſen 2); ſie ſind von der reinſten Latinität. Den Styl auch in der Noth zu wahren erſchien als ein Gebot der guten Lebensart, und als Folge der Gewöhnung. Werthſchätzung des Briefſtyls. 1) Die wirkliche kaiſerliche Kanzlei unter Friedrich III. kannte Aeneas Sylvius am beſten. Vgl. Epp. 23 u. 105, Opera, p. 516 u. 607. 2) Corio, storia di Milano, fol. 449 der Brief der Iſabella von Ara- gon an ihren Vater Alfons von Neapel; fol. 451. 464 zwei Briefe des Moro an Carl VIII. — Womit zu vergleichen das Hiſtörchen in den Lettere pittoriche III, 86 (Sebaſt. del Piombo an Are- tino), wie Clemens VII. während der Verwüſtung Roms im Caſtell ſeine Gelehrten aufbietet, und ſie eine Epiſtel an Carl V. concipiren läßt, Jeden beſonders.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/236>, abgerufen am 28.03.2024.