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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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damit sich selbst gemeint, mag dahin gestellt bleiben; jeden-1. Abschnitt.
falls genügt die Aussage des Vaters, um seine Absicht auf
die Besteigung des päpstlichen Thrones zu beweisen. Wie-
derum etwas mehr erfahren wir mittelbar von Lucrezia
Borgia, insofern gewisse Stellen in den Gedichten des Ercole
Strozza der Nachklang von Aeußerungen sein dürften, die
sie als Herzogin von Ferrara sich wohl erlauben konnte.
Zunächst ist auch hier von Cesare's Aussicht auf das
Papstthum die Rede 1), allein dazwischen tönt etwas von
einer gehofften Herrschaft über Italien im Allgemeinen 2),
und am Ende wird angedeutet, daß Cesare gerade als
weltlicher Herrscher das Größte vorgehabt und deßhalb
einst den Cardinalshut niedergelegt habe 3). In der That
kann kein Zweifel darüber walten, daß Cesare, nach Alexan-
ders Tode zum Papst gewählt oder nicht, den Kirchenstaat
um jeden Preis zu behaupten gedachte und daß er dieß,und dessen Sä-
cularisation.

nach Allem was er verübt hatte, als Papst unmöglich auf
die Länge vermocht hätte. Wenn irgend Einer, so hätte
er den Kirchenstaat säcularisirt 4) und hätte es thun müssen

keinen Potentaten der Welt, e pero desidera, che ella (Signoria
di Venezia) protegga il figliuolo, e dice voler fare tale or-
dine, che il papato o sia suo, ovvero della Signoria nostra.
"
Das suo kann sich doch wohl nur auf Cesare beziehen. Das Pron.
possessivum statt des Personale steht häufig so.
1) Strozzii poetae, p. 19, in der Venatio des Ercole Strozza: ...
cui triplicem fata invidere coronam. Dann in dem Trauerge-
dicht auf Cesare's Tod p. 31, seq.: speraretque olim solii
decora alta paterni.
2) Ebenda: Jupiter habe einst versprochen: Affore Alexandri so-
bolem, quae poneret olim Italiae leges, atque aurea saecla
referret etc.
3) Ebenda: sacrumque decus maiora parantem Deposuisse.
4) Er war bekanntlich mit einer französischen Prinzessin aus dem Hause
Albret vermählt und hatte eine Tochter von ihr; auf irgend eine
Weise hätte er wohl eine Dynastie zu gründen versucht. Es ist
nicht bekannt, daß er Anstalten gemacht, den Cardinalshut wieder
8*

damit ſich ſelbſt gemeint, mag dahin geſtellt bleiben; jeden-1. Abſchnitt.
falls genügt die Ausſage des Vaters, um ſeine Abſicht auf
die Beſteigung des päpſtlichen Thrones zu beweiſen. Wie-
derum etwas mehr erfahren wir mittelbar von Lucrezia
Borgia, inſofern gewiſſe Stellen in den Gedichten des Ercole
Strozza der Nachklang von Aeußerungen ſein dürften, die
ſie als Herzogin von Ferrara ſich wohl erlauben konnte.
Zunächſt iſt auch hier von Ceſare's Ausſicht auf das
Papſtthum die Rede 1), allein dazwiſchen tönt etwas von
einer gehofften Herrſchaft über Italien im Allgemeinen 2),
und am Ende wird angedeutet, daß Ceſare gerade als
weltlicher Herrſcher das Größte vorgehabt und deßhalb
einſt den Cardinalshut niedergelegt habe 3). In der That
kann kein Zweifel darüber walten, daß Ceſare, nach Alexan-
ders Tode zum Papſt gewählt oder nicht, den Kirchenſtaat
um jeden Preis zu behaupten gedachte und daß er dieß,und deſſen Sä-
culariſation.

nach Allem was er verübt hatte, als Papſt unmöglich auf
die Länge vermocht hätte. Wenn irgend Einer, ſo hätte
er den Kirchenſtaat ſäculariſirt 4) und hätte es thun müſſen

keinen Potentaten der Welt, e però desidera, che ella (Signoria
di Venezia) protegga il figliuolo, e dice voler fare tale or-
dine, che il papato o sia suo, ovvero della Signoria nostra.

Das suo kann ſich doch wohl nur auf Ceſare beziehen. Das Pron.
poſſeſſivum ſtatt des Perſonale ſteht häufig ſo.
1) Strozzii poetæ, p. 19, in der Venatio des Ercole Strozza: …
cui triplicem fata invidere coronam. Dann in dem Trauerge-
dicht auf Ceſare's Tod p. 31, seq.: speraretque olim solii
decora alta paterni.
2) Ebenda: Jupiter habe einſt verſprochen: Affore Alexandri so-
bolem, quæ poneret olim Italiæ leges, atque aurea sæcla
referret etc.
3) Ebenda: sacrumque decus maiora parantem Deposuisse.
4) Er war bekanntlich mit einer franzöſiſchen Prinzeſſin aus dem Hauſe
Albret vermählt und hatte eine Tochter von ihr; auf irgend eine
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[115/0125] damit ſich ſelbſt gemeint, mag dahin geſtellt bleiben; jeden- falls genügt die Ausſage des Vaters, um ſeine Abſicht auf die Beſteigung des päpſtlichen Thrones zu beweiſen. Wie- derum etwas mehr erfahren wir mittelbar von Lucrezia Borgia, inſofern gewiſſe Stellen in den Gedichten des Ercole Strozza der Nachklang von Aeußerungen ſein dürften, die ſie als Herzogin von Ferrara ſich wohl erlauben konnte. Zunächſt iſt auch hier von Ceſare's Ausſicht auf das Papſtthum die Rede 1), allein dazwiſchen tönt etwas von einer gehofften Herrſchaft über Italien im Allgemeinen 2), und am Ende wird angedeutet, daß Ceſare gerade als weltlicher Herrſcher das Größte vorgehabt und deßhalb einſt den Cardinalshut niedergelegt habe 3). In der That kann kein Zweifel darüber walten, daß Ceſare, nach Alexan- ders Tode zum Papſt gewählt oder nicht, den Kirchenſtaat um jeden Preis zu behaupten gedachte und daß er dieß, nach Allem was er verübt hatte, als Papſt unmöglich auf die Länge vermocht hätte. Wenn irgend Einer, ſo hätte er den Kirchenſtaat ſäculariſirt 4) und hätte es thun müſſen 3) 1. Abſchnitt. und deſſen Sä- culariſation. 1) Strozzii poetæ, p. 19, in der Venatio des Ercole Strozza: … cui triplicem fata invidere coronam. Dann in dem Trauerge- dicht auf Ceſare's Tod p. 31, seq.: speraretque olim solii decora alta paterni. 2) Ebenda: Jupiter habe einſt verſprochen: Affore Alexandri so- bolem, quæ poneret olim Italiæ leges, atque aurea sæcla referret etc. 3) Ebenda: sacrumque decus maiora parantem Deposuisse. 4) Er war bekanntlich mit einer franzöſiſchen Prinzeſſin aus dem Hauſe Albret vermählt und hatte eine Tochter von ihr; auf irgend eine Weiſe hätte er wohl eine Dynaſtie zu gründen verſucht. Es iſt nicht bekannt, daß er Anſtalten gemacht, den Cardinalshut wieder 3) keinen Potentaten der Welt, e però desidera, che ella (Signoria di Venezia) protegga il figliuolo, e dice voler fare tale or- dine, che il papato o sia suo, ovvero della Signoria nostra.“ Das suo kann ſich doch wohl nur auf Ceſare beziehen. Das Pron. poſſeſſivum ſtatt des Perſonale ſteht häufig ſo. 8*

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/125>, abgerufen am 29.03.2024.