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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

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Wie sie nun beide fest und wol gedenken;
So wissen sie in solcher Masse
Die Untersuchung einzulenken,
Daß der Verstand
Die Oberhand
Und das Vergnügen hat, zu sehen, wie sein Raht
Jn allem stets gefolget werde.
Jn diesem Stande-nun, der fast beneidens wehrt,
Teilt jeder unter sich die Lust und die Beschwerde,
Die ihnen beiden wiederfährt,
Und also machen sie noch süsser das, was süsse;
Das bitt're mindern sie. Wenn sich nun ihre Küsse
Durch eine Frucht gesegnet sehn;
Verdoppeln sich die zarten Triebe
Von ihrer ehelichen Liebe.
Sie haben ihre Lust und freuen sich
An ihrem eig'nen Werk gemeinschaftlich,
Das sie mit fröhlichem und emsigem Bemühn
Zugleich versorgen und erziehn.
Sie sind recht inniglich gerührt, von Lust entzündet,
Wenn jeder sein Gesicht darin gebildet findet;
Wobey sie zum voraus das an zu hoffen fangen,
Was ihre Zärtlichkeit sie treibet zu verlangen.
Nun lasst uns auch den Ehestand beschauen,
Worin der Mann mit seiner Frauen
Jhr Leben selber sich verleiden,
Ohn' Ursach' und ohn' andern Grund,
Als den zu wenigen Verstand von beiden.
O Himmel, welch ein Band ist doch ein solches Band!
Ein Band, das dazu bloß gebunden scheint,
Daß man an einem Tisch sich zanke sonder Ende,
Jn einem Bette stets sich nur den Rücken wende!
Giebts Kinder; (weil doch oft sie die Natur vereint,
Und
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Wie ſie nun beide feſt und wol gedenken;
So wiſſen ſie in ſolcher Maſſe
Die Unterſuchung einzulenken,
Daß der Verſtand
Die Oberhand
Und das Vergnuͤgen hat, zu ſehen, wie ſein Raht
Jn allem ſtets gefolget werde.
Jn dieſem Stande-nun, der faſt beneidens wehrt,
Teilt jeder unter ſich die Luſt und die Beſchwerde,
Die ihnen beiden wiederfaͤhrt,
Und alſo machen ſie noch ſuͤſſer das, was ſuͤſſe;
Das bitt’re mindern ſie. Wenn ſich nun ihre Kuͤſſe
Durch eine Frucht geſegnet ſehn;
Verdoppeln ſich die zarten Triebe
Von ihrer ehelichen Liebe.
Sie haben ihre Luſt und freuen ſich
An ihrem eig’nen Werk gemeinſchaftlich,
Das ſie mit froͤhlichem und emſigem Bemuͤhn
Zugleich verſorgen und erziehn.
Sie ſind recht inniglich geruͤhrt, von Luſt entzuͤndet,
Wenn jeder ſein Geſicht darin gebildet findet;
Wobey ſie zum voraus das an zu hoffen fangen,
Was ihre Zaͤrtlichkeit ſie treibet zu verlangen.
Nun laſſt uns auch den Eheſtand beſchauen,
Worin der Mann mit ſeiner Frauen
Jhr Leben ſelber ſich verleiden,
Ohn’ Urſach’ und ohn’ andern Grund,
Als den zu wenigen Verſtand von beiden.
O Himmel, welch ein Band iſt doch ein ſolches Band!
Ein Band, das dazu bloß gebunden ſcheint,
Daß man an einem Tiſch ſich zanke ſonder Ende,
Jn einem Bette ſtets ſich nur den Ruͤcken wende!
Giebts Kinder; (weil doch oft ſie die Natur vereint,
Und
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[551/0587] Wie ſie nun beide feſt und wol gedenken; So wiſſen ſie in ſolcher Maſſe Die Unterſuchung einzulenken, Daß der Verſtand Die Oberhand Und das Vergnuͤgen hat, zu ſehen, wie ſein Raht Jn allem ſtets gefolget werde. Jn dieſem Stande-nun, der faſt beneidens wehrt, Teilt jeder unter ſich die Luſt und die Beſchwerde, Die ihnen beiden wiederfaͤhrt, Und alſo machen ſie noch ſuͤſſer das, was ſuͤſſe; Das bitt’re mindern ſie. Wenn ſich nun ihre Kuͤſſe Durch eine Frucht geſegnet ſehn; Verdoppeln ſich die zarten Triebe Von ihrer ehelichen Liebe. Sie haben ihre Luſt und freuen ſich An ihrem eig’nen Werk gemeinſchaftlich, Das ſie mit froͤhlichem und emſigem Bemuͤhn Zugleich verſorgen und erziehn. Sie ſind recht inniglich geruͤhrt, von Luſt entzuͤndet, Wenn jeder ſein Geſicht darin gebildet findet; Wobey ſie zum voraus das an zu hoffen fangen, Was ihre Zaͤrtlichkeit ſie treibet zu verlangen. Nun laſſt uns auch den Eheſtand beſchauen, Worin der Mann mit ſeiner Frauen Jhr Leben ſelber ſich verleiden, Ohn’ Urſach’ und ohn’ andern Grund, Als den zu wenigen Verſtand von beiden. O Himmel, welch ein Band iſt doch ein ſolches Band! Ein Band, das dazu bloß gebunden ſcheint, Daß man an einem Tiſch ſich zanke ſonder Ende, Jn einem Bette ſtets ſich nur den Ruͤcken wende! Giebts Kinder; (weil doch oft ſie die Natur vereint, Und M m 4

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/587>, abgerufen am 25.04.2024.