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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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2. Abschnitt.als "Studio" des Accursius (geb. um 1150), ließ aber
doch geschehen, daß es zerstört wurde 1). Wahrscheinlich
frappirten die hohen Einnahmen und die politischen Ver-
bindungen einzelner Juristen (als Consulenten und Deduc-
tionenschreiber) die Einbildungskraft der Leute auf lange
hinaus.

Cultus der
Gräber.
Zum Cultus der Geburtshäuser gehört der der Gräber
berühmter Leute 2); für Petrarca kommt auch noch der Ort
wo er gestorben überhaupt hinzu, indem Arquato seinem
Andenken zu Ehren ein Lieblings-Aufenthalt der Paduaner
und mit zierlichen Wohngebäuden geschmückt wurde 3) --
zu einer Zeit da es im Norden noch lange keine "classischen
Stellen" sondern nur Wallfahrten zu Bildern und Reli-
quien gab. Es wurde Ehrensache für die Städte, die Ge-
beine eigener und fremder Celebritäten zu besitzen, und man
erstaunt zu sehen, wie ernstlich die Florentiner schon im XIV.
Jahrhundert -- lange vor S. Croce -- ihren Dom zum
Pantheon zu erheben strebten. Accorso, Dante, Petrarca,
Boccaccio und der Jurist Zanobi della Strada sollten dort
Prachtgräber erhalten 4). Noch spät im XV. Jahrhundert
verwandte sich Lorenzo magnifico in Person bei den Spole-
tinern, daß sie ihm die Leiche des Malers Fra Filippo Lippi
für den Dom abtreten möchten, und erhielt die Antwort:
sie hätten überhaupt keinen Ueberfluß an Zierden, besonders
nicht an berühmten Leuten, weßhalb er sie verschonen möge;
in der That mußte man sich mit einem Kenotaphium be-
gnügen. Und auch Dante blieb trotz allen Verwendungen,

1) Filippo Villani, vite, p. 19.
2) Beides beisammen in der Grabschrift auf Boccaccio: Nacqui in
Firenze al Pozzo Toscanelli; Di fuor sepolto a Certaldo
giaccio, etc.
-- Vgl. Opere volgari di Bocc., vol. XVI, p. 44.
3) Mich. Savonarola, de laudibus Patavii, bei Murat. XXIV,
Col. 1157.
4) Der motivirte Staatsbeschluß von 1396 bei Gaye, carteggio, I,
p. 123.

2. Abſchnitt.als „Studio“ des Accurſius (geb. um 1150), ließ aber
doch geſchehen, daß es zerſtört wurde 1). Wahrſcheinlich
frappirten die hohen Einnahmen und die politiſchen Ver-
bindungen einzelner Juriſten (als Conſulenten und Deduc-
tionenſchreiber) die Einbildungskraft der Leute auf lange
hinaus.

Cultus der
Gräber.
Zum Cultus der Geburtshäuſer gehört der der Gräber
berühmter Leute 2); für Petrarca kommt auch noch der Ort
wo er geſtorben überhaupt hinzu, indem Arquato ſeinem
Andenken zu Ehren ein Lieblings-Aufenthalt der Paduaner
und mit zierlichen Wohngebäuden geſchmückt wurde 3)
zu einer Zeit da es im Norden noch lange keine „claſſiſchen
Stellen“ ſondern nur Wallfahrten zu Bildern und Reli-
quien gab. Es wurde Ehrenſache für die Städte, die Ge-
beine eigener und fremder Celebritäten zu beſitzen, und man
erſtaunt zu ſehen, wie ernſtlich die Florentiner ſchon im XIV.
Jahrhundert — lange vor S. Croce — ihren Dom zum
Pantheon zu erheben ſtrebten. Accorſo, Dante, Petrarca,
Boccaccio und der Juriſt Zanobi della Strada ſollten dort
Prachtgräber erhalten 4). Noch ſpät im XV. Jahrhundert
verwandte ſich Lorenzo magnifico in Perſon bei den Spole-
tinern, daß ſie ihm die Leiche des Malers Fra Filippo Lippi
für den Dom abtreten möchten, und erhielt die Antwort:
ſie hätten überhaupt keinen Ueberfluß an Zierden, beſonders
nicht an berühmten Leuten, weßhalb er ſie verſchonen möge;
in der That mußte man ſich mit einem Kenotaphium be-
gnügen. Und auch Dante blieb trotz allen Verwendungen,

1) Filippo Villani, vite, p. 19.
2) Beides beiſammen in der Grabſchrift auf Boccaccio: Nacqui in
Firenze al Pozzo Toscanelli; Di fuor sepolto a Certaldo
giaccio, etc.
— Vgl. Opere volgari di Bocc., vol. XVI, p. 44.
3) Mich. Savonarola, de laudibus Patavii, bei Murat. XXIV,
Col. 1157.
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[146/0156] als „Studio“ des Accurſius (geb. um 1150), ließ aber doch geſchehen, daß es zerſtört wurde 1). Wahrſcheinlich frappirten die hohen Einnahmen und die politiſchen Ver- bindungen einzelner Juriſten (als Conſulenten und Deduc- tionenſchreiber) die Einbildungskraft der Leute auf lange hinaus. 2. Abſchnitt. Zum Cultus der Geburtshäuſer gehört der der Gräber berühmter Leute 2); für Petrarca kommt auch noch der Ort wo er geſtorben überhaupt hinzu, indem Arquato ſeinem Andenken zu Ehren ein Lieblings-Aufenthalt der Paduaner und mit zierlichen Wohngebäuden geſchmückt wurde 3) — zu einer Zeit da es im Norden noch lange keine „claſſiſchen Stellen“ ſondern nur Wallfahrten zu Bildern und Reli- quien gab. Es wurde Ehrenſache für die Städte, die Ge- beine eigener und fremder Celebritäten zu beſitzen, und man erſtaunt zu ſehen, wie ernſtlich die Florentiner ſchon im XIV. Jahrhundert — lange vor S. Croce — ihren Dom zum Pantheon zu erheben ſtrebten. Accorſo, Dante, Petrarca, Boccaccio und der Juriſt Zanobi della Strada ſollten dort Prachtgräber erhalten 4). Noch ſpät im XV. Jahrhundert verwandte ſich Lorenzo magnifico in Perſon bei den Spole- tinern, daß ſie ihm die Leiche des Malers Fra Filippo Lippi für den Dom abtreten möchten, und erhielt die Antwort: ſie hätten überhaupt keinen Ueberfluß an Zierden, beſonders nicht an berühmten Leuten, weßhalb er ſie verſchonen möge; in der That mußte man ſich mit einem Kenotaphium be- gnügen. Und auch Dante blieb trotz allen Verwendungen, Cultus der Gräber. 1) Filippo Villani, vite, p. 19. 2) Beides beiſammen in der Grabſchrift auf Boccaccio: Nacqui in Firenze al Pozzo Toscanelli; Di fuor sepolto a Certaldo giaccio, etc. — Vgl. Opere volgari di Bocc., vol. XVI, p. 44. 3) Mich. Savonarola, de laudibus Patavii, bei Murat. XXIV, Col. 1157. 4) Der motivirte Staatsbeſchluß von 1396 bei Gaye, carteggio, I, p. 123.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/156>, abgerufen am 18.04.2024.