Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Tannen-Wald.
Wie neulich mich mein Vaterland
Jm Winter nach Berlin gesandt;
Hab' ich mit hundert tausend Freuden
Mein Aug' an manchem Gegenstand
Der Erde können weiden:
Da nemlich ich auf dieser Reise,
Dem Schöpfer aller Welt zum Preise,
Die schöne Welt, die auch im Schnee und Eise
Recht wunder-würdig ausgeschmücket,
Mit stets verändertem Vergnügen angeblicket.
Ein helles Abend-Rot, des Morgens güld'ne Pracht,
Das Silber der gestirnten Nacht,
Des Mondes sanftes Licht, hat mir die schöne Welt
Jn allzeit neuem Schmuck und Farben vorgestellt.
Bald sah ich früh die weiß-beschneyten Gipfel
Der Berge, von dem Glanz des Firmaments, bestral't.
Bald sah ich spät die weiß-bereiften Wipfel
Der Bäume, recht wie Gold vom Abend-Rot, gemal't.
Bald zeigt' ein höher Licht auf Sträuchern, Kraut und Laub
Und auf des Grases Rest Krystallen-gleichen Staub.
Der ganze Boden war mit tausend kleinen Spitzen,
Jn welchen sich das Licht mit angenemem blitzen
Und buntem Schimmer bricht, bedecket und erfüllt.
Der Erde weisse Brust war gänzlich eingehüllt
Jm Diamant'nen Schmuck. Es waren ohne Zal

Die
Der Tannen-Wald.
Wie neulich mich mein Vaterland
Jm Winter nach Berlin geſandt;
Hab’ ich mit hundert tauſend Freuden
Mein Aug’ an manchem Gegenſtand
Der Erde koͤnnen weiden:
Da nemlich ich auf dieſer Reiſe,
Dem Schoͤpfer aller Welt zum Preiſe,
Die ſchoͤne Welt, die auch im Schnee und Eiſe
Recht wunder-wuͤrdig ausgeſchmuͤcket,
Mit ſtets veraͤndertem Vergnuͤgen angeblicket.
Ein helles Abend-Rot, des Morgens guͤld’ne Pracht,
Das Silber der geſtirnten Nacht,
Des Mondes ſanftes Licht, hat mir die ſchoͤne Welt
Jn allzeit neuem Schmuck und Farben vorgeſtellt.
Bald ſah ich fruͤh die weiß-beſchneyten Gipfel
Der Berge, von dem Glanz des Firmaments, beſtral’t.
Bald ſah ich ſpaͤt die weiß-bereiften Wipfel
Der Baͤume, recht wie Gold vom Abend-Rot, gemal’t.
Bald zeigt’ ein hoͤher Licht auf Straͤuchern, Kraut und Laub
Und auf des Graſes Reſt Kryſtallen-gleichen Staub.
Der ganze Boden war mit tauſend kleinen Spitzen,
Jn welchen ſich das Licht mit angenemem blitzen
Und buntem Schimmer bricht, bedecket und erfuͤllt.
Der Erde weiſſe Bruſt war gaͤnzlich eingehuͤllt
Jm Diamant’nen Schmuck. Es waren ohne Zal

Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0451" n="415"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der Tannen-Wald.</hi> </head><lb/>
          <lg n="25">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>ie neulich mich mein Vaterland</l><lb/>
            <l>Jm Winter nach Berlin ge&#x017F;andt;</l><lb/>
            <l>Hab&#x2019; ich mit hundert tau&#x017F;end Freuden</l><lb/>
            <l>Mein Aug&#x2019; an manchem Gegen&#x017F;tand</l><lb/>
            <l>Der Erde ko&#x0364;nnen weiden:</l><lb/>
            <l>Da nemlich ich auf die&#x017F;er Rei&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>Dem Scho&#x0364;pfer aller Welt zum Prei&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;cho&#x0364;ne Welt, die auch im Schnee und Ei&#x017F;e</l><lb/>
            <l>Recht wunder-wu&#x0364;rdig ausge&#x017F;chmu&#x0364;cket,</l><lb/>
            <l>Mit &#x017F;tets vera&#x0364;ndertem Vergnu&#x0364;gen angeblicket.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="26">
            <l>Ein helles Abend-Rot, des Morgens gu&#x0364;ld&#x2019;ne Pracht,</l><lb/>
            <l>Das Silber der ge&#x017F;tirnten Nacht,</l><lb/>
            <l>Des Mondes &#x017F;anftes Licht, hat mir die &#x017F;cho&#x0364;ne Welt</l><lb/>
            <l>Jn allzeit neuem Schmuck und Farben vorge&#x017F;tellt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="27">
            <l>Bald &#x017F;ah ich fru&#x0364;h die weiß-be&#x017F;chneyten Gipfel</l><lb/>
            <l>Der Berge, von dem Glanz des Firmaments, be&#x017F;tral&#x2019;t.</l><lb/>
            <l>Bald &#x017F;ah ich &#x017F;pa&#x0364;t die weiß-bereiften Wipfel</l><lb/>
            <l>Der Ba&#x0364;ume, recht wie Gold vom Abend-Rot, gemal&#x2019;t.</l><lb/>
            <l>Bald zeigt&#x2019; ein ho&#x0364;her Licht auf Stra&#x0364;uchern, Kraut und Laub</l><lb/>
            <l>Und auf des Gra&#x017F;es Re&#x017F;t Kry&#x017F;tallen-gleichen Staub.</l><lb/>
            <l>Der ganze Boden war mit tau&#x017F;end kleinen Spitzen,</l><lb/>
            <l>Jn welchen &#x017F;ich das Licht mit angenemem blitzen</l><lb/>
            <l>Und buntem Schimmer bricht, bedecket und erfu&#x0364;llt.</l><lb/>
            <l>Der Erde wei&#x017F;&#x017F;e Bru&#x017F;t war ga&#x0364;nzlich eingehu&#x0364;llt</l><lb/>
            <l>Jm Diamant&#x2019;nen Schmuck. Es waren ohne Zal</l><lb/>
            <l>
              <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
            </l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[415/0451] Der Tannen-Wald. Wie neulich mich mein Vaterland Jm Winter nach Berlin geſandt; Hab’ ich mit hundert tauſend Freuden Mein Aug’ an manchem Gegenſtand Der Erde koͤnnen weiden: Da nemlich ich auf dieſer Reiſe, Dem Schoͤpfer aller Welt zum Preiſe, Die ſchoͤne Welt, die auch im Schnee und Eiſe Recht wunder-wuͤrdig ausgeſchmuͤcket, Mit ſtets veraͤndertem Vergnuͤgen angeblicket. Ein helles Abend-Rot, des Morgens guͤld’ne Pracht, Das Silber der geſtirnten Nacht, Des Mondes ſanftes Licht, hat mir die ſchoͤne Welt Jn allzeit neuem Schmuck und Farben vorgeſtellt. Bald ſah ich fruͤh die weiß-beſchneyten Gipfel Der Berge, von dem Glanz des Firmaments, beſtral’t. Bald ſah ich ſpaͤt die weiß-bereiften Wipfel Der Baͤume, recht wie Gold vom Abend-Rot, gemal’t. Bald zeigt’ ein hoͤher Licht auf Straͤuchern, Kraut und Laub Und auf des Graſes Reſt Kryſtallen-gleichen Staub. Der ganze Boden war mit tauſend kleinen Spitzen, Jn welchen ſich das Licht mit angenemem blitzen Und buntem Schimmer bricht, bedecket und erfuͤllt. Der Erde weiſſe Bruſt war gaͤnzlich eingehuͤllt Jm Diamant’nen Schmuck. Es waren ohne Zal Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/451
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/451>, abgerufen am 28.03.2024.