Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Gute kommt. Der alte Ciceronianische Spruch: In cor-
pore sano mens sana
ergänzt sich durch den ebenso
wahren: Die Seele baut sich ihren Körper. Auf der
andren Seite sollen wir auch nicht vergessen, daß wir
nur ein verschwindender, wenn auch nothwendiger Theil
des Ganzen sind, der früher oder später sich wieder in
das Ganze auflösen muß. Der Stoff in seiner Gesammt-
heit ist die Alles gebärende und Alles wieder in sich
zurück nehmende Mutter alles Seienden. Kein Volk
wußte das Reinmenschliche in sich besser zu ehren, als die
Griechen, und keines das Lebendige besser zu würdigen
als Gegensatz des Todes. Hufeland erzählt: Als man
den griechischen Philosophen Dämonax, einen hundert-
jährigen Greis, vor seinem Tode fragte, wie er begraben
sein wollte, antwortete er: Macht euch drum keine Sorge,
die Leiche wird schon der Geruch begraben. -- Aber
willst du denn, warfen ihm seine Freunde ein, Hunden
und Vögeln zur Speise dienen? -- Warum nicht? er-
wiederte er, ich habe, so lange ich lebte, den Menschen
nach allen Kräften zu nützen gesucht, warum sollte ich
nach meinem Tode nicht auch den Thieren etwas geben?

Ein medizinischer Theolog, Herr Professor Leupoldt
in Erlangen, ein Geistesverwandter des bekannten Herrn
Ringseis, behauptet, daß Diejenigen, welche statt von
Gott, von der Materie ausgingen, eigentlich auf alles
wissenschaftliche Begreifen verzichten müßten, weil sie,

Gute kommt. Der alte Ciceronianiſche Spruch: In cor-
pore sano mens sana
ergänzt ſich durch den ebenſo
wahren: Die Seele baut ſich ihren Körper. Auf der
andren Seite ſollen wir auch nicht vergeſſen, daß wir
nur ein verſchwindender, wenn auch nothwendiger Theil
des Ganzen ſind, der früher oder ſpäter ſich wieder in
das Ganze auflöſen muß. Der Stoff in ſeiner Geſammt-
heit iſt die Alles gebärende und Alles wieder in ſich
zurück nehmende Mutter alles Seienden. Kein Volk
wußte das Reinmenſchliche in ſich beſſer zu ehren, als die
Griechen, und keines das Lebendige beſſer zu würdigen
als Gegenſatz des Todes. Hufeland erzählt: Als man
den griechiſchen Philoſophen Dämonax, einen hundert-
jährigen Greis, vor ſeinem Tode fragte, wie er begraben
ſein wollte, antwortete er: Macht euch drum keine Sorge,
die Leiche wird ſchon der Geruch begraben. — Aber
willſt du denn, warfen ihm ſeine Freunde ein, Hunden
und Vögeln zur Speiſe dienen? — Warum nicht? er-
wiederte er, ich habe, ſo lange ich lebte, den Menſchen
nach allen Kräften zu nützen geſucht, warum ſollte ich
nach meinem Tode nicht auch den Thieren etwas geben?

Ein mediziniſcher Theolog, Herr Profeſſor Leupoldt
in Erlangen, ein Geiſtesverwandter des bekannten Herrn
Ringseis, behauptet, daß Diejenigen, welche ſtatt von
Gott, von der Materie ausgingen, eigentlich auf alles
wiſſenſchaftliche Begreifen verzichten müßten, weil ſie,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="29"/>
Gute kommt. Der alte Ciceroniani&#x017F;che Spruch: <hi rendition="#aq">In cor-<lb/>
pore sano mens sana</hi> ergänzt &#x017F;ich durch den eben&#x017F;o<lb/>
wahren: Die Seele baut &#x017F;ich ihren Körper. Auf der<lb/>
andren Seite &#x017F;ollen wir auch nicht verge&#x017F;&#x017F;en, daß wir<lb/>
nur ein ver&#x017F;chwindender, wenn auch nothwendiger Theil<lb/>
des Ganzen &#x017F;ind, der früher oder &#x017F;päter &#x017F;ich wieder in<lb/>
das Ganze auflö&#x017F;en muß. Der Stoff in &#x017F;einer Ge&#x017F;ammt-<lb/>
heit i&#x017F;t die Alles gebärende und Alles wieder in &#x017F;ich<lb/>
zurück nehmende Mutter alles Seienden. Kein Volk<lb/>
wußte das Reinmen&#x017F;chliche in &#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;er zu ehren, als die<lb/>
Griechen, und keines das Lebendige be&#x017F;&#x017F;er zu würdigen<lb/>
als Gegen&#x017F;atz des Todes. Hufeland erzählt: Als man<lb/>
den griechi&#x017F;chen Philo&#x017F;ophen <hi rendition="#g">Dämonax,</hi> einen hundert-<lb/>
jährigen Greis, vor &#x017F;einem Tode fragte, wie er begraben<lb/>
&#x017F;ein wollte, antwortete er: Macht euch drum keine Sorge,<lb/>
die Leiche wird &#x017F;chon der Geruch begraben. &#x2014; Aber<lb/>
will&#x017F;t du denn, warfen ihm &#x017F;eine Freunde ein, Hunden<lb/>
und Vögeln zur Spei&#x017F;e dienen? &#x2014; Warum nicht? er-<lb/>
wiederte er, ich habe, &#x017F;o lange ich lebte, den Men&#x017F;chen<lb/>
nach allen Kräften zu nützen ge&#x017F;ucht, warum &#x017F;ollte ich<lb/>
nach meinem Tode nicht auch den Thieren etwas geben?</p><lb/>
        <p>Ein medizini&#x017F;cher Theolog, Herr Profe&#x017F;&#x017F;or <hi rendition="#g">Leupoldt</hi><lb/>
in Erlangen, ein Gei&#x017F;tesverwandter des bekannten Herrn<lb/>
Ringseis, behauptet, daß Diejenigen, welche &#x017F;tatt von<lb/>
Gott, von der Materie ausgingen, eigentlich auf alles<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Begreifen verzichten müßten, weil &#x017F;ie,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0049] Gute kommt. Der alte Ciceronianiſche Spruch: In cor- pore sano mens sana ergänzt ſich durch den ebenſo wahren: Die Seele baut ſich ihren Körper. Auf der andren Seite ſollen wir auch nicht vergeſſen, daß wir nur ein verſchwindender, wenn auch nothwendiger Theil des Ganzen ſind, der früher oder ſpäter ſich wieder in das Ganze auflöſen muß. Der Stoff in ſeiner Geſammt- heit iſt die Alles gebärende und Alles wieder in ſich zurück nehmende Mutter alles Seienden. Kein Volk wußte das Reinmenſchliche in ſich beſſer zu ehren, als die Griechen, und keines das Lebendige beſſer zu würdigen als Gegenſatz des Todes. Hufeland erzählt: Als man den griechiſchen Philoſophen Dämonax, einen hundert- jährigen Greis, vor ſeinem Tode fragte, wie er begraben ſein wollte, antwortete er: Macht euch drum keine Sorge, die Leiche wird ſchon der Geruch begraben. — Aber willſt du denn, warfen ihm ſeine Freunde ein, Hunden und Vögeln zur Speiſe dienen? — Warum nicht? er- wiederte er, ich habe, ſo lange ich lebte, den Menſchen nach allen Kräften zu nützen geſucht, warum ſollte ich nach meinem Tode nicht auch den Thieren etwas geben? Ein mediziniſcher Theolog, Herr Profeſſor Leupoldt in Erlangen, ein Geiſtesverwandter des bekannten Herrn Ringseis, behauptet, daß Diejenigen, welche ſtatt von Gott, von der Materie ausgingen, eigentlich auf alles wiſſenſchaftliche Begreifen verzichten müßten, weil ſie,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/49
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/49>, abgerufen am 24.04.2024.