Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Künstlerruhm des Oheims zu verdunkeln drohte 1). So gelangt
er nach Kreta, wo er für Minos und zum Verderben desselben
für Pasiphae und Ariadne thätig ist 2). Dies zwingt ihn zu
neuer Flucht, und er wendet sich nach Sicilien zum König
Kokalos 3), oder erreicht, sei es direkt, sei es auf einem Um-
weg über Sardinien 4), Cumae in Campanien 5), von wo sich
sein Ruf über einen grossen Theil Italiens erstreckte 6). An-
dere Sagen lassen ihn aus Kreta wieder nach Athen zurück-
kehren 7) oder nach seiner Flucht in Theben und Pisa thätig
sein 8). In keiner Verbindung aber mit der Geschichte der
bisher erwähnten Wanderungen stehen die Nachrichten von
einem Aufenthalte des Daedalos in Aegypten, über welche
weiter unten gesprochen werden muss.

Von der weitern Verbreitung seines Namens erhalten wir
nur durch die Erwähnung einzelner Werke Nachricht, und
wir thun daher gut, hier zunächst das Verzeichniss derselben
folgen zu lassen, wobei namentlich Pausanias unser Führer
ist. Es sind folgende:

1) Ein Xoanon der Britomartis (Artemis) zu Olus auf
Kreta (Paus. IX, 40, 2), auf welches sich auch wohl die Worte
Solin's (11) beziehen: ea aedes ostentat manus Daedali.

5) Ein Xoanon der Athene zu Knosos auf Kreta (Paus. ib).

3) Ein kleines Xoanon der Aphrodite, unten in Her-
menform auslaufend, aber mit Armen gebildet, da Pausanias
(ib.) berichtet, die rechte Hand sei beschädigt. Er meint,
Ariadne habe es von Dädalos zum Geschenk erhalten und
nachher von Hause mit weggenommen, Theseus aber, als er
Ariadne verlassen, in Delos geweiht, um nicht dadurch an
sie erinnert zu werden.

1) Apoll. III, 1, 4; 15, 9. Paus. I, 21, 4; 26, 4; VIII, 4, 4. Suid. l. l.
Hygin. fab. 39. 244. Serv. l. l. Ueber die mythologische Bedeutung dieser Er-
zählung vgl. Mercklins Abhandlung über die Talossage in den Schriften der
Petersburger Akademie 1851.
2) Auser den angef. Stellen auch Paus. VIII,
53, 3. Strabo X, p. 477.
3) Herod. VIII, 170. Phot. Bibl. p. 135 Bekk.
Theon. progymn. p. 16 Heins. Schol. Pind. Nem. IV, 95. Schol. Il. B 145.
Eust. ad Il. P 220, wo den Töchtern des Kokalos fälschlich die Ermordung des
Daedalos anstatt des Minos schuldgegeben wird. Ovid. Met. VIII, 159 sqq.
Hygin. fab. 40. 44.
4) Paus. X, 17, 4. Diod. IV, 30. Serv. ad Virg. Aen.
VI, 14; Georg. I, 14.
5) Virg. und Serv. l. l. Sil. Ital. XII, 102.
6) Paus.
VII, 4, 7. Die Japygier betrachten Daedalos als ihren Stammvater: Strabo VI,
p. 279. Eust. ad. Dion. Perieg. 379. Mart. Capell. VI.
7) Plut. Thes. 19.
Hygin. fab. 40.
8) S. n. 6 u. 7 seiner Werke und Schol. Arist. Nub. 508.

Künstlerruhm des Oheims zu verdunkeln drohte 1). So gelangt
er nach Kreta, wo er für Minos und zum Verderben desselben
für Pasiphaë und Ariadne thätig ist 2). Dies zwingt ihn zu
neuer Flucht, und er wendet sich nach Sicilien zum König
Kokalos 3), oder erreicht, sei es direkt, sei es auf einem Um-
weg über Sardinien 4), Cumae in Campanien 5), von wo sich
sein Ruf über einen grossen Theil Italiens erstreckte 6). An-
dere Sagen lassen ihn aus Kreta wieder nach Athen zurück-
kehren 7) oder nach seiner Flucht in Theben und Pisa thätig
sein 8). In keiner Verbindung aber mit der Geschichte der
bisher erwähnten Wanderungen stehen die Nachrichten von
einem Aufenthalte des Daedalos in Aegypten, über welche
weiter unten gesprochen werden muss.

Von der weitern Verbreitung seines Namens erhalten wir
nur durch die Erwähnung einzelner Werke Nachricht, und
wir thun daher gut, hier zunächst das Verzeichniss derselben
folgen zu lassen, wobei namentlich Pausanias unser Führer
ist. Es sind folgende:

1) Ein Xoanon der Britomartis (Artemis) zu Olus auf
Kreta (Paus. IX, 40, 2), auf welches sich auch wohl die Worte
Solin’s (11) beziehen: ea aedes ostentat manus Daedali.

5) Ein Xoanon der Athene zu Knosos auf Kreta (Paus. ib).

3) Ein kleines Xoanon der Aphrodite, unten in Her-
menform auslaufend, aber mit Armen gebildet, da Pausanias
(ib.) berichtet, die rechte Hand sei beschädigt. Er meint,
Ariadne habe es von Dädalos zum Geschenk erhalten und
nachher von Hause mit weggenommen, Theseus aber, als er
Ariadne verlassen, in Delos geweiht, um nicht dadurch an
sie erinnert zu werden.

1) Apoll. III, 1, 4; 15, 9. Paus. I, 21, 4; 26, 4; VIII, 4, 4. Suid. l. l.
Hygin. fab. 39. 244. Serv. l. l. Ueber die mythologische Bedeutung dieser Er-
zählung vgl. Mercklins Abhandlung über die Talossage in den Schriften der
Petersburger Akademie 1851.
2) Auser den angef. Stellen auch Paus. VIII,
53, 3. Strabo X, p. 477.
3) Herod. VIII, 170. Phot. Bibl. p. 135 Bekk.
Theon. progymn. p. 16 Heins. Schol. Pind. Nem. IV, 95. Schol. Il. B 145.
Eust. ad Il. P 220, wo den Töchtern des Kokalos fälschlich die Ermordung des
Daedalos anstatt des Minos schuldgegeben wird. Ovid. Met. VIII, 159 sqq.
Hygin. fab. 40. 44.
4) Paus. X, 17, 4. Diod. IV, 30. Serv. ad Virg. Aen.
VI, 14; Georg. I, 14.
5) Virg. und Serv. l. l. Sil. Ital. XII, 102.
6) Paus.
VII, 4, 7. Die Japygier betrachten Daedalos als ihren Stammvater: Strabo VI,
p. 279. Eust. ad. Dion. Perieg. 379. Mart. Capell. VI.
7) Plut. Thes. 19.
Hygin. fab. 40.
8) S. n. 6 u. 7 seiner Werke und Schol. Arist. Nub. 508.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0028" n="15"/>
Künstlerruhm des Oheims zu verdunkeln drohte <note place="foot" n="1)">Apoll. III, 1, 4; 15, 9. Paus. I, 21, 4; 26, 4; VIII, 4, 4. Suid. l. l.<lb/>
Hygin. fab. 39. 244. Serv. l. l. Ueber die mythologische Bedeutung dieser Er-<lb/>
zählung vgl. Mercklins Abhandlung über die Talossage in den Schriften der<lb/>
Petersburger Akademie 1851.</note>. So gelangt<lb/>
er nach Kreta, wo er für Minos und zum Verderben desselben<lb/>
für Pasiphaë und Ariadne thätig ist <note place="foot" n="2)">Auser den angef. Stellen auch Paus. VIII,<lb/>
53, 3. Strabo X, p. 477.</note>. Dies zwingt ihn zu<lb/>
neuer Flucht, und er wendet sich nach Sicilien zum König<lb/>
Kokalos <note place="foot" n="3)">Herod. VIII, 170. Phot. Bibl. p. 135 Bekk.<lb/>
Theon. progymn. p. 16 Heins. Schol. Pind. Nem. IV, 95. Schol. Il. <hi rendition="#b"><hi rendition="#i">B</hi></hi> 145.<lb/>
Eust. ad Il. <hi rendition="#b"><hi rendition="#i">P</hi></hi> 220, wo den Töchtern des Kokalos fälschlich die Ermordung des<lb/>
Daedalos anstatt des Minos schuldgegeben wird. Ovid. Met. VIII, 159 sqq.<lb/>
Hygin. fab. 40. 44.</note>, oder erreicht, sei es direkt, sei es auf einem Um-<lb/>
weg über Sardinien <note place="foot" n="4)">Paus. X, 17, 4. Diod. IV, 30. Serv. ad Virg. Aen.<lb/>
VI, 14; Georg. I, 14.</note>, Cumae in Campanien <note place="foot" n="5)">Virg. und Serv. l. l. Sil. Ital. XII, 102.</note>, von wo sich<lb/>
sein Ruf über einen grossen Theil Italiens erstreckte <note place="foot" n="6)">Paus.<lb/>
VII, 4, 7. Die Japygier betrachten Daedalos als ihren Stammvater: Strabo VI,<lb/>
p. 279. Eust. ad. Dion. Perieg. 379. Mart. Capell. VI.</note>. An-<lb/>
dere Sagen lassen ihn aus Kreta wieder nach Athen zurück-<lb/>
kehren <note place="foot" n="7)">Plut. Thes. 19.<lb/>
Hygin. fab. 40.</note> oder nach seiner Flucht in Theben und Pisa thätig<lb/>
sein <note place="foot" n="8)">S. n. 6 u. 7 seiner Werke und Schol. Arist. Nub. 508.</note>. In keiner Verbindung aber mit der Geschichte der<lb/>
bisher erwähnten Wanderungen stehen die Nachrichten von<lb/>
einem Aufenthalte des Daedalos in Aegypten, über welche<lb/>
weiter unten gesprochen werden muss.</p><lb/>
            <p>Von der weitern Verbreitung seines Namens erhalten wir<lb/>
nur durch die Erwähnung einzelner Werke Nachricht, und<lb/>
wir thun daher gut, hier zunächst das Verzeichniss derselben<lb/>
folgen zu lassen, wobei namentlich Pausanias unser Führer<lb/>
ist. Es sind folgende:</p><lb/>
            <p>1) Ein Xoanon der <hi rendition="#g">Britomartis</hi> (Artemis) zu Olus auf<lb/>
Kreta (Paus. IX, 40, 2), auf welches sich auch wohl die Worte<lb/>
Solin&#x2019;s (11) beziehen: ea aedes ostentat manus Daedali.</p><lb/>
            <p>5) Ein Xoanon der <hi rendition="#g">Athene</hi> zu Knosos auf Kreta (Paus. ib).</p><lb/>
            <p>3) Ein kleines Xoanon der <hi rendition="#g">Aphrodite,</hi> unten in Her-<lb/>
menform auslaufend, aber mit Armen gebildet, da Pausanias<lb/>
(ib.) berichtet, die rechte Hand sei beschädigt. Er meint,<lb/>
Ariadne habe es von Dädalos zum Geschenk erhalten und<lb/>
nachher von Hause mit weggenommen, Theseus aber, als er<lb/>
Ariadne verlassen, in Delos geweiht, um nicht dadurch an<lb/>
sie erinnert zu werden.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0028] Künstlerruhm des Oheims zu verdunkeln drohte 1). So gelangt er nach Kreta, wo er für Minos und zum Verderben desselben für Pasiphaë und Ariadne thätig ist 2). Dies zwingt ihn zu neuer Flucht, und er wendet sich nach Sicilien zum König Kokalos 3), oder erreicht, sei es direkt, sei es auf einem Um- weg über Sardinien 4), Cumae in Campanien 5), von wo sich sein Ruf über einen grossen Theil Italiens erstreckte 6). An- dere Sagen lassen ihn aus Kreta wieder nach Athen zurück- kehren 7) oder nach seiner Flucht in Theben und Pisa thätig sein 8). In keiner Verbindung aber mit der Geschichte der bisher erwähnten Wanderungen stehen die Nachrichten von einem Aufenthalte des Daedalos in Aegypten, über welche weiter unten gesprochen werden muss. Von der weitern Verbreitung seines Namens erhalten wir nur durch die Erwähnung einzelner Werke Nachricht, und wir thun daher gut, hier zunächst das Verzeichniss derselben folgen zu lassen, wobei namentlich Pausanias unser Führer ist. Es sind folgende: 1) Ein Xoanon der Britomartis (Artemis) zu Olus auf Kreta (Paus. IX, 40, 2), auf welches sich auch wohl die Worte Solin’s (11) beziehen: ea aedes ostentat manus Daedali. 5) Ein Xoanon der Athene zu Knosos auf Kreta (Paus. ib). 3) Ein kleines Xoanon der Aphrodite, unten in Her- menform auslaufend, aber mit Armen gebildet, da Pausanias (ib.) berichtet, die rechte Hand sei beschädigt. Er meint, Ariadne habe es von Dädalos zum Geschenk erhalten und nachher von Hause mit weggenommen, Theseus aber, als er Ariadne verlassen, in Delos geweiht, um nicht dadurch an sie erinnert zu werden. 1) Apoll. III, 1, 4; 15, 9. Paus. I, 21, 4; 26, 4; VIII, 4, 4. Suid. l. l. Hygin. fab. 39. 244. Serv. l. l. Ueber die mythologische Bedeutung dieser Er- zählung vgl. Mercklins Abhandlung über die Talossage in den Schriften der Petersburger Akademie 1851. 2) Auser den angef. Stellen auch Paus. VIII, 53, 3. Strabo X, p. 477. 3) Herod. VIII, 170. Phot. Bibl. p. 135 Bekk. Theon. progymn. p. 16 Heins. Schol. Pind. Nem. IV, 95. Schol. Il. B 145. Eust. ad Il. P 220, wo den Töchtern des Kokalos fälschlich die Ermordung des Daedalos anstatt des Minos schuldgegeben wird. Ovid. Met. VIII, 159 sqq. Hygin. fab. 40. 44. 4) Paus. X, 17, 4. Diod. IV, 30. Serv. ad Virg. Aen. VI, 14; Georg. I, 14. 5) Virg. und Serv. l. l. Sil. Ital. XII, 102. 6) Paus. VII, 4, 7. Die Japygier betrachten Daedalos als ihren Stammvater: Strabo VI, p. 279. Eust. ad. Dion. Perieg. 379. Mart. Capell. VI. 7) Plut. Thes. 19. Hygin. fab. 40. 8) S. n. 6 u. 7 seiner Werke und Schol. Arist. Nub. 508.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/28
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/28>, abgerufen am 18.04.2024.