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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

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Und werde nun so gar
Dadurch, weil etwas Fleisch daran geblieben war,
Wie eine Haut annoch den ganzen Knochen deckt,
Erstaunt gewahr, woraus ganz klar erscheinet,
Auf welche Weise Fleisch und Knochen sich vereinet.

Es zeiget mir der Rest
Von einer Sehn', auf welche Weise
An dieser zarten Haut so Fleisch als Sehne fest;
Doch geht sie nur so weit, als im Gehäuse
Der Zahn vorher gesteckt. Dieß stellt mir nun von neuen
Ein weises Wunder dar; es scheint absonderlich
So weislich zugericht't, damit die Haut nicht sich
Verschöb' und nicht verletzet würd' im Käuen.
Noch mehr, es kann in der Natur
An freyer Luft ein Knochen nicht bestehen:
Daher wir denn, o Wunder! sehen,
Wie eine künstliche besondere Glasur,
Die ihn so zieret als ihm nützet,
Den Zahn von aussen deckt und schützet.
Daß aus des Kiefers fester Lade
Man Zähne hebet sonder Schade,
Und daß die Wunden, ohn Verweilen
Und fern're Schmerzen, wieder heilen;
Jst auch ein grosses Glück.
Je mehr ich nun auf uns're Zähne merke,
Je mehr find' ich in ihnen Wunderwerke.
Daß uns're vordern Zähn' im Munde
Die dünn'sten, scharf und schneidend seyn;
Das hat vermutlich dieß zum Grunde,

Und

Und werde nun ſo gar
Dadurch, weil etwas Fleiſch daran geblieben war,
Wie eine Haut annoch den ganzen Knochen deckt,
Erſtaunt gewahr, woraus ganz klar erſcheinet,
Auf welche Weiſe Fleiſch und Knochen ſich vereinet.

Es zeiget mir der Reſt
Von einer Sehn’, auf welche Weiſe
An dieſer zarten Haut ſo Fleiſch als Sehne feſt;
Doch geht ſie nur ſo weit, als im Gehaͤuſe
Der Zahn vorher geſteckt. Dieß ſtellt mir nun von neuen
Ein weiſes Wunder dar; es ſcheint abſonderlich
So weiſlich zugericht’t, damit die Haut nicht ſich
Verſchoͤb’ und nicht verletzet wuͤrd’ im Kaͤuen.
Noch mehr, es kann in der Natur
An freyer Luft ein Knochen nicht beſtehen:
Daher wir denn, o Wunder! ſehen,
Wie eine kuͤnſtliche beſondere Glaſur,
Die ihn ſo zieret als ihm nuͤtzet,
Den Zahn von auſſen deckt und ſchuͤtzet.
Daß aus des Kiefers feſter Lade
Man Zaͤhne hebet ſonder Schade,
Und daß die Wunden, ohn Verweilen
Und fern’re Schmerzen, wieder heilen;
Jſt auch ein groſſes Gluͤck.
Je mehr ich nun auf unſ’re Zaͤhne merke,
Je mehr find’ ich in ihnen Wunderwerke.
Daß unſ’re vordern Zaͤhn’ im Munde
Die duͤnn’ſten, ſcharf und ſchneidend ſeyn;
Das hat vermutlich dieß zum Grunde,

Und
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[380/0416] Und werde nun ſo gar Dadurch, weil etwas Fleiſch daran geblieben war, Wie eine Haut annoch den ganzen Knochen deckt, Erſtaunt gewahr, woraus ganz klar erſcheinet, Auf welche Weiſe Fleiſch und Knochen ſich vereinet. Es zeiget mir der Reſt Von einer Sehn’, auf welche Weiſe An dieſer zarten Haut ſo Fleiſch als Sehne feſt; Doch geht ſie nur ſo weit, als im Gehaͤuſe Der Zahn vorher geſteckt. Dieß ſtellt mir nun von neuen Ein weiſes Wunder dar; es ſcheint abſonderlich So weiſlich zugericht’t, damit die Haut nicht ſich Verſchoͤb’ und nicht verletzet wuͤrd’ im Kaͤuen. Noch mehr, es kann in der Natur An freyer Luft ein Knochen nicht beſtehen: Daher wir denn, o Wunder! ſehen, Wie eine kuͤnſtliche beſondere Glaſur, Die ihn ſo zieret als ihm nuͤtzet, Den Zahn von auſſen deckt und ſchuͤtzet. Daß aus des Kiefers feſter Lade Man Zaͤhne hebet ſonder Schade, Und daß die Wunden, ohn Verweilen Und fern’re Schmerzen, wieder heilen; Jſt auch ein groſſes Gluͤck. Je mehr ich nun auf unſ’re Zaͤhne merke, Je mehr find’ ich in ihnen Wunderwerke. Daß unſ’re vordern Zaͤhn’ im Munde Die duͤnn’ſten, ſcharf und ſchneidend ſeyn; Das hat vermutlich dieß zum Grunde, Und

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/416>, abgerufen am 24.04.2024.