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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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und vor der Hand konnten kaum die ältern Bestandtheile1. Abschnitt.
desselben behauptet werden. Was aus seinen Söhnen Gio-
van Maria (st. 1412) und Filippo Maria (st. 1447) ge-
worden wäre, wenn sie in einem andern Lande und ohne
von ihrem Hause zu wissen, gelebt hätten, wer weiß es?
Doch als Erben dieses Geschlechtes erbten sie auch das un-
geheure Kaptial von Grausamkeit und Feigheit, das sich
hier von Generation zu Generation aufgesammelt hatte.

Giovan Maria ist wiederum durch seine Hunde be-Giovan Maria.
rühmt, aber nicht mehr durch Jagdhunde, sondern durch
Thiere die zum Zerreißen von Menschen abgerichtet waren
und deren Eigennamen uns überliefert sind wie die der
Bären Kaiser Valentinians I. 1) Als im Mai 1409 während
des noch dauernden Krieges das verhungernde Volk ihm auf der
Straße zurief: Pace! Pace! ließ er seine Söldner ein-
hauen, die 200 Menschen tödteten; darauf war bei Galgen-
strafe verboten, die Worte Pace und Guerra auszusprechen
und selbst die Priester angewiesen, statt dona nobis pacem,
zu sagen tranquillitatem! Endlich benützten einige Ver-
schworne den Augenblick, da der Großcondottiere des wahn-
sinnigen Herzogs, Facino Cane, todtkrank zu Pavia lag,
und machten den Giovan Maria bei der Kirche S. Got-
tardo in Mailand nieder; der sterbende Facino aber ließ
am selbigen Tage seine Officiere schwören, dem Erben
Filippo Maria zu helfen, und schlug selber 2) noch vor,
seine Gemahlin möge sich nach seinem Tode mit diesem ver-
mählen, wie denn auch baldigst geschah; es war Beatrice
di Tenda. Von Filippo Maria wird noch weiter zu reden sein.

Und in solchen Zeiten getraute sich Cola Rienzi auf
den hinfälligen Enthusiasmus der verkommenen Stadt-
bevölkerung von Rom eine neue Herrschaft über Italien zu

1) Corio, Fol. 301 u. ff. Vgl. Ammian. Marcellin. XXIX, 3.
2) So Paul. Jovius, viri illustres, Jo. Galeatius, Philippus.

und vor der Hand konnten kaum die ältern Beſtandtheile1. Abſchnitt.
deſſelben behauptet werden. Was aus ſeinen Söhnen Gio-
van Maria (ſt. 1412) und Filippo Maria (ſt. 1447) ge-
worden wäre, wenn ſie in einem andern Lande und ohne
von ihrem Hauſe zu wiſſen, gelebt hätten, wer weiß es?
Doch als Erben dieſes Geſchlechtes erbten ſie auch das un-
geheure Kaptial von Grauſamkeit und Feigheit, das ſich
hier von Generation zu Generation aufgeſammelt hatte.

Giovan Maria iſt wiederum durch ſeine Hunde be-Giovan Maria.
rühmt, aber nicht mehr durch Jagdhunde, ſondern durch
Thiere die zum Zerreißen von Menſchen abgerichtet waren
und deren Eigennamen uns überliefert ſind wie die der
Bären Kaiſer Valentinians I. 1) Als im Mai 1409 während
des noch dauernden Krieges das verhungernde Volk ihm auf der
Straße zurief: Pace! Pace! ließ er ſeine Söldner ein-
hauen, die 200 Menſchen tödteten; darauf war bei Galgen-
ſtrafe verboten, die Worte Pace und Guerra auszuſprechen
und ſelbſt die Prieſter angewieſen, ſtatt dona nobis pacem,
zu ſagen tranquillitatem! Endlich benützten einige Ver-
ſchworne den Augenblick, da der Großcondottiere des wahn-
ſinnigen Herzogs, Facino Cane, todtkrank zu Pavia lag,
und machten den Giovan Maria bei der Kirche S. Got-
tardo in Mailand nieder; der ſterbende Facino aber ließ
am ſelbigen Tage ſeine Officiere ſchwören, dem Erben
Filippo Maria zu helfen, und ſchlug ſelber 2) noch vor,
ſeine Gemahlin möge ſich nach ſeinem Tode mit dieſem ver-
mählen, wie denn auch baldigſt geſchah; es war Beatrice
di Tenda. Von Filippo Maria wird noch weiter zu reden ſein.

Und in ſolchen Zeiten getraute ſich Cola Rienzi auf
den hinfälligen Enthuſiasmus der verkommenen Stadt-
bevölkerung von Rom eine neue Herrſchaft über Italien zu

1) Corio, Fol. 301 u. ff. Vgl. Ammian. Marcellin. XXIX, 3.
2) So Paul. Jovius, viri illustres, Jo. Galeatius, Philippus.
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[13/0023] und vor der Hand konnten kaum die ältern Beſtandtheile deſſelben behauptet werden. Was aus ſeinen Söhnen Gio- van Maria (ſt. 1412) und Filippo Maria (ſt. 1447) ge- worden wäre, wenn ſie in einem andern Lande und ohne von ihrem Hauſe zu wiſſen, gelebt hätten, wer weiß es? Doch als Erben dieſes Geſchlechtes erbten ſie auch das un- geheure Kaptial von Grauſamkeit und Feigheit, das ſich hier von Generation zu Generation aufgeſammelt hatte. 1. Abſchnitt. Giovan Maria iſt wiederum durch ſeine Hunde be- rühmt, aber nicht mehr durch Jagdhunde, ſondern durch Thiere die zum Zerreißen von Menſchen abgerichtet waren und deren Eigennamen uns überliefert ſind wie die der Bären Kaiſer Valentinians I. 1) Als im Mai 1409 während des noch dauernden Krieges das verhungernde Volk ihm auf der Straße zurief: Pace! Pace! ließ er ſeine Söldner ein- hauen, die 200 Menſchen tödteten; darauf war bei Galgen- ſtrafe verboten, die Worte Pace und Guerra auszuſprechen und ſelbſt die Prieſter angewieſen, ſtatt dona nobis pacem, zu ſagen tranquillitatem! Endlich benützten einige Ver- ſchworne den Augenblick, da der Großcondottiere des wahn- ſinnigen Herzogs, Facino Cane, todtkrank zu Pavia lag, und machten den Giovan Maria bei der Kirche S. Got- tardo in Mailand nieder; der ſterbende Facino aber ließ am ſelbigen Tage ſeine Officiere ſchwören, dem Erben Filippo Maria zu helfen, und ſchlug ſelber 2) noch vor, ſeine Gemahlin möge ſich nach ſeinem Tode mit dieſem ver- mählen, wie denn auch baldigſt geſchah; es war Beatrice di Tenda. Von Filippo Maria wird noch weiter zu reden ſein. Giovan Maria. Und in ſolchen Zeiten getraute ſich Cola Rienzi auf den hinfälligen Enthuſiasmus der verkommenen Stadt- bevölkerung von Rom eine neue Herrſchaft über Italien zu 1) Corio, Fol. 301 u. ff. Vgl. Ammian. Marcellin. XXIX, 3. 2) So Paul. Jovius, viri illustres, Jo. Galeatius, Philippus.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/23>, abgerufen am 20.04.2024.