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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

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Daß man auch darin bloß allein
Was unbegreifliches und nützlichs findet.
Denn daß solch eine Meng von Teilchen in der Erde
Zu einem grossen Cörper werde,
Und sich zwar wol, jedoch nicht ganz, verbindet,
Wodurch denn Platz entsteht, daß sich die Feuchtigkeiten
Darin versammlen, halten, senken,
Mit Mass' ohn' Ueberfluß die Wurzeln tränken,
Die eben dadurch auch, sich auszubreiten,
Gelegenheit und Platz gewinnen;
Jst ja wol recht Bewunderns-wehrt.
Wer aber kann nur eine Ahrt,
Die Pflanzen, die so klein, so zart,
Gerade zu erhalten, wol ersinnen,
Und, ohne sie zu drucken, zu verletzen,
Dieselbigen so fest zu setzen,
Daß sie so gar vor Sturm und Wind
Genug gesichert sind?
Dieß alles scheinet uns zwar, leider! nur gemein,
Und weder Weis heit, Macht, noch grosse Kunst zu seyn;
Allein das eben ist die Unahrt uns'rer Sinnen,
Daß alles, was wir täglich sehn,
Von aussen kaum, viel weniger von innen
Von uns betrachtet wird. Die Ursach zu verstehn,
Wodurch, wozu und wie die Dinge hie geschehn,
Jst ja das einzige, so uns vom Vieh
Allein vermag zu unterscheiden;
Doch nimmt man sich damit nicht die geringste Müh.

Die milde Mutter siehet man

Als
D d 4

Daß man auch darin bloß allein
Was unbegreifliches und nuͤtzlichs findet.
Denn daß ſolch eine Meng von Teilchen in der Erde
Zu einem groſſen Coͤrper werde,
Und ſich zwar wol, jedoch nicht ganz, verbindet,
Wodurch denn Platz entſteht, daß ſich die Feuchtigkeiten
Darin verſammlen, halten, ſenken,
Mit Maſſ’ ohn’ Ueberfluß die Wurzeln traͤnken,
Die eben dadurch auch, ſich auszubreiten,
Gelegenheit und Platz gewinnen;
Jſt ja wol recht Bewunderns-wehrt.
Wer aber kann nur eine Ahrt,
Die Pflanzen, die ſo klein, ſo zart,
Gerade zu erhalten, wol erſinnen,
Und, ohne ſie zu drucken, zu verletzen,
Dieſelbigen ſo feſt zu ſetzen,
Daß ſie ſo gar vor Sturm und Wind
Genug geſichert ſind?
Dieß alles ſcheinet uns zwar, leider! nur gemein,
Und weder Weiſ heit, Macht, noch groſſe Kunſt zu ſeyn;
Allein das eben iſt die Unahrt unſ’rer Sinnen,
Daß alles, was wir taͤglich ſehn,
Von auſſen kaum, viel weniger von innen
Von uns betrachtet wird. Die Urſach zu verſtehn,
Wodurch, wozu und wie die Dinge hie geſchehn,
Jſt ja das einzige, ſo uns vom Vieh
Allein vermag zu unterſcheiden;
Doch nimmt man ſich damit nicht die geringſte Muͤh.

Die milde Mutter ſiehet man

Als
D d 4
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[423/0459] Daß man auch darin bloß allein Was unbegreifliches und nuͤtzlichs findet. Denn daß ſolch eine Meng von Teilchen in der Erde Zu einem groſſen Coͤrper werde, Und ſich zwar wol, jedoch nicht ganz, verbindet, Wodurch denn Platz entſteht, daß ſich die Feuchtigkeiten Darin verſammlen, halten, ſenken, Mit Maſſ’ ohn’ Ueberfluß die Wurzeln traͤnken, Die eben dadurch auch, ſich auszubreiten, Gelegenheit und Platz gewinnen; Jſt ja wol recht Bewunderns-wehrt. Wer aber kann nur eine Ahrt, Die Pflanzen, die ſo klein, ſo zart, Gerade zu erhalten, wol erſinnen, Und, ohne ſie zu drucken, zu verletzen, Dieſelbigen ſo feſt zu ſetzen, Daß ſie ſo gar vor Sturm und Wind Genug geſichert ſind? Dieß alles ſcheinet uns zwar, leider! nur gemein, Und weder Weiſ heit, Macht, noch groſſe Kunſt zu ſeyn; Allein das eben iſt die Unahrt unſ’rer Sinnen, Daß alles, was wir taͤglich ſehn, Von auſſen kaum, viel weniger von innen Von uns betrachtet wird. Die Urſach zu verſtehn, Wodurch, wozu und wie die Dinge hie geſchehn, Jſt ja das einzige, ſo uns vom Vieh Allein vermag zu unterſcheiden; Doch nimmt man ſich damit nicht die geringſte Muͤh. Die milde Mutter ſiehet man Als D d 4

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/459>, abgerufen am 20.04.2024.