Handeln in Gesetzgebung und Verwaltung festzustellen hat, so bedingt die Verschiedenheit der Methode und des For- schungsobjektes nicht auch die Verpflichtung auf bestimmte grundsätzlich von einander abweichende Programme.
Der Smithianismus geht von der methodischen Voraus- setzung des absoluten laisser faire aus. Er verfolgt, vor- zugsweise deduktiv und psychologisch isolierend, die wirt- schaftlichen Handlungen der Menschen, so wie sie sich ge- stalten würden, wenn der Staat die gesellschaftlichen Kräfte frei walten ließe und wenn Menschen und Dinge ohne Reibung und Widerstand sich in Raum und Zeit bewegten, keiner anderen Kraft gehorchend als allein dem alles durch- dringenden Prinzip der Wirtschaftlichkeit. Den Epigonen sind allerdings fast unwillkürlich die methodischen Voraus- setzungen, unter welchen die Väter unserer Wissenschaft die Sätze und Gesetze der "reinen" Volkswirtschaftslehre ent- wickelt hatten, zu prinzipiellen Forderungen für die Volks- wirtschaftspolitik geworden, und diese letztere konnte eine Zeit lang fast als angewandte Theorie erscheinen. Allein dieses Verhalten liegt nicht im Wesen des Smithianismus, sondern war ein Ergebnis der gesamten politisch-sozialen Entwickelung.
Der Historismus steht seiner Natur nach der Wirt- schaftspolitik eigentlich passiv gegenüber. Das Verhalten des Staates zum wirtschaftlichen Leben ist für ihn bloß Gegenstand der Beobachtung. Höchstens daß er aus dem seitherigen Gange der Entwickelung Anhaltspunkte dafür
Handeln in Geſetzgebung und Verwaltung feſtzuſtellen hat, ſo bedingt die Verſchiedenheit der Methode und des For- ſchungsobjektes nicht auch die Verpflichtung auf beſtimmte grundſätzlich von einander abweichende Programme.
Der Smithianismus geht von der methodiſchen Voraus- ſetzung des abſoluten laisser faire aus. Er verfolgt, vor- zugsweiſe deduktiv und pſychologiſch iſolierend, die wirt- ſchaftlichen Handlungen der Menſchen, ſo wie ſie ſich ge- ſtalten würden, wenn der Staat die geſellſchaftlichen Kräfte frei walten ließe und wenn Menſchen und Dinge ohne Reibung und Widerſtand ſich in Raum und Zeit bewegten, keiner anderen Kraft gehorchend als allein dem alles durch- dringenden Prinzip der Wirtſchaftlichkeit. Den Epigonen ſind allerdings faſt unwillkürlich die methodiſchen Voraus- ſetzungen, unter welchen die Väter unſerer Wiſſenſchaft die Sätze und Geſetze der „reinen“ Volkswirtſchaftslehre ent- wickelt hatten, zu prinzipiellen Forderungen für die Volks- wirtſchaftspolitik geworden, und dieſe letztere konnte eine Zeit lang faſt als angewandte Theorie erſcheinen. Allein dieſes Verhalten liegt nicht im Weſen des Smithianismus, ſondern war ein Ergebnis der geſamten politiſch-ſozialen Entwickelung.
Der Hiſtorismus ſteht ſeiner Natur nach der Wirt- ſchaftspolitik eigentlich paſſiv gegenüber. Das Verhalten des Staates zum wirtſchaftlichen Leben iſt für ihn bloß Gegenſtand der Beobachtung. Höchſtens daß er aus dem ſeitherigen Gange der Entwickelung Anhaltspunkte dafür
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[6/0020]
Handeln in Geſetzgebung und Verwaltung feſtzuſtellen hat,
ſo bedingt die Verſchiedenheit der Methode und des For-
ſchungsobjektes nicht auch die Verpflichtung auf beſtimmte
grundſätzlich von einander abweichende Programme.
Der Smithianismus geht von der methodiſchen Voraus-
ſetzung des abſoluten laisser faire aus. Er verfolgt, vor-
zugsweiſe deduktiv und pſychologiſch iſolierend, die wirt-
ſchaftlichen Handlungen der Menſchen, ſo wie ſie ſich ge-
ſtalten würden, wenn der Staat die geſellſchaftlichen Kräfte
frei walten ließe und wenn Menſchen und Dinge ohne
Reibung und Widerſtand ſich in Raum und Zeit bewegten,
keiner anderen Kraft gehorchend als allein dem alles durch-
dringenden Prinzip der Wirtſchaftlichkeit. Den Epigonen
ſind allerdings faſt unwillkürlich die methodiſchen Voraus-
ſetzungen, unter welchen die Väter unſerer Wiſſenſchaft die
Sätze und Geſetze der „reinen“ Volkswirtſchaftslehre ent-
wickelt hatten, zu prinzipiellen Forderungen für die Volks-
wirtſchaftspolitik geworden, und dieſe letztere konnte eine
Zeit lang faſt als angewandte Theorie erſcheinen. Allein
dieſes Verhalten liegt nicht im Weſen des Smithianismus,
ſondern war ein Ergebnis der geſamten politiſch-ſozialen
Entwickelung.
Der Hiſtorismus ſteht ſeiner Natur nach der Wirt-
ſchaftspolitik eigentlich paſſiv gegenüber. Das Verhalten
des Staates zum wirtſchaftlichen Leben iſt für ihn bloß
Gegenſtand der Beobachtung. Höchſtens daß er aus dem
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/20>, abgerufen am 29.03.2024.
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