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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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ausgewandert seien 1). Daß die Massimi von O. Fabius3. Abschnitt.
Maximus, die Cornaro von den Corneliern abstammen
wollten, kann nicht befremden. Dagegen ist es für das
folgende XVI. Jahrhundert eine recht auffallende Aus-
nahme, daß der Novellist Bandello sein Geschlecht von
vornehmen Ostgothen (I, Nov. 23.) abzuleiten sucht.

Kehren wir nach Rom zurück. Die Einwohner, "die
sich damals Römer nannten", gingen begierig auf das
Hochgefühl ein, welches ihnen das übrige Italien entgegen-
brachte. Wir werden unter Paul II., Sixtus IV. und
Alexander VI. prächtige Carnevalsaufzüge stattfinden sehen,
welche das beliebteste Phantasiebild jener Zeit, den Triumph
altrömischer Imperatoren, darstellten. Wo irgend Pathos
zum Vorschein kam, mußte es in jener Form geschehen.
Bei dieser Stimmung der Gemüther geschah es am 18. AprilDie römische
Leiche.

1485, daß sich das Gerücht verbreitete, man habe die
wunderbar schöne, wohl erhaltene Leiche einer jungen Rö-
merinn aus dem Alterthum gefunden 2). Lombardische
Maurer, welche auf einem Grundstück des Klosters S. Ma-
ria nuova, an der Via Appia, außerhalb der Caecilia Metella,

1) Mich. Cannesius, Vita Pauli II, bei Murat. III, II, Col. 993.
Selbst gegen Nero, den Sohn des Domitius Ahenobarbus, will
Auter, der päpstlichen Verwandtschaft wegen, nicht unverbindlich sein;
er sagt von demselben nur: de quo rerum scriptores multa ac
diversa commemorant.
-- Noch stärker war es freilich z. B. wenn
die Familie Plato in Mailand sich schmeichelte von dem großen
Plato abzustammen, wenn Filelfo in einer Hochzeitsrede und in
einer Lobrede auf den Juristen Teodoro Plato dieß sagen durfte,
und wenn ein Giovanantonio Plato der von ihm 1478 gemeißelten
Relieffigur des Philosophen (im Hof des Pal. Mazenta zu Mailand)
die Inschrift beifügen konnte: Platonem suum, a quo originem
et ingenium refert ...
2) Hierüber Nantiporto, bei Murat. III, II, Col. 1094; Infessura,
bei Eccard, scriptores, II, Col. 1951; -- Matarazzo, im Arch.
stor. XVI, II, p. 180.

ausgewandert ſeien 1). Daß die Maſſimi von O. Fabius3. Abſchnitt.
Maximus, die Cornaro von den Corneliern abſtammen
wollten, kann nicht befremden. Dagegen iſt es für das
folgende XVI. Jahrhundert eine recht auffallende Aus-
nahme, daß der Novelliſt Bandello ſein Geſchlecht von
vornehmen Oſtgothen (I, Nov. 23.) abzuleiten ſucht.

Kehren wir nach Rom zurück. Die Einwohner, „die
ſich damals Römer nannten“, gingen begierig auf das
Hochgefühl ein, welches ihnen das übrige Italien entgegen-
brachte. Wir werden unter Paul II., Sixtus IV. und
Alexander VI. prächtige Carnevalsaufzüge ſtattfinden ſehen,
welche das beliebteſte Phantaſiebild jener Zeit, den Triumph
altrömiſcher Imperatoren, darſtellten. Wo irgend Pathos
zum Vorſchein kam, mußte es in jener Form geſchehen.
Bei dieſer Stimmung der Gemüther geſchah es am 18. AprilDie römiſche
Leiche.

1485, daß ſich das Gerücht verbreitete, man habe die
wunderbar ſchöne, wohl erhaltene Leiche einer jungen Rö-
merinn aus dem Alterthum gefunden 2). Lombardiſche
Maurer, welche auf einem Grundſtück des Kloſters S. Ma-
ria nuova, an der Via Appia, außerhalb der Caecilia Metella,

1) Mich. Cannesius, Vita Pauli II, bei Murat. III, II, Col. 993.
Selbſt gegen Nero, den Sohn des Domitius Ahenobarbus, will
Auter, der päpſtlichen Verwandtſchaft wegen, nicht unverbindlich ſein;
er ſagt von demſelben nur: de quo rerum scriptores multa ac
diversa commemorant.
— Noch ſtärker war es freilich z. B. wenn
die Familie Plato in Mailand ſich ſchmeichelte von dem großen
Plato abzuſtammen, wenn Filelfo in einer Hochzeitsrede und in
einer Lobrede auf den Juriſten Teodoro Plato dieß ſagen durfte,
und wenn ein Giovanantonio Plato der von ihm 1478 gemeißelten
Relieffigur des Philoſophen (im Hof des Pal. Mazenta zu Mailand)
die Inſchrift beifügen konnte: Platonem suum, a quo originem
et ingenium refert …
2) Hierüber Nantiporto, bei Murat. III, II, Col. 1094; Infessura,
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[183/0193] ausgewandert ſeien 1). Daß die Maſſimi von O. Fabius Maximus, die Cornaro von den Corneliern abſtammen wollten, kann nicht befremden. Dagegen iſt es für das folgende XVI. Jahrhundert eine recht auffallende Aus- nahme, daß der Novelliſt Bandello ſein Geſchlecht von vornehmen Oſtgothen (I, Nov. 23.) abzuleiten ſucht. 3. Abſchnitt. Kehren wir nach Rom zurück. Die Einwohner, „die ſich damals Römer nannten“, gingen begierig auf das Hochgefühl ein, welches ihnen das übrige Italien entgegen- brachte. Wir werden unter Paul II., Sixtus IV. und Alexander VI. prächtige Carnevalsaufzüge ſtattfinden ſehen, welche das beliebteſte Phantaſiebild jener Zeit, den Triumph altrömiſcher Imperatoren, darſtellten. Wo irgend Pathos zum Vorſchein kam, mußte es in jener Form geſchehen. Bei dieſer Stimmung der Gemüther geſchah es am 18. April 1485, daß ſich das Gerücht verbreitete, man habe die wunderbar ſchöne, wohl erhaltene Leiche einer jungen Rö- merinn aus dem Alterthum gefunden 2). Lombardiſche Maurer, welche auf einem Grundſtück des Kloſters S. Ma- ria nuova, an der Via Appia, außerhalb der Caecilia Metella, Die römiſche Leiche. 1) Mich. Cannesius, Vita Pauli II, bei Murat. III, II, Col. 993. Selbſt gegen Nero, den Sohn des Domitius Ahenobarbus, will Auter, der päpſtlichen Verwandtſchaft wegen, nicht unverbindlich ſein; er ſagt von demſelben nur: de quo rerum scriptores multa ac diversa commemorant. — Noch ſtärker war es freilich z. B. wenn die Familie Plato in Mailand ſich ſchmeichelte von dem großen Plato abzuſtammen, wenn Filelfo in einer Hochzeitsrede und in einer Lobrede auf den Juriſten Teodoro Plato dieß ſagen durfte, und wenn ein Giovanantonio Plato der von ihm 1478 gemeißelten Relieffigur des Philoſophen (im Hof des Pal. Mazenta zu Mailand) die Inſchrift beifügen konnte: Platonem suum, a quo originem et ingenium refert … 2) Hierüber Nantiporto, bei Murat. III, II, Col. 1094; Infessura, bei Eccard, scriptores, II, Col. 1951; — Matarazzo, im Arch. stor. XVI, II, p. 180.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/193>, abgerufen am 20.04.2024.