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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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leben gehört, das gönnte er sich vom ersten Tage an im1. Abschnitt.
weitesten Umfang. In den Mitteln zu diesem Zwecke er-
scheint er sogleich völlig unbedenklich; man wußte auf der
Stelle, daß er die für seine Papstwahl aufgewandten Opfer
mehr als nur wieder einbringen würde 1), und daß die
Simonie des Kaufes durch die des Verkaufes weit würde
überboten werden. Es kam hinzu, daß Alexander von
seinem Vice-Cancellariat und andern frühern Aemtern her
die möglichen Geldquellen besser kannte und mit größerm
Geschäftstalent zu handhaben wußte als irgend ein Curiale.
Schon im Lauf des Jahres 1494 geschah es, daß ein
Carmeliter Adamo von Genua, der zu Rom von der Si-
monie gepredigt hatte, mit zwanzig Wunden ermordet in
seinem Bette gefunden wurde. Alexander hat kaum einen
Cardinal außer gegen Erlegung hoher Summen ernannt.

Als aber der Papst mit der Zeit unter die HerrschaftCesare Borgia.
seines Sohnes gerieth, nahmen die Mittel der Gewalt
jenen völlig satanischen Character an, der nothwendig auf die
Zwecke zurückwirkt. Was im Kampf gegen die römischen
Großen und gegen die romagnolischen Dynasten geschah,
überstieg im Gebiet der Treulosigkeit und Grausamkeit so-
gar dasjenige Maaß, an welches z. B. die Aragonesen
von Neapel die Welt bereits gewöhnt hatten, und auch das
Talent der Täuschung war größer. Vollends grauenhaft
ist die Art und Weise, wie Cesare den Vater isolirt, indem
er den Bruder, den Schwager und andere Verwandte und
Höflinge ermordet, sobald ihm deren Gunst beim Papst

1) Corio, fol. 450. -- Malipiero, Ann. veneti, arch. stor. VII, I,
p.
318. -- Welche Raubsucht die ganze Familie ergriffen haben
muß, sieht man u. a. aus Malipiero, a. a. O. p. 565. Ein Nepot
wird als päpstlicher Legat in Venedig herrlich empfangen, und macht
durch Ertheilung von Dispensen ungeheures Geld; seine Dienerschaft
stiehlt beim Abziehen Alles dessen sie habhaft werden kann, auch ein
Stück Goldstoff vom Hauptaltar einer Kirche in Murano.
Cultur der Renaissance. 8

leben gehört, das gönnte er ſich vom erſten Tage an im1. Abſchnitt.
weiteſten Umfang. In den Mitteln zu dieſem Zwecke er-
ſcheint er ſogleich völlig unbedenklich; man wußte auf der
Stelle, daß er die für ſeine Papſtwahl aufgewandten Opfer
mehr als nur wieder einbringen würde 1), und daß die
Simonie des Kaufes durch die des Verkaufes weit würde
überboten werden. Es kam hinzu, daß Alexander von
ſeinem Vice-Cancellariat und andern frühern Aemtern her
die möglichen Geldquellen beſſer kannte und mit größerm
Geſchäftstalent zu handhaben wußte als irgend ein Curiale.
Schon im Lauf des Jahres 1494 geſchah es, daß ein
Carmeliter Adamo von Genua, der zu Rom von der Si-
monie gepredigt hatte, mit zwanzig Wunden ermordet in
ſeinem Bette gefunden wurde. Alexander hat kaum einen
Cardinal außer gegen Erlegung hoher Summen ernannt.

Als aber der Papſt mit der Zeit unter die HerrſchaftCeſare Borgia.
ſeines Sohnes gerieth, nahmen die Mittel der Gewalt
jenen völlig ſataniſchen Character an, der nothwendig auf die
Zwecke zurückwirkt. Was im Kampf gegen die römiſchen
Großen und gegen die romagnoliſchen Dynaſten geſchah,
überſtieg im Gebiet der Treuloſigkeit und Grauſamkeit ſo-
gar dasjenige Maaß, an welches z. B. die Aragoneſen
von Neapel die Welt bereits gewöhnt hatten, und auch das
Talent der Täuſchung war größer. Vollends grauenhaft
iſt die Art und Weiſe, wie Ceſare den Vater iſolirt, indem
er den Bruder, den Schwager und andere Verwandte und
Höflinge ermordet, ſobald ihm deren Gunſt beim Papſt

1) Corio, fol. 450. — Malipiero, Ann. veneti, arch. stor. VII, I,
p.
318. — Welche Raubſucht die ganze Familie ergriffen haben
muß, ſieht man u. a. aus Malipiero, a. a. O. p. 565. Ein Nepot
wird als päpſtlicher Legat in Venedig herrlich empfangen, und macht
durch Ertheilung von Dispenſen ungeheures Geld; ſeine Dienerſchaft
ſtiehlt beim Abziehen Alles deſſen ſie habhaft werden kann, auch ein
Stück Goldſtoff vom Hauptaltar einer Kirche in Murano.
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[113/0123] leben gehört, das gönnte er ſich vom erſten Tage an im weiteſten Umfang. In den Mitteln zu dieſem Zwecke er- ſcheint er ſogleich völlig unbedenklich; man wußte auf der Stelle, daß er die für ſeine Papſtwahl aufgewandten Opfer mehr als nur wieder einbringen würde 1), und daß die Simonie des Kaufes durch die des Verkaufes weit würde überboten werden. Es kam hinzu, daß Alexander von ſeinem Vice-Cancellariat und andern frühern Aemtern her die möglichen Geldquellen beſſer kannte und mit größerm Geſchäftstalent zu handhaben wußte als irgend ein Curiale. Schon im Lauf des Jahres 1494 geſchah es, daß ein Carmeliter Adamo von Genua, der zu Rom von der Si- monie gepredigt hatte, mit zwanzig Wunden ermordet in ſeinem Bette gefunden wurde. Alexander hat kaum einen Cardinal außer gegen Erlegung hoher Summen ernannt. 1. Abſchnitt. Als aber der Papſt mit der Zeit unter die Herrſchaft ſeines Sohnes gerieth, nahmen die Mittel der Gewalt jenen völlig ſataniſchen Character an, der nothwendig auf die Zwecke zurückwirkt. Was im Kampf gegen die römiſchen Großen und gegen die romagnoliſchen Dynaſten geſchah, überſtieg im Gebiet der Treuloſigkeit und Grauſamkeit ſo- gar dasjenige Maaß, an welches z. B. die Aragoneſen von Neapel die Welt bereits gewöhnt hatten, und auch das Talent der Täuſchung war größer. Vollends grauenhaft iſt die Art und Weiſe, wie Ceſare den Vater iſolirt, indem er den Bruder, den Schwager und andere Verwandte und Höflinge ermordet, ſobald ihm deren Gunſt beim Papſt Ceſare Borgia. 1) Corio, fol. 450. — Malipiero, Ann. veneti, arch. stor. VII, I, p. 318. — Welche Raubſucht die ganze Familie ergriffen haben muß, ſieht man u. a. aus Malipiero, a. a. O. p. 565. Ein Nepot wird als päpſtlicher Legat in Venedig herrlich empfangen, und macht durch Ertheilung von Dispenſen ungeheures Geld; ſeine Dienerſchaft ſtiehlt beim Abziehen Alles deſſen ſie habhaft werden kann, auch ein Stück Goldſtoff vom Hauptaltar einer Kirche in Murano. Cultur der Renaiſſance. 8

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/123>, abgerufen am 29.03.2024.