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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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3. Abschnitt.genau, sondern auch die Physik und mehrere andere Schriften.
In seiner sonstigen Lectüre wogen die sämmtlichen antiken
Historiker, die er besaß, beträchtlich vor; diese und nicht die
Poeten "las er immer wieder und ließ sie sich vorlesen".

Die Sforza.Die Sforza 1) sind ebenfalls alle mehr oder weniger
gelehrt und erweisen sich als Mäcenaten (S. 27,39), wovon
gelegentlich die Rede gewesen ist. Herzog Francesco mochte
bei der Erziehung seiner Kinder die humanistische Bildung
als eine Sache betrachten, die sich schon aus politischen
Gründen von selbst verstehe; man scheint es durchgängig
als Vortheil empfunden zu haben, wenn der Fürst mit den
Gebildetsten auf gleichem Fuße verkehren konnte. Lodovico
Moro, selber ein trefflicher Latinist, zeigt dann eine Theil-
nahme an allem Geistigen, die schon weit über das Alter-
thum hinausgeht (S. 42).

Auch die kleinern Herrscher suchten sich ähnlicher Vor-
züge zu bemächtigen und man thut ihnen wohl Unrecht,
wenn man glaubt, sie hätten ihre Hofliteraten nur genährt
um von denselben gerühmt zu werden. Ein Fürst wie
Die Este.Borso von Ferrara (S. 49) macht bei aller Eitelkeit doch
gar nicht mehr den Effect als erwartete er die Unsterblich-
keit von den Dichtern, so eifrig ihm dieselben mit einer
"Borseis" u. dgl. aufwarteten; dazu ist sein Herrschergefühl
bei Weitem zu sehr entwickelt; allein der Umgang mit Ge-
lehrten, das Interesse für das Alterthum, das Bedürfniß
nach eleganter lateinischer Epistolographie waren von dem
damaligen Fürstenthum unzertrennlich. Wie sehr hat es
noch der practisch hochgebildete Herzog Alfonso (S. 49)
beklagt, daß ihn die Kränklichkeit in der Jugend einseitig

1) Beim letzten Visconti streiten sich noch Livius und die französischen
Ritterromane nebst Dante und Petrarca um die Theilnahme des
Fürsten. Die Humanisten, welche sich bei ihm meldeten und ihn
"berühmt machen" wollten, pflegte er nach wenigen Tagen wieder
wegzuschicken. Vgl. Decembrio, bei Murat. XX, Col. 1014.

3. Abſchnitt.genau, ſondern auch die Phyſik und mehrere andere Schriften.
In ſeiner ſonſtigen Lectüre wogen die ſämmtlichen antiken
Hiſtoriker, die er beſaß, beträchtlich vor; dieſe und nicht die
Poeten „las er immer wieder und ließ ſie ſich vorleſen“.

Die Sforza.Die Sforza 1) ſind ebenfalls alle mehr oder weniger
gelehrt und erweiſen ſich als Mäcenaten (S. 27,39), wovon
gelegentlich die Rede geweſen iſt. Herzog Francesco mochte
bei der Erziehung ſeiner Kinder die humaniſtiſche Bildung
als eine Sache betrachten, die ſich ſchon aus politiſchen
Gründen von ſelbſt verſtehe; man ſcheint es durchgängig
als Vortheil empfunden zu haben, wenn der Fürſt mit den
Gebildetſten auf gleichem Fuße verkehren konnte. Lodovico
Moro, ſelber ein trefflicher Latiniſt, zeigt dann eine Theil-
nahme an allem Geiſtigen, die ſchon weit über das Alter-
thum hinausgeht (S. 42).

Auch die kleinern Herrſcher ſuchten ſich ähnlicher Vor-
züge zu bemächtigen und man thut ihnen wohl Unrecht,
wenn man glaubt, ſie hätten ihre Hofliteraten nur genährt
um von denſelben gerühmt zu werden. Ein Fürſt wie
Die Eſte.Borſo von Ferrara (S. 49) macht bei aller Eitelkeit doch
gar nicht mehr den Effect als erwartete er die Unſterblich-
keit von den Dichtern, ſo eifrig ihm dieſelben mit einer
„Borſeïs“ u. dgl. aufwarteten; dazu iſt ſein Herrſchergefühl
bei Weitem zu ſehr entwickelt; allein der Umgang mit Ge-
lehrten, das Intereſſe für das Alterthum, das Bedürfniß
nach eleganter lateiniſcher Epiſtolographie waren von dem
damaligen Fürſtenthum unzertrennlich. Wie ſehr hat es
noch der practiſch hochgebildete Herzog Alfonſo (S. 49)
beklagt, daß ihn die Kränklichkeit in der Jugend einſeitig

1) Beim letzten Visconti ſtreiten ſich noch Livius und die franzöſiſchen
Ritterromane nebſt Dante und Petrarca um die Theilnahme des
Fürſten. Die Humaniſten, welche ſich bei ihm meldeten und ihn
„berühmt machen“ wollten, pflegte er nach wenigen Tagen wieder
wegzuſchicken. Vgl. Decembrio, bei Murat. XX, Col. 1014.
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[222/0232] genau, ſondern auch die Phyſik und mehrere andere Schriften. In ſeiner ſonſtigen Lectüre wogen die ſämmtlichen antiken Hiſtoriker, die er beſaß, beträchtlich vor; dieſe und nicht die Poeten „las er immer wieder und ließ ſie ſich vorleſen“. 3. Abſchnitt. Die Sforza 1) ſind ebenfalls alle mehr oder weniger gelehrt und erweiſen ſich als Mäcenaten (S. 27,39), wovon gelegentlich die Rede geweſen iſt. Herzog Francesco mochte bei der Erziehung ſeiner Kinder die humaniſtiſche Bildung als eine Sache betrachten, die ſich ſchon aus politiſchen Gründen von ſelbſt verſtehe; man ſcheint es durchgängig als Vortheil empfunden zu haben, wenn der Fürſt mit den Gebildetſten auf gleichem Fuße verkehren konnte. Lodovico Moro, ſelber ein trefflicher Latiniſt, zeigt dann eine Theil- nahme an allem Geiſtigen, die ſchon weit über das Alter- thum hinausgeht (S. 42). Die Sforza. Auch die kleinern Herrſcher ſuchten ſich ähnlicher Vor- züge zu bemächtigen und man thut ihnen wohl Unrecht, wenn man glaubt, ſie hätten ihre Hofliteraten nur genährt um von denſelben gerühmt zu werden. Ein Fürſt wie Borſo von Ferrara (S. 49) macht bei aller Eitelkeit doch gar nicht mehr den Effect als erwartete er die Unſterblich- keit von den Dichtern, ſo eifrig ihm dieſelben mit einer „Borſeïs“ u. dgl. aufwarteten; dazu iſt ſein Herrſchergefühl bei Weitem zu ſehr entwickelt; allein der Umgang mit Ge- lehrten, das Intereſſe für das Alterthum, das Bedürfniß nach eleganter lateiniſcher Epiſtolographie waren von dem damaligen Fürſtenthum unzertrennlich. Wie ſehr hat es noch der practiſch hochgebildete Herzog Alfonſo (S. 49) beklagt, daß ihn die Kränklichkeit in der Jugend einſeitig Die Eſte. 1) Beim letzten Visconti ſtreiten ſich noch Livius und die franzöſiſchen Ritterromane nebſt Dante und Petrarca um die Theilnahme des Fürſten. Die Humaniſten, welche ſich bei ihm meldeten und ihn „berühmt machen“ wollten, pflegte er nach wenigen Tagen wieder wegzuſchicken. Vgl. Decembrio, bei Murat. XX, Col. 1014.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/232>, abgerufen am 19.04.2024.