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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Cesare doch zu behalten und zu beherrschen gedenkt. So-1. Abschnitt.
dann der Zustand Roms und der Curie in den letztenErmordungen.
Jahren des Pontificates. Sei es, daß Vater und Sohn
eine förmliche Proscriptions-Liste entworfen hatten 1), sei
es, daß die Mordbeschlüsse einzeln gefaßt wurden -- die
Borgia legten sich auf heimliche Zernichtung aller derer,
welche ihnen irgendwie im Wege waren oder deren Erb-
schaft ihnen begehrenswerth schien. Capitalien und fahrende
Habe waren noch das wenigste dabei; viel einträglicher für
den Papst war es, daß die Leibrenten der betreffenden geist-
lichen Herren erloschen und daß er die Einkünfte ihrer
Aemter während der Vacanz und den Kaufpreis derselben
bei neuer Besetzung einzog. Der venezianische Gesandte
Paolo Capello 2) meldet im Jahr 1500 wie folgt: "Jede
"Nacht findet man zu Rom 4 oder 5 Ermordete, nämlich
"Bischöfe, Prälaten und Andere, so daß ganz Rom davor
"zittert, von dem Herzog (Cesare) ermordet zu werden."
Er selber zog des Nachts mit seinen Garden in der er-
schrockenen Stadt herum 3), und es ist aller Grund vor-
handen zu glauben, daß dieß nicht bloß geschah, weil er,
wie Tiberius, sein scheußlich gewordenes Antlitz bei Tage
nicht mehr zeigen mochte, sondern um seiner tollen Mordlust
ein Genüge zu thun, vielleicht auch an ganz Unbekannten.
Schon im Jahr 1499 war die Desperation hierüber so
groß und allgemein, daß das Volk viele päpstliche Gardisten

wollte, daß seine Soldaten sich nach Belieben einquartirten, sodaß
sie in Friedenszeiten noch mehr gewannen als Kriege".
1) So Pierio Valeriano, de infelicitate literat., bei Anlaß des Gio-
vanni Regio.
2) Tommaso Gar, a. a. O. S. 11.
3) Paulus Jovius, Elogia, Caesar Borgia. -- In den Commentarii
urbani
des Raph. Volaterranus enthält Lib. XXII. eine unter
Julius II. und doch noch sehr behutsam abgefaßte Charakteristik
Alexanders. Hier heißt es: Roma .. nobilis iam carnificina
facta erat.

Ceſare doch zu behalten und zu beherrſchen gedenkt. So-1. Abſchnitt.
dann der Zuſtand Roms und der Curie in den letztenErmordungen.
Jahren des Pontificates. Sei es, daß Vater und Sohn
eine förmliche Proſcriptions-Liſte entworfen hatten 1), ſei
es, daß die Mordbeſchlüſſe einzeln gefaßt wurden — die
Borgia legten ſich auf heimliche Zernichtung aller derer,
welche ihnen irgendwie im Wege waren oder deren Erb-
ſchaft ihnen begehrenswerth ſchien. Capitalien und fahrende
Habe waren noch das wenigſte dabei; viel einträglicher für
den Papſt war es, daß die Leibrenten der betreffenden geiſt-
lichen Herren erloſchen und daß er die Einkünfte ihrer
Aemter während der Vacanz und den Kaufpreis derſelben
bei neuer Beſetzung einzog. Der venezianiſche Geſandte
Paolo Capello 2) meldet im Jahr 1500 wie folgt: „Jede
„Nacht findet man zu Rom 4 oder 5 Ermordete, nämlich
„Biſchöfe, Prälaten und Andere, ſo daß ganz Rom davor
„zittert, von dem Herzog (Ceſare) ermordet zu werden.“
Er ſelber zog des Nachts mit ſeinen Garden in der er-
ſchrockenen Stadt herum 3), und es iſt aller Grund vor-
handen zu glauben, daß dieß nicht bloß geſchah, weil er,
wie Tiberius, ſein ſcheußlich gewordenes Antlitz bei Tage
nicht mehr zeigen mochte, ſondern um ſeiner tollen Mordluſt
ein Genüge zu thun, vielleicht auch an ganz Unbekannten.
Schon im Jahr 1499 war die Desperation hierüber ſo
groß und allgemein, daß das Volk viele päpſtliche Gardiſten

wollte, daß ſeine Soldaten ſich nach Belieben einquartirten, ſodaß
ſie in Friedenszeiten noch mehr gewannen als Kriege“.
1) So Pierio Valeriano, de infelicitate literat., bei Anlaß des Gio-
vanni Regio.
2) Tommaſo Gar, a. a. O. S. 11.
3) Paulus Jovius, Elogia, Cæsar Borgia. — In den Commentarii
urbani
des Raph. Volaterranus enthält Lib. XXII. eine unter
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facta erat.
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[117/0127] Ceſare doch zu behalten und zu beherrſchen gedenkt. So- dann der Zuſtand Roms und der Curie in den letzten Jahren des Pontificates. Sei es, daß Vater und Sohn eine förmliche Proſcriptions-Liſte entworfen hatten 1), ſei es, daß die Mordbeſchlüſſe einzeln gefaßt wurden — die Borgia legten ſich auf heimliche Zernichtung aller derer, welche ihnen irgendwie im Wege waren oder deren Erb- ſchaft ihnen begehrenswerth ſchien. Capitalien und fahrende Habe waren noch das wenigſte dabei; viel einträglicher für den Papſt war es, daß die Leibrenten der betreffenden geiſt- lichen Herren erloſchen und daß er die Einkünfte ihrer Aemter während der Vacanz und den Kaufpreis derſelben bei neuer Beſetzung einzog. Der venezianiſche Geſandte Paolo Capello 2) meldet im Jahr 1500 wie folgt: „Jede „Nacht findet man zu Rom 4 oder 5 Ermordete, nämlich „Biſchöfe, Prälaten und Andere, ſo daß ganz Rom davor „zittert, von dem Herzog (Ceſare) ermordet zu werden.“ Er ſelber zog des Nachts mit ſeinen Garden in der er- ſchrockenen Stadt herum 3), und es iſt aller Grund vor- handen zu glauben, daß dieß nicht bloß geſchah, weil er, wie Tiberius, ſein ſcheußlich gewordenes Antlitz bei Tage nicht mehr zeigen mochte, ſondern um ſeiner tollen Mordluſt ein Genüge zu thun, vielleicht auch an ganz Unbekannten. Schon im Jahr 1499 war die Desperation hierüber ſo groß und allgemein, daß das Volk viele päpſtliche Gardiſten 2) 1. Abſchnitt. Ermordungen. 1) So Pierio Valeriano, de infelicitate literat., bei Anlaß des Gio- vanni Regio. 2) Tommaſo Gar, a. a. O. S. 11. 3) Paulus Jovius, Elogia, Cæsar Borgia. — In den Commentarii urbani des Raph. Volaterranus enthält Lib. XXII. eine unter Julius II. und doch noch ſehr behutſam abgefaßte Charakteriſtik Alexanders. Hier heißt es: Roma .. nobilis iam carnificina facta erat. 2) wollte, daß ſeine Soldaten ſich nach Belieben einquartirten, ſodaß ſie in Friedenszeiten noch mehr gewannen als Kriege“.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/127>, abgerufen am 28.03.2024.