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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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betischen Cataloge mit den urkundlichen Belegen längere Prolego-
mena vorausschickte. Allein die Arbeit selbst lehrte mich bald,
dass ich auf diesem Wege das wirklich erreichbare Ziel nur halb
erreicht haben würde. Ich fand, dass die Nachrichten der Alten
über die Künstler unser Wissen über die Kunstgeschichte bisher nur
verhältnissmässig wenig gefördert hatten, weil man sie zu sehr in
der Vereinzelung, ohne Zusammenhang in Betracht gezogen hatte,
je nachdem sie für die besonderen Zwecke dessen, der sie benutzte,
von Bedeutung schienen, oder nicht. Diesem Mangel konnte nur
dadurch abgeholfen werden, dass das gesammte Material gewisser-
massen vor den Augen des Lesers unter den in der Einleitung dar-
gelegten Gesichtspunkten zusammengestellt und gruppirt wurde, wo-
bei es sich zeigte, dass das Schweigen unserer Quellen oft eine
eben so grosse Bedeutung habe, als ihr ausdrückliches Zeugniss,
namentlich da, wo es sich nicht so sehr um einen einzelnen Künst-
ler, als um ganze Gruppen oder Schulen und um den allgemeinen
historischen Fortschritt der Kunst handelt. Die Methode der ganzen
Behandlung war dadurch in sehr bestimmter Weise vorgezeichnet:
es musste der Charakter einer, wenn auch in grossem Maasstabe
angelegten Studie festgehalten werden. Freilich konnten mir dabei
die Mängel nicht entgehen, welche mit einer solchen Behandlung
nothwendig verbunden sind. Einzelne Partien mussten dürftig, andere
vielleicht zu ausgeführt erscheinen, je nachdem der Stoff reichlicher,
mangelhafter oder lückenhafter vorhanden war. Eine noch grössere
Gefahr lag darin, dass durchschnittlich nur die eine Hälfte unserer
Quellen, die schriftliche Ueberlieferung, überhanpt in Betracht gezo-
gen, der erhaltenen Monumente höchstens in zweiter Linie gedacht
werden sollte; wodurch von vorn herein ein Zweifel an der allsei-
tigen Gültigkeit der gefundenen Resultate entstehen konnte. Es wäre
vielleicht nicht schwer gewesen, durch eine etwas ausgebreitetere

betischen Cataloge mit den urkundlichen Belegen längere Prolego-
mena vorausschickte. Allein die Arbeit selbst lehrte mich bald,
dass ich auf diesem Wege das wirklich erreichbare Ziel nur halb
erreicht haben würde. Ich fand, dass die Nachrichten der Alten
über die Künstler unser Wissen über die Kunstgeschichte bisher nur
verhältnissmässig wenig gefördert hatten, weil man sie zu sehr in
der Vereinzelung, ohne Zusammenhang in Betracht gezogen hatte,
je nachdem sie für die besonderen Zwecke dessen, der sie benutzte,
von Bedeutung schienen, oder nicht. Diesem Mangel konnte nur
dadurch abgeholfen werden, dass das gesammte Material gewisser-
massen vor den Augen des Lesers unter den in der Einleitung dar-
gelegten Gesichtspunkten zusammengestellt und gruppirt wurde, wo-
bei es sich zeigte, dass das Schweigen unserer Quellen oft eine
eben so grosse Bedeutung habe, als ihr ausdrückliches Zeugniss,
namentlich da, wo es sich nicht so sehr um einen einzelnen Künst-
ler, als um ganze Gruppen oder Schulen und um den allgemeinen
historischen Fortschritt der Kunst handelt. Die Methode der ganzen
Behandlung war dadurch in sehr bestimmter Weise vorgezeichnet:
es musste der Charakter einer, wenn auch in grossem Maasstabe
angelegten Studie festgehalten werden. Freilich konnten mir dabei
die Mängel nicht entgehen, welche mit einer solchen Behandlung
nothwendig verbunden sind. Einzelne Partien mussten dürftig, andere
vielleicht zu ausgeführt erscheinen, je nachdem der Stoff reichlicher,
mangelhafter oder lückenhafter vorhanden war. Eine noch grössere
Gefahr lag darin, dass durchschnittlich nur die eine Hälfte unserer
Quellen, die schriftliche Ueberlieferung, überhanpt in Betracht gezo-
gen, der erhaltenen Monumente höchstens in zweiter Linie gedacht
werden sollte; wodurch von vorn herein ein Zweifel an der allsei-
tigen Gültigkeit der gefundenen Resultate entstehen konnte. Es wäre
vielleicht nicht schwer gewesen, durch eine etwas ausgebreitetere

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[IV/0009] betischen Cataloge mit den urkundlichen Belegen längere Prolego- mena vorausschickte. Allein die Arbeit selbst lehrte mich bald, dass ich auf diesem Wege das wirklich erreichbare Ziel nur halb erreicht haben würde. Ich fand, dass die Nachrichten der Alten über die Künstler unser Wissen über die Kunstgeschichte bisher nur verhältnissmässig wenig gefördert hatten, weil man sie zu sehr in der Vereinzelung, ohne Zusammenhang in Betracht gezogen hatte, je nachdem sie für die besonderen Zwecke dessen, der sie benutzte, von Bedeutung schienen, oder nicht. Diesem Mangel konnte nur dadurch abgeholfen werden, dass das gesammte Material gewisser- massen vor den Augen des Lesers unter den in der Einleitung dar- gelegten Gesichtspunkten zusammengestellt und gruppirt wurde, wo- bei es sich zeigte, dass das Schweigen unserer Quellen oft eine eben so grosse Bedeutung habe, als ihr ausdrückliches Zeugniss, namentlich da, wo es sich nicht so sehr um einen einzelnen Künst- ler, als um ganze Gruppen oder Schulen und um den allgemeinen historischen Fortschritt der Kunst handelt. Die Methode der ganzen Behandlung war dadurch in sehr bestimmter Weise vorgezeichnet: es musste der Charakter einer, wenn auch in grossem Maasstabe angelegten Studie festgehalten werden. Freilich konnten mir dabei die Mängel nicht entgehen, welche mit einer solchen Behandlung nothwendig verbunden sind. Einzelne Partien mussten dürftig, andere vielleicht zu ausgeführt erscheinen, je nachdem der Stoff reichlicher, mangelhafter oder lückenhafter vorhanden war. Eine noch grössere Gefahr lag darin, dass durchschnittlich nur die eine Hälfte unserer Quellen, die schriftliche Ueberlieferung, überhanpt in Betracht gezo- gen, der erhaltenen Monumente höchstens in zweiter Linie gedacht werden sollte; wodurch von vorn herein ein Zweifel an der allsei- tigen Gültigkeit der gefundenen Resultate entstehen konnte. Es wäre vielleicht nicht schwer gewesen, durch eine etwas ausgebreitetere

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/9>, abgerufen am 29.03.2024.