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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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als er z. B. niederschrieb: Nola habe größere Ehre durch3. Abschnitt.
das Andenken des S. Paulinus als durch die römischen
Erinnerungen und durch den Heldenkampf des Marcellus?
Nicht daß etwa an seinem Reliquienglauben zu zweifeln
wäre, allein sein Geist ist schon offenbar mehr der Forscher-
theilnahme an Natur und Alterthum, der Sorge für das
Monumentale, der geistvollen Beobachtung des Lebens zu-
geneigt. Noch in seinen letzten Jahren als Papst, podagrisch
und doch in der heitersten Stimmung, läßt er sich auf dem
Tragsessel über Berg und Thal nach Tusculum, Alba,
Tibur, Ostia, Falerii, Ocriculum bringen und verzeichnet
Alles was er gesehen; er verfolgt die alten Römerstraßen
und Wasserleitungen und sucht die Grenzen der antiken
Völkerschaften um Rom zu bestimmen. Bei einem Ausflug
nach Tibur mit dem großen Federigo von Urbino vergeht
die Zeit Beiden auf das Angenehmste mit Gesprächen über
das Alterthum und dessen Kriegswesen, besonders über den
trojanischen Krieg; selbst auf seiner Reise zum Congreß von
Mantua (1459) sucht er, wiewohl vergebens, das von
Plinius erwähnte Labyrinth von Clusium und besieht am
Mincio die sogenannte Villa Virgil's. Daß derselbe Papst
auch von den Abbreviatoren ein classisches Latein verlangte,
versteht sich beinahe von selbst; hat er doch einst im nea-
politanischen Krieg die Arpinaten amnestirt als Landsleute
des M. T. Cicero, so wie des C. Marius, nach welchen
noch viele Leute dort getauft waren. Ihm allein als Ken-
ner und Beschützer konnte und mochte Blondus seine Roma
triumphans zueignen, den ersten großen Versuch einer Ge-
sammtdarstellung des römischen Alterthums.

In dieser Zeit war natürlich auch im übrigen ItalienDas Alterthum
außerhalb
Rom's.

der Eifer für die römischen Alterthümer erwacht. Schon
Boccaccio 1) nennt die Ruinenwelt von Bajae "altes Ge-
mäuer, und doch neu für moderne Gemüther;" seitdem

1) Boccaccio, Fiammetta, cap. 5.

als er z. B. niederſchrieb: Nola habe größere Ehre durch3. Abſchnitt.
das Andenken des S. Paulinus als durch die römiſchen
Erinnerungen und durch den Heldenkampf des Marcellus?
Nicht daß etwa an ſeinem Reliquienglauben zu zweifeln
wäre, allein ſein Geiſt iſt ſchon offenbar mehr der Forſcher-
theilnahme an Natur und Alterthum, der Sorge für das
Monumentale, der geiſtvollen Beobachtung des Lebens zu-
geneigt. Noch in ſeinen letzten Jahren als Papſt, podagriſch
und doch in der heiterſten Stimmung, läßt er ſich auf dem
Tragſeſſel über Berg und Thal nach Tusculum, Alba,
Tibur, Oſtia, Falerii, Ocriculum bringen und verzeichnet
Alles was er geſehen; er verfolgt die alten Römerſtraßen
und Waſſerleitungen und ſucht die Grenzen der antiken
Völkerſchaften um Rom zu beſtimmen. Bei einem Ausflug
nach Tibur mit dem großen Federigo von Urbino vergeht
die Zeit Beiden auf das Angenehmſte mit Geſprächen über
das Alterthum und deſſen Kriegsweſen, beſonders über den
trojaniſchen Krieg; ſelbſt auf ſeiner Reiſe zum Congreß von
Mantua (1459) ſucht er, wiewohl vergebens, das von
Plinius erwähnte Labyrinth von Cluſium und beſieht am
Mincio die ſogenannte Villa Virgil's. Daß derſelbe Papſt
auch von den Abbreviatoren ein claſſiſches Latein verlangte,
verſteht ſich beinahe von ſelbſt; hat er doch einſt im nea-
politaniſchen Krieg die Arpinaten amneſtirt als Landsleute
des M. T. Cicero, ſo wie des C. Marius, nach welchen
noch viele Leute dort getauft waren. Ihm allein als Ken-
ner und Beſchützer konnte und mochte Blondus ſeine Roma
triumphans zueignen, den erſten großen Verſuch einer Ge-
ſammtdarſtellung des römiſchen Alterthums.

In dieſer Zeit war natürlich auch im übrigen ItalienDas Alterthum
außerhalb
Rom's.

der Eifer für die römiſchen Alterthümer erwacht. Schon
Boccaccio 1) nennt die Ruinenwelt von Bajae „altes Ge-
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[181/0191] als er z. B. niederſchrieb: Nola habe größere Ehre durch das Andenken des S. Paulinus als durch die römiſchen Erinnerungen und durch den Heldenkampf des Marcellus? Nicht daß etwa an ſeinem Reliquienglauben zu zweifeln wäre, allein ſein Geiſt iſt ſchon offenbar mehr der Forſcher- theilnahme an Natur und Alterthum, der Sorge für das Monumentale, der geiſtvollen Beobachtung des Lebens zu- geneigt. Noch in ſeinen letzten Jahren als Papſt, podagriſch und doch in der heiterſten Stimmung, läßt er ſich auf dem Tragſeſſel über Berg und Thal nach Tusculum, Alba, Tibur, Oſtia, Falerii, Ocriculum bringen und verzeichnet Alles was er geſehen; er verfolgt die alten Römerſtraßen und Waſſerleitungen und ſucht die Grenzen der antiken Völkerſchaften um Rom zu beſtimmen. Bei einem Ausflug nach Tibur mit dem großen Federigo von Urbino vergeht die Zeit Beiden auf das Angenehmſte mit Geſprächen über das Alterthum und deſſen Kriegsweſen, beſonders über den trojaniſchen Krieg; ſelbſt auf ſeiner Reiſe zum Congreß von Mantua (1459) ſucht er, wiewohl vergebens, das von Plinius erwähnte Labyrinth von Cluſium und beſieht am Mincio die ſogenannte Villa Virgil's. Daß derſelbe Papſt auch von den Abbreviatoren ein claſſiſches Latein verlangte, verſteht ſich beinahe von ſelbſt; hat er doch einſt im nea- politaniſchen Krieg die Arpinaten amneſtirt als Landsleute des M. T. Cicero, ſo wie des C. Marius, nach welchen noch viele Leute dort getauft waren. Ihm allein als Ken- ner und Beſchützer konnte und mochte Blondus ſeine Roma triumphans zueignen, den erſten großen Verſuch einer Ge- ſammtdarſtellung des römiſchen Alterthums. 3. Abſchnitt. In dieſer Zeit war natürlich auch im übrigen Italien der Eifer für die römiſchen Alterthümer erwacht. Schon Boccaccio 1) nennt die Ruinenwelt von Bajae „altes Ge- mäuer, und doch neu für moderne Gemüther;“ ſeitdem Das Alterthum außerhalb Rom's. 1) Boccaccio, Fiammetta, cap. 5.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/191>, abgerufen am 16.04.2024.