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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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1. Abschnitt.überfiel und umbrachte 1). Wem aber die Borgia mit offener
Vergiftungen.Gewalt nicht beikamen, der unterlag ihrem Gift. Für
diejenigen Fälle, wo einige Discretion nöthig schien, wurde
jenes schneeweiße, angenehm schmeckende Pulver 2) gebraucht,
welches nicht blitzschnell, sondern allmälig wirkte und sich
unbemerkt jedem Gericht oder Getränk beimischen ließ.
Schon Prinz Dschem hatte davon in einem süßen Trank
mit bekommen, bevor ihn Alexander an Carl VIII. aus-
lieferte (1495), und am Ende ihrer Laufbahn vergifteten
sich Vater und Sohn damit, indem sie zufällig von dem
für einen reichen Cardinal bestimmten Wein genossen. Der
officielle Epitomator der Papstgeschichte, Onufrio Panvinio 3)
nennt drei Cardinäle, welche Alexander hat vergiften lassen
(Orsini, Ferrerio und Michiel) und deutet einen vierten
an, welchen Cesare auf seine Rechnung nahm (Giovanni
Borgia); es möchten aber damals selten reichere Prälaten
in Rom gestorben sein ohne einen Verdacht dieser Art.
Auch stille Gelehrte, die sich in eine Landstadt zurückge-
zogen, erreichte ja das erbarmungslose Gift. Es fing an,
um den Papst herum nicht mehr recht geheuer zu werden;
Blitzschläge und Sturmwinde, von welchen Mauern und
Gemächer einstürzten, hatten ihn schon früher in auffallender
Weise heimgesucht und in Schrecken gesetzt; als 1500 4) sich
diese Erscheinungen wiederholten, fand man darin "cosa
Die
letzten Jahre.
diabolica
". Das Gerücht von diesem Zustande der Dinge
scheint durch das starkbesuchte 5) Jubiläum von 1500 doch

1) Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 362.
2) Paul. Jovius, Histor. II, fol. 47.
3) Panvinius, Epitome pontificum p. 359. Der Giftversuch gegen
den spätern Julius II. s. p. 363. -- Laut Sismondi XIII, 246
starb auch der langjährige Vertraute aller Geheimnisse, Lopez, Car-
dinal von Capua, auf dieselbe Weise; laut Sanuto (bei Ranke,
Päpste, I, S. 52, Anm.) auch der Cardinal von Verona.
4) Prato, arch. stor. III, p. 254.
5) Und stark vom Papst ausgebeutete. Vgl. Chron. Venetum, bei
Murat. XXIV, Col. 133.

1. Abſchnitt.überfiel und umbrachte 1). Wem aber die Borgia mit offener
Vergiftungen.Gewalt nicht beikamen, der unterlag ihrem Gift. Für
diejenigen Fälle, wo einige Discretion nöthig ſchien, wurde
jenes ſchneeweiße, angenehm ſchmeckende Pulver 2) gebraucht,
welches nicht blitzſchnell, ſondern allmälig wirkte und ſich
unbemerkt jedem Gericht oder Getränk beimiſchen ließ.
Schon Prinz Dſchem hatte davon in einem ſüßen Trank
mit bekommen, bevor ihn Alexander an Carl VIII. aus-
lieferte (1495), und am Ende ihrer Laufbahn vergifteten
ſich Vater und Sohn damit, indem ſie zufällig von dem
für einen reichen Cardinal beſtimmten Wein genoſſen. Der
officielle Epitomator der Papſtgeſchichte, Onufrio Panvinio 3)
nennt drei Cardinäle, welche Alexander hat vergiften laſſen
(Orſini, Ferrerio und Michiel) und deutet einen vierten
an, welchen Ceſare auf ſeine Rechnung nahm (Giovanni
Borgia); es möchten aber damals ſelten reichere Prälaten
in Rom geſtorben ſein ohne einen Verdacht dieſer Art.
Auch ſtille Gelehrte, die ſich in eine Landſtadt zurückge-
zogen, erreichte ja das erbarmungsloſe Gift. Es fing an,
um den Papſt herum nicht mehr recht geheuer zu werden;
Blitzſchläge und Sturmwinde, von welchen Mauern und
Gemächer einſtürzten, hatten ihn ſchon früher in auffallender
Weiſe heimgeſucht und in Schrecken geſetzt; als 1500 4) ſich
dieſe Erſcheinungen wiederholten, fand man darin „cosa
Die
letzten Jahre.
diabolica
“. Das Gerücht von dieſem Zuſtande der Dinge
ſcheint durch das ſtarkbeſuchte 5) Jubiläum von 1500 doch

1) Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 362.
2) Paul. Jovius, Histor. II, fol. 47.
3) Panvinius, Epitome pontificum p. 359. Der Giftverſuch gegen
den ſpätern Julius II. ſ. p. 363. — Laut Sismondi XIII, 246
ſtarb auch der langjährige Vertraute aller Geheimniſſe, Lopez, Car-
dinal von Capua, auf dieſelbe Weiſe; laut Sanuto (bei Ranke,
Päpſte, I, S. 52, Anm.) auch der Cardinal von Verona.
4) Prato, arch. stor. III, p. 254.
5) Und ſtark vom Papſt ausgebeutete. Vgl. Chron. Venetum, bei
Murat. XXIV, Col. 133.
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[118/0128] überfiel und umbrachte 1). Wem aber die Borgia mit offener Gewalt nicht beikamen, der unterlag ihrem Gift. Für diejenigen Fälle, wo einige Discretion nöthig ſchien, wurde jenes ſchneeweiße, angenehm ſchmeckende Pulver 2) gebraucht, welches nicht blitzſchnell, ſondern allmälig wirkte und ſich unbemerkt jedem Gericht oder Getränk beimiſchen ließ. Schon Prinz Dſchem hatte davon in einem ſüßen Trank mit bekommen, bevor ihn Alexander an Carl VIII. aus- lieferte (1495), und am Ende ihrer Laufbahn vergifteten ſich Vater und Sohn damit, indem ſie zufällig von dem für einen reichen Cardinal beſtimmten Wein genoſſen. Der officielle Epitomator der Papſtgeſchichte, Onufrio Panvinio 3) nennt drei Cardinäle, welche Alexander hat vergiften laſſen (Orſini, Ferrerio und Michiel) und deutet einen vierten an, welchen Ceſare auf ſeine Rechnung nahm (Giovanni Borgia); es möchten aber damals ſelten reichere Prälaten in Rom geſtorben ſein ohne einen Verdacht dieſer Art. Auch ſtille Gelehrte, die ſich in eine Landſtadt zurückge- zogen, erreichte ja das erbarmungsloſe Gift. Es fing an, um den Papſt herum nicht mehr recht geheuer zu werden; Blitzſchläge und Sturmwinde, von welchen Mauern und Gemächer einſtürzten, hatten ihn ſchon früher in auffallender Weiſe heimgeſucht und in Schrecken geſetzt; als 1500 4) ſich dieſe Erſcheinungen wiederholten, fand man darin „cosa diabolica“. Das Gerücht von dieſem Zuſtande der Dinge ſcheint durch das ſtarkbeſuchte 5) Jubiläum von 1500 doch 1. Abſchnitt. Vergiftungen. 1) Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 362. 2) Paul. Jovius, Histor. II, fol. 47. 3) Panvinius, Epitome pontificum p. 359. Der Giftverſuch gegen den ſpätern Julius II. ſ. p. 363. — Laut Sismondi XIII, 246 ſtarb auch der langjährige Vertraute aller Geheimniſſe, Lopez, Car- dinal von Capua, auf dieſelbe Weiſe; laut Sanuto (bei Ranke, Päpſte, I, S. 52, Anm.) auch der Cardinal von Verona. 4) Prato, arch. stor. III, p. 254. 5) Und ſtark vom Papſt ausgebeutete. Vgl. Chron. Venetum, bei Murat. XXIV, Col. 133.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/128>, abgerufen am 25.04.2024.