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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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3. Abschnitt.griechisch verstanden, die erste Stelle und den Ehrennamen
Scrittori im vorzugsweisen Sinne ein; es waren und
blieben ihrer wenige, und sie wurden hoch bezahlt 1). Die
übrigen, Copisti schlechtweg, waren theils Arbeiter, die einzig
davon lebten, theils arme Gelehrte, die eines Nebengewinnes
bedurften. Merkwürdiger Weise waren die Copisten von
Rom um die Zeit Nicolaus V. meist Deutsche und Fran-
zosen 2), wahrscheinlich Leute, die etwas bei der Curie zu
suchen hatten und ihren Lebensunterhalt herausschlagen
mußten. Als nun z. B. Cosimo Medici für seine Lieblings-
gründung, die Badia unterhalb Fiesole rasch eine Biblio-
thek gründen wollte, ließ er den Vespasiano kommen und
erhielt den Rath: auf den Kauf vorräthiger Bücher zu
verzichten, da sich, was man wünsche, nicht vorräthig finde,
sondern schreiben zu lassen; darauf machte Cosimo einen
Accord mit ihm auf tagtägliche Auszahlung, und Vespa-
siano nahm 45 Schreiber und lieferte in 22 Monaten
200 fertige Bände 3). Das Verzeichniß, wonach man ver-
fuhr, hatte Cosimo von Nicolaus V. 4) eigenhändig erhalten.
(Natürlich überwog die kirchliche Literatur und die Aus-
stattung für den Chordienst weit das Uebrige.)

1) Wenn Piero de' Medici beim Tode des bücherliebenden Königs
Matthias Corvinus von Ungarn voraussagt, die Scrittori würden
fortan ihre Preise ermäßigen müssen, da sie sonst von Niemand mehr
(scil. als von uns) beschäftigt würden, so kann dieß nur auf die
Griechen gehen, denn Kalligraphen, auf welche man es zu deuten
versucht wäre, gab es fortwährend viele in ganz Italien. -- Fa-
broni, Laurent. magn. Adnot. 156.
Vgl. Adnot. 154.
2) Gaye, Carteggio, I, p. 164. Ein Brief von 1455, unter Ca-
lixt III. Auch die berühmte Miniaturenbibel von Urbino ist von
einem Franzosen, Arbeiter Vespasiano's, geschrieben. S. D'Agin-
court, Malerei, Tab. 78.
3) Vespas. Fior. p. 335.
4) Auch für die Bibliotheken von Urbino und Pesaro (die des Aless.
Sforza, S. 27) hatte der Papst eine ähnliche Gefälligkeit.

3. Abſchnitt.griechiſch verſtanden, die erſte Stelle und den Ehrennamen
Scrittori im vorzugsweiſen Sinne ein; es waren und
blieben ihrer wenige, und ſie wurden hoch bezahlt 1). Die
übrigen, Copiſti ſchlechtweg, waren theils Arbeiter, die einzig
davon lebten, theils arme Gelehrte, die eines Nebengewinnes
bedurften. Merkwürdiger Weiſe waren die Copiſten von
Rom um die Zeit Nicolaus V. meiſt Deutſche und Fran-
zoſen 2), wahrſcheinlich Leute, die etwas bei der Curie zu
ſuchen hatten und ihren Lebensunterhalt herausſchlagen
mußten. Als nun z. B. Coſimo Medici für ſeine Lieblings-
gründung, die Badia unterhalb Fieſole raſch eine Biblio-
thek gründen wollte, ließ er den Vespaſiano kommen und
erhielt den Rath: auf den Kauf vorräthiger Bücher zu
verzichten, da ſich, was man wünſche, nicht vorräthig finde,
ſondern ſchreiben zu laſſen; darauf machte Coſimo einen
Accord mit ihm auf tagtägliche Auszahlung, und Vespa-
ſiano nahm 45 Schreiber und lieferte in 22 Monaten
200 fertige Bände 3). Das Verzeichniß, wonach man ver-
fuhr, hatte Coſimo von Nicolaus V. 4) eigenhändig erhalten.
(Natürlich überwog die kirchliche Literatur und die Aus-
ſtattung für den Chordienſt weit das Uebrige.)

1) Wenn Piero de' Medici beim Tode des bücherliebenden Königs
Matthias Corvinus von Ungarn vorausſagt, die Scrittori würden
fortan ihre Preiſe ermäßigen müſſen, da ſie ſonſt von Niemand mehr
(scil. als von uns) beſchäftigt würden, ſo kann dieß nur auf die
Griechen gehen, denn Kalligraphen, auf welche man es zu deuten
verſucht wäre, gab es fortwährend viele in ganz Italien. — Fa-
broni, Laurent. magn. Adnot. 156.
Vgl. Adnot. 154.
2) Gaye, Carteggio, I, p. 164. Ein Brief von 1455, unter Ca-
lixt III. Auch die berühmte Miniaturenbibel von Urbino iſt von
einem Franzoſen, Arbeiter Vespaſiano's, geſchrieben. S. D'Agin-
court, Malerei, Tab. 78.
3) Vespas. Fior. p. 335.
4) Auch für die Bibliotheken von Urbino und Peſaro (die des Aleſſ.
Sforza, S. 27) hatte der Papſt eine ähnliche Gefälligkeit.
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[192/0202] griechiſch verſtanden, die erſte Stelle und den Ehrennamen Scrittori im vorzugsweiſen Sinne ein; es waren und blieben ihrer wenige, und ſie wurden hoch bezahlt 1). Die übrigen, Copiſti ſchlechtweg, waren theils Arbeiter, die einzig davon lebten, theils arme Gelehrte, die eines Nebengewinnes bedurften. Merkwürdiger Weiſe waren die Copiſten von Rom um die Zeit Nicolaus V. meiſt Deutſche und Fran- zoſen 2), wahrſcheinlich Leute, die etwas bei der Curie zu ſuchen hatten und ihren Lebensunterhalt herausſchlagen mußten. Als nun z. B. Coſimo Medici für ſeine Lieblings- gründung, die Badia unterhalb Fieſole raſch eine Biblio- thek gründen wollte, ließ er den Vespaſiano kommen und erhielt den Rath: auf den Kauf vorräthiger Bücher zu verzichten, da ſich, was man wünſche, nicht vorräthig finde, ſondern ſchreiben zu laſſen; darauf machte Coſimo einen Accord mit ihm auf tagtägliche Auszahlung, und Vespa- ſiano nahm 45 Schreiber und lieferte in 22 Monaten 200 fertige Bände 3). Das Verzeichniß, wonach man ver- fuhr, hatte Coſimo von Nicolaus V. 4) eigenhändig erhalten. (Natürlich überwog die kirchliche Literatur und die Aus- ſtattung für den Chordienſt weit das Uebrige.) 3. Abſchnitt. 1) Wenn Piero de' Medici beim Tode des bücherliebenden Königs Matthias Corvinus von Ungarn vorausſagt, die Scrittori würden fortan ihre Preiſe ermäßigen müſſen, da ſie ſonſt von Niemand mehr (scil. als von uns) beſchäftigt würden, ſo kann dieß nur auf die Griechen gehen, denn Kalligraphen, auf welche man es zu deuten verſucht wäre, gab es fortwährend viele in ganz Italien. — Fa- broni, Laurent. magn. Adnot. 156. Vgl. Adnot. 154. 2) Gaye, Carteggio, I, p. 164. Ein Brief von 1455, unter Ca- lixt III. Auch die berühmte Miniaturenbibel von Urbino iſt von einem Franzoſen, Arbeiter Vespaſiano's, geſchrieben. S. D'Agin- court, Malerei, Tab. 78. 3) Vespas. Fior. p. 335. 4) Auch für die Bibliotheken von Urbino und Peſaro (die des Aleſſ. Sforza, S. 27) hatte der Papſt eine ähnliche Gefälligkeit.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/202>, abgerufen am 28.03.2024.