Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

3. Abschnitt.sammlungen jener Zeit kommt uns eine Fülle von persön-
lichen Beziehungen dieser Art entgegen 1). Die officielle
Gesinnung der höher Gebildeten trieb fast ausschließlich
nach der bezeichneten Seite hin.

An den Für-
stenhöfen.
Doch es ist Zeit, den Humanismus an den Fürsten-
höfen ins Auge zu fassen. Die innere Affinität des Ge-
waltherrschers mit dem ebenfalls auf seine Persönlichkeit,
auf sein Talent angewiesenen Philologen wurde schon früher
(S. 6, 139) angedeutet; der letztere aber zog die Höfe einge-
standener Maßen den freien Städten vor, schon um der
reichlichern Belohnungen willen. Zu der Zeit, da es schien
als könne der große Alfons von Aragon Herr von ganz
Italien werden, schrieb Aeneas Sylvius 2) an einen andern
Sienesen: "wenn unter seiner Herrschaft Italien den Frie-
"den bekäme so wäre mir das lieber als (wenn es) unter
"Stadtregierungen (geschähe), denn ein edles Königsgemüth
"belohnt jede Trefflichkeit" 3). Auch hier hat man in neuester
Zeit die unwürdige Seite, das erkaufte Schmeicheln, zu sehr
hervorgehoben, wie man sich früher von dem Humanistenlob
allzugünstig für jene Fürsten stimmen ließ. Alles in Allem
genommen bleibt es immer ein überwiegend vortheilhaftes
Zeugniß für letztere, daß sie an der Spitze der Bildung
ihrer Zeit und ihres Landes -- wie einseitig dieselbe sein
Bei den Päp-
sten.
mochte -- glaubten stehen zu müssen. Vollends bei einigen
Päpsten 4) hat die Furchtlosigkeit gegenüber den Consequenzen

1) Die oben genannten Biographien Rosmini's (über Vittorino und
Guarino) sowie Shepherd, Leben des Poggio, müssen Vieles hierüber
enthalten.
2) Epist. 39; Opera, p. 526, an Mariano Socino.
3) Es darf nicht irre machen, daß daneben eine fortlaufende Reihe von
Klagen über die Geringfügigkeit des fürstlichen Mäcenates und über
die Gleichgültigkeit mancher Fürsten gegen den Ruhm sich laut
macht. So z. B. bei Bapt. Mantuan. Eclog V, noch aus dem
XV. Jahrh. -- Es war nicht möglich Allen genug zu thun.
4) Für das wissenschaftliche Mäcenat der Päpste bis gegen Ende des

3. Abſchnitt.ſammlungen jener Zeit kommt uns eine Fülle von perſön-
lichen Beziehungen dieſer Art entgegen 1). Die officielle
Geſinnung der höher Gebildeten trieb faſt ausſchließlich
nach der bezeichneten Seite hin.

An den Für-
ſtenhöfen.
Doch es iſt Zeit, den Humanismus an den Fürſten-
höfen ins Auge zu faſſen. Die innere Affinität des Ge-
waltherrſchers mit dem ebenfalls auf ſeine Perſönlichkeit,
auf ſein Talent angewieſenen Philologen wurde ſchon früher
(S. 6, 139) angedeutet; der letztere aber zog die Höfe einge-
ſtandener Maßen den freien Städten vor, ſchon um der
reichlichern Belohnungen willen. Zu der Zeit, da es ſchien
als könne der große Alfons von Aragon Herr von ganz
Italien werden, ſchrieb Aeneas Sylvius 2) an einen andern
Sieneſen: „wenn unter ſeiner Herrſchaft Italien den Frie-
„den bekäme ſo wäre mir das lieber als (wenn es) unter
„Stadtregierungen (geſchähe), denn ein edles Königsgemüth
„belohnt jede Trefflichkeit“ 3). Auch hier hat man in neueſter
Zeit die unwürdige Seite, das erkaufte Schmeicheln, zu ſehr
hervorgehoben, wie man ſich früher von dem Humaniſtenlob
allzugünſtig für jene Fürſten ſtimmen ließ. Alles in Allem
genommen bleibt es immer ein überwiegend vortheilhaftes
Zeugniß für letztere, daß ſie an der Spitze der Bildung
ihrer Zeit und ihres Landes — wie einſeitig dieſelbe ſein
Bei den Päp-
ſten.
mochte — glaubten ſtehen zu müſſen. Vollends bei einigen
Päpſten 4) hat die Furchtloſigkeit gegenüber den Conſequenzen

1) Die oben genannten Biographien Rosmini's (über Vittorino und
Guarino) ſowie Shepherd, Leben des Poggio, müſſen Vieles hierüber
enthalten.
2) Epist. 39; Opera, p. 526, an Mariano Socino.
3) Es darf nicht irre machen, daß daneben eine fortlaufende Reihe von
Klagen über die Geringfügigkeit des fürſtlichen Mäcenates und über
die Gleichgültigkeit mancher Fürſten gegen den Ruhm ſich laut
macht. So z. B. bei Bapt. Mantuan. Eclog V, noch aus dem
XV. Jahrh. — Es war nicht möglich Allen genug zu thun.
4) Für das wiſſenſchaftliche Mäcenat der Päpſte bis gegen Ende des
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0226" n="216"/><note place="left"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">3. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note>&#x017F;ammlungen jener Zeit kommt uns eine Fülle von per&#x017F;ön-<lb/>
lichen Beziehungen die&#x017F;er Art entgegen <note place="foot" n="1)">Die oben genannten Biographien Rosmini's (über Vittorino und<lb/>
Guarino) &#x017F;owie Shepherd, Leben des Poggio, mü&#x017F;&#x017F;en Vieles hierüber<lb/>
enthalten.</note>. Die officielle<lb/>
Ge&#x017F;innung der höher Gebildeten trieb fa&#x017F;t aus&#x017F;chließlich<lb/>
nach der bezeichneten Seite hin.</p><lb/>
        <p><note place="left">An den Für-<lb/>
&#x017F;tenhöfen.</note>Doch es i&#x017F;t Zeit, den Humanismus an den Für&#x017F;ten-<lb/>
höfen ins Auge zu fa&#x017F;&#x017F;en. Die innere Affinität des Ge-<lb/>
waltherr&#x017F;chers mit dem ebenfalls auf &#x017F;eine Per&#x017F;önlichkeit,<lb/>
auf &#x017F;ein Talent angewie&#x017F;enen Philologen wurde &#x017F;chon früher<lb/>
(S. 6, 139) angedeutet; der letztere aber zog die Höfe einge-<lb/>
&#x017F;tandener Maßen den freien Städten vor, &#x017F;chon um der<lb/>
reichlichern Belohnungen willen. Zu der Zeit, da es &#x017F;chien<lb/>
als könne der große Alfons von Aragon Herr von ganz<lb/>
Italien werden, &#x017F;chrieb Aeneas Sylvius <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Epist. 39; Opera, p. 526,</hi> an Mariano Socino.</note> an einen andern<lb/>
Siene&#x017F;en: &#x201E;wenn unter &#x017F;einer Herr&#x017F;chaft Italien den Frie-<lb/>
&#x201E;den bekäme &#x017F;o wäre mir das lieber als (wenn es) unter<lb/>
&#x201E;Stadtregierungen (ge&#x017F;chähe), denn ein edles Königsgemüth<lb/>
&#x201E;belohnt jede Trefflichkeit&#x201C; <note place="foot" n="3)">Es darf nicht irre machen, daß daneben eine fortlaufende Reihe von<lb/>
Klagen über die Geringfügigkeit des für&#x017F;tlichen Mäcenates und über<lb/>
die Gleichgültigkeit mancher Für&#x017F;ten gegen den Ruhm &#x017F;ich laut<lb/>
macht. So z. B. bei <hi rendition="#aq">Bapt. Mantuan. Eclog V,</hi> noch aus dem<lb/><hi rendition="#aq">XV.</hi> Jahrh. &#x2014; Es war nicht möglich Allen genug zu thun.</note>. Auch hier hat man in neue&#x017F;ter<lb/>
Zeit die unwürdige Seite, das erkaufte Schmeicheln, zu &#x017F;ehr<lb/>
hervorgehoben, wie man &#x017F;ich früher von dem Humani&#x017F;tenlob<lb/>
allzugün&#x017F;tig für jene Für&#x017F;ten &#x017F;timmen ließ. Alles in Allem<lb/>
genommen bleibt es immer ein überwiegend vortheilhaftes<lb/>
Zeugniß für letztere, daß &#x017F;ie an der Spitze der Bildung<lb/>
ihrer Zeit und ihres Landes &#x2014; wie ein&#x017F;eitig die&#x017F;elbe &#x017F;ein<lb/><note place="left">Bei den Päp-<lb/>
&#x017F;ten.</note>mochte &#x2014; glaubten &#x017F;tehen zu mü&#x017F;&#x017F;en. Vollends bei einigen<lb/>
Päp&#x017F;ten <note xml:id="seg2pn_15_1" next="#seg2pn_15_2" place="foot" n="4)">Für das wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Mäcenat der Päp&#x017F;te bis gegen Ende des</note> hat die Furchtlo&#x017F;igkeit gegenüber den Con&#x017F;equenzen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0226] ſammlungen jener Zeit kommt uns eine Fülle von perſön- lichen Beziehungen dieſer Art entgegen 1). Die officielle Geſinnung der höher Gebildeten trieb faſt ausſchließlich nach der bezeichneten Seite hin. 3. Abſchnitt. Doch es iſt Zeit, den Humanismus an den Fürſten- höfen ins Auge zu faſſen. Die innere Affinität des Ge- waltherrſchers mit dem ebenfalls auf ſeine Perſönlichkeit, auf ſein Talent angewieſenen Philologen wurde ſchon früher (S. 6, 139) angedeutet; der letztere aber zog die Höfe einge- ſtandener Maßen den freien Städten vor, ſchon um der reichlichern Belohnungen willen. Zu der Zeit, da es ſchien als könne der große Alfons von Aragon Herr von ganz Italien werden, ſchrieb Aeneas Sylvius 2) an einen andern Sieneſen: „wenn unter ſeiner Herrſchaft Italien den Frie- „den bekäme ſo wäre mir das lieber als (wenn es) unter „Stadtregierungen (geſchähe), denn ein edles Königsgemüth „belohnt jede Trefflichkeit“ 3). Auch hier hat man in neueſter Zeit die unwürdige Seite, das erkaufte Schmeicheln, zu ſehr hervorgehoben, wie man ſich früher von dem Humaniſtenlob allzugünſtig für jene Fürſten ſtimmen ließ. Alles in Allem genommen bleibt es immer ein überwiegend vortheilhaftes Zeugniß für letztere, daß ſie an der Spitze der Bildung ihrer Zeit und ihres Landes — wie einſeitig dieſelbe ſein mochte — glaubten ſtehen zu müſſen. Vollends bei einigen Päpſten 4) hat die Furchtloſigkeit gegenüber den Conſequenzen An den Für- ſtenhöfen. Bei den Päp- ſten. 1) Die oben genannten Biographien Rosmini's (über Vittorino und Guarino) ſowie Shepherd, Leben des Poggio, müſſen Vieles hierüber enthalten. 2) Epist. 39; Opera, p. 526, an Mariano Socino. 3) Es darf nicht irre machen, daß daneben eine fortlaufende Reihe von Klagen über die Geringfügigkeit des fürſtlichen Mäcenates und über die Gleichgültigkeit mancher Fürſten gegen den Ruhm ſich laut macht. So z. B. bei Bapt. Mantuan. Eclog V, noch aus dem XV. Jahrh. — Es war nicht möglich Allen genug zu thun. 4) Für das wiſſenſchaftliche Mäcenat der Päpſte bis gegen Ende des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/226
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/226>, abgerufen am 25.04.2024.