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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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Aushelfen; niemand wird solche Vorgänge unter die Kate-
gorie des Tausches einreihen wollen.

Endlich aber treten auch eigentliche Tauschhandlungen
auf. Den Uebergang bilden Vorgänge wie die folgenden:
der Sklavenherr leiht dem Nachbar seinen unfreien Weber
oder Zimmermann und empfängt dafür ein Quantum Wein
oder Holz, an dem der Nachbar Ueberfluß hat. Oder der
unfreie Schuster oder Schneider wird von der Fronhofs-
verwaltung, die seine Arbeitskraft nicht voll ausnützen kann,
auf einer Landstelle angesetzt unter der Bedingung, jährlich
eine bestimmte Zahl Tage auf dem Hofe zu arbeiten. In
Zeiten, wo er keine Frontage zu leisten und auch in der
eigenen Wirtschaft nicht viel zu thun hat, läßt er seinen
hörigen Genossen in den Bauernhäusern seine Kunst zu
Gute kommen, empfängt dort die Kost und darüber ein
Quantum Brot oder Speck für die Seinen. War er früher
bloß der Knecht des Herrenhofes, so wird er jetzt reihum
der Knecht aller, aber für jeden nur eine kurze Zeit 1).
Endlich folgt der eigentliche Naturaltausch zur gegenseitigen
Ausgleichung von Mangel und Ueberfluß: Korn um Wein,
ein Pferd um Getreide, ein Stück Leinentuch um ein paar
Schafe. Dieser Tauschverkehr erweitert sich durch das be-
schränkte Vorkommen mancher Naturgaben und die örtlich
gebundene Produktion vielbegehrter Güter. Bestimmte Ar-

1) Ueber die entsprechenden Verhältnisse in Griechenland und Rom
vgl. meine Ausführungen im "Handwörterbuch der Staatswissen-
schaften", Bd. III, S. 927. 929 f.

Aushelfen; niemand wird ſolche Vorgänge unter die Kate-
gorie des Tauſches einreihen wollen.

Endlich aber treten auch eigentliche Tauſchhandlungen
auf. Den Uebergang bilden Vorgänge wie die folgenden:
der Sklavenherr leiht dem Nachbar ſeinen unfreien Weber
oder Zimmermann und empfängt dafür ein Quantum Wein
oder Holz, an dem der Nachbar Ueberfluß hat. Oder der
unfreie Schuſter oder Schneider wird von der Fronhofs-
verwaltung, die ſeine Arbeitskraft nicht voll ausnützen kann,
auf einer Landſtelle angeſetzt unter der Bedingung, jährlich
eine beſtimmte Zahl Tage auf dem Hofe zu arbeiten. In
Zeiten, wo er keine Frontage zu leiſten und auch in der
eigenen Wirtſchaft nicht viel zu thun hat, läßt er ſeinen
hörigen Genoſſen in den Bauernhäuſern ſeine Kunſt zu
Gute kommen, empfängt dort die Koſt und darüber ein
Quantum Brot oder Speck für die Seinen. War er früher
bloß der Knecht des Herrenhofes, ſo wird er jetzt reihum
der Knecht aller, aber für jeden nur eine kurze Zeit 1).
Endlich folgt der eigentliche Naturaltauſch zur gegenſeitigen
Ausgleichung von Mangel und Ueberfluß: Korn um Wein,
ein Pferd um Getreide, ein Stück Leinentuch um ein paar
Schafe. Dieſer Tauſchverkehr erweitert ſich durch das be-
ſchränkte Vorkommen mancher Naturgaben und die örtlich
gebundene Produktion vielbegehrter Güter. Beſtimmte Ar-

1) Ueber die entſprechenden Verhältniſſe in Griechenland und Rom
vgl. meine Ausführungen im „Handwörterbuch der Staatswiſſen-
ſchaften“, Bd. III, S. 927. 929 f.
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[36/0050] Aushelfen; niemand wird ſolche Vorgänge unter die Kate- gorie des Tauſches einreihen wollen. Endlich aber treten auch eigentliche Tauſchhandlungen auf. Den Uebergang bilden Vorgänge wie die folgenden: der Sklavenherr leiht dem Nachbar ſeinen unfreien Weber oder Zimmermann und empfängt dafür ein Quantum Wein oder Holz, an dem der Nachbar Ueberfluß hat. Oder der unfreie Schuſter oder Schneider wird von der Fronhofs- verwaltung, die ſeine Arbeitskraft nicht voll ausnützen kann, auf einer Landſtelle angeſetzt unter der Bedingung, jährlich eine beſtimmte Zahl Tage auf dem Hofe zu arbeiten. In Zeiten, wo er keine Frontage zu leiſten und auch in der eigenen Wirtſchaft nicht viel zu thun hat, läßt er ſeinen hörigen Genoſſen in den Bauernhäuſern ſeine Kunſt zu Gute kommen, empfängt dort die Koſt und darüber ein Quantum Brot oder Speck für die Seinen. War er früher bloß der Knecht des Herrenhofes, ſo wird er jetzt reihum der Knecht aller, aber für jeden nur eine kurze Zeit 1). Endlich folgt der eigentliche Naturaltauſch zur gegenſeitigen Ausgleichung von Mangel und Ueberfluß: Korn um Wein, ein Pferd um Getreide, ein Stück Leinentuch um ein paar Schafe. Dieſer Tauſchverkehr erweitert ſich durch das be- ſchränkte Vorkommen mancher Naturgaben und die örtlich gebundene Produktion vielbegehrter Güter. Beſtimmte Ar- 1) Ueber die entſprechenden Verhältniſſe in Griechenland und Rom vgl. meine Ausführungen im „Handwörterbuch der Staatswiſſen- ſchaften“, Bd. III, S. 927. 929 f.

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/50>, abgerufen am 24.04.2024.