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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Das Jnsekt als Puppe. Dauer der Entwickelung.

Es dürfte nicht nur von allgemeinem Jnteresse sein, sondern auch zur Vervollständigung
dessen, was über die Entwickelung der Jnsekten angedeutet wurde, unumgänglich nöthig, etwas
über die Zeit zu erfahren, in welcher sie ihre Metamorphose durchlaufen und wie lange ihr Leben
überhaupt dauert.

Wie die einjährige Pflanze in ihrem Leben nur ein Mal Stengel, Blätter, Blüthen und
Früchte treibt und mit der Reife der letzteren ihren Lebenszweck erfüllt hat, indem sie im keim-
fähigen Samen das Fortbestehen ihrer Art sicherte, so das Jnsekt. Es hat seine Bestimmung
erfüllt, wenn es, durch den Ei-, Larven- und Puppenzustand hindurchgehend, seine Reife erlaugt
und sich gepaart hat, was nur ein Mal geschieht. Das Männchen stirbt sehr bald nachher, das
Weibchen dann erst, wenn es die befruchteten Eier abgelegt hat, was allerdings bei einigen
wenigen, z. B. der Königin im Bienenstocke einen Zeitraum von mehreren Jahren in Anspruch
nehmen kann, für gewöhnlich aber sogleich geschieht, oder, wenn die winterliche Jahreszeit störend
dazwischen tritt, erst im nächsten Frühlinge. Somit muß man das Leben des Jnsektes als ein
kurzes bezeichnen, wenn auch als kein gerade einjähriges, wie bei den Pflanzen, mit welchen es
eben verglichen wurde. Manche Arten entwickeln sich so schnell, daß in Jahresfrist einige Gene-
rationen zu Stande kommen, andere brauchen mehrere, bis etwa fünf Jahre zu einer einzigen. Wie
im südlichen Amerika die Agave erst im hundertsten Jahre aus ihrer Blattrosette einen haushohen
Schaft treibt, der in wenigen Wochen sich zu einem stattlichen, pyramidenförmigen Kandelaber
entfaltet und in Tausenden von Blüthenbüscheln prangt, die an den Spitzen der Aeste wie ebenso
viele Flämmchen leuchten, dann aber abstirbt, also hier hundert Jahre nöthig sind, was unsere
Sommergewächse in kaum einem Jahre erreichen: so ernährt Nordamerika ein Jnsekt, welches sich
bei seiner Entwickelung auch mehr Zeit nimmt, als alle anderen.

Eine Cicade braucht gerade 17 Jahre zu ihrer Entwickelung und ist deshalb auch Cicada
septendecim
genannt worden. Das Weibchen legt 10--12 Eier in einen tiefen Schnitt, den es
mit seiner messerartigen Legröhre in einen Zweig, wie beispielsweise in den vorjährigen Trieb
eines Apfelbaumes ausführt. Nach 52--60 Tagen kriechen die Lärvchen aus, lassen sich von
oben herabfallen, um sich sofort in der Nähe der Wurzel in die Erde einzugraben; mittlerweile
stirbt der Zweig am Baume ab. Hier in der Erde leben sie siebenzehn Jahre vom Safte der
Wurzeln; einen so langen Zeitraum nimmt man darum an, weil die Cicaden in solchen Perioden
in ungeheuren Massen erscheinen. Dann endlich kriechen die Puppen aus ihren unterirdischen
Verstecken hervor, setzen sich an den ersten besten etwas über dem Boden erhabenen Gegenstande
fest, es berstet ihnen im Nacken die Haut und das geflügelte Jnsekt erfreut sich seines oberirdischen
Daseins. Jst es ein Männchen, so zirpt es, wie unsere Grillen, die Weibchen stellen sich ein und
die Paarung erfolgt. Das Weibchen legt seine Eier und in einem Zeitraum von etwa sechsund-
dreißig Tagen ist Alles abgethan, die Thiere sind wieder verschwunden.

Es ist nöthig, bei dieser Gelegenheit auf eine bestimmte Ausdrucksweise aufmerksam zu
machen, die im weiteren Verlaufe manchmal gebraucht werden wird. Man spricht nämlich von
einfacher Generation eines Jnsektes, wenn es in Zeit eines Jahres seine Verwandlungsstufen
nur ein Mal durchlebt, von doppelter, zweifacher Generation, wenn dies in derselben Zeit
zweimal geschieht und unterscheidet dann zwischen erster und zweiter, oder bezeichnender zwischen
Sommer- und Winter generation, von denen diese in einer ihrer Lebensformen den Winter ver-
brachte. Jn sofern man hierbei das bürgerliche Jahr zu Grunde legt, kann es eben geschehen, daß
die zweite Generation vor dem 31. December noch nicht zum Abschluß gekommen ist, deshalb aber
doch innerhalb der zum Jahre gehörigen 12 Monate. Man wird z. B. dem großen Kohlweiß-
linge zwei Generationen zuerkennen, obschon von der zweiten die Puppe überwintert und erst im
April den Schmetterling gibt, dafür beginnt aber für dieses Thier das Jahr nicht mit dem
1. Januar, sondern mit dem Monate, wo die ersten Eier gelegt werden, also mit dem Mai
(April). Wie also das genannte zwei Generationen im Jahre hat, gleich vielen anderen Jnsekten,

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Das Jnſekt als Puppe. Dauer der Entwickelung.

Es dürfte nicht nur von allgemeinem Jntereſſe ſein, ſondern auch zur Vervollſtändigung
deſſen, was über die Entwickelung der Jnſekten angedeutet wurde, unumgänglich nöthig, etwas
über die Zeit zu erfahren, in welcher ſie ihre Metamorphoſe durchlaufen und wie lange ihr Leben
überhaupt dauert.

Wie die einjährige Pflanze in ihrem Leben nur ein Mal Stengel, Blätter, Blüthen und
Früchte treibt und mit der Reife der letzteren ihren Lebenszweck erfüllt hat, indem ſie im keim-
fähigen Samen das Fortbeſtehen ihrer Art ſicherte, ſo das Jnſekt. Es hat ſeine Beſtimmung
erfüllt, wenn es, durch den Ei-, Larven- und Puppenzuſtand hindurchgehend, ſeine Reife erlaugt
und ſich gepaart hat, was nur ein Mal geſchieht. Das Männchen ſtirbt ſehr bald nachher, das
Weibchen dann erſt, wenn es die befruchteten Eier abgelegt hat, was allerdings bei einigen
wenigen, z. B. der Königin im Bienenſtocke einen Zeitraum von mehreren Jahren in Anſpruch
nehmen kann, für gewöhnlich aber ſogleich geſchieht, oder, wenn die winterliche Jahreszeit ſtörend
dazwiſchen tritt, erſt im nächſten Frühlinge. Somit muß man das Leben des Jnſektes als ein
kurzes bezeichnen, wenn auch als kein gerade einjähriges, wie bei den Pflanzen, mit welchen es
eben verglichen wurde. Manche Arten entwickeln ſich ſo ſchnell, daß in Jahresfriſt einige Gene-
rationen zu Stande kommen, andere brauchen mehrere, bis etwa fünf Jahre zu einer einzigen. Wie
im ſüdlichen Amerika die Agave erſt im hundertſten Jahre aus ihrer Blattroſette einen haushohen
Schaft treibt, der in wenigen Wochen ſich zu einem ſtattlichen, pyramidenförmigen Kandelaber
entfaltet und in Tauſenden von Blüthenbüſcheln prangt, die an den Spitzen der Aeſte wie ebenſo
viele Flämmchen leuchten, dann aber abſtirbt, alſo hier hundert Jahre nöthig ſind, was unſere
Sommergewächſe in kaum einem Jahre erreichen: ſo ernährt Nordamerika ein Jnſekt, welches ſich
bei ſeiner Entwickelung auch mehr Zeit nimmt, als alle anderen.

Eine Cicade braucht gerade 17 Jahre zu ihrer Entwickelung und iſt deshalb auch Cicada
septendecim
genannt worden. Das Weibchen legt 10—12 Eier in einen tiefen Schnitt, den es
mit ſeiner meſſerartigen Legröhre in einen Zweig, wie beiſpielsweiſe in den vorjährigen Trieb
eines Apfelbaumes ausführt. Nach 52—60 Tagen kriechen die Lärvchen aus, laſſen ſich von
oben herabfallen, um ſich ſofort in der Nähe der Wurzel in die Erde einzugraben; mittlerweile
ſtirbt der Zweig am Baume ab. Hier in der Erde leben ſie ſiebenzehn Jahre vom Safte der
Wurzeln; einen ſo langen Zeitraum nimmt man darum an, weil die Cicaden in ſolchen Perioden
in ungeheuren Maſſen erſcheinen. Dann endlich kriechen die Puppen aus ihren unterirdiſchen
Verſtecken hervor, ſetzen ſich an den erſten beſten etwas über dem Boden erhabenen Gegenſtande
feſt, es berſtet ihnen im Nacken die Haut und das geflügelte Jnſekt erfreut ſich ſeines oberirdiſchen
Daſeins. Jſt es ein Männchen, ſo zirpt es, wie unſere Grillen, die Weibchen ſtellen ſich ein und
die Paarung erfolgt. Das Weibchen legt ſeine Eier und in einem Zeitraum von etwa ſechsund-
dreißig Tagen iſt Alles abgethan, die Thiere ſind wieder verſchwunden.

Es iſt nöthig, bei dieſer Gelegenheit auf eine beſtimmte Ausdrucksweiſe aufmerkſam zu
machen, die im weiteren Verlaufe manchmal gebraucht werden wird. Man ſpricht nämlich von
einfacher Generation eines Jnſektes, wenn es in Zeit eines Jahres ſeine Verwandlungsſtufen
nur ein Mal durchlebt, von doppelter, zweifacher Generation, wenn dies in derſelben Zeit
zweimal geſchieht und unterſcheidet dann zwiſchen erſter und zweiter, oder bezeichnender zwiſchen
Sommer- und Winter generation, von denen dieſe in einer ihrer Lebensformen den Winter ver-
brachte. Jn ſofern man hierbei das bürgerliche Jahr zu Grunde legt, kann es eben geſchehen, daß
die zweite Generation vor dem 31. December noch nicht zum Abſchluß gekommen iſt, deshalb aber
doch innerhalb der zum Jahre gehörigen 12 Monate. Man wird z. B. dem großen Kohlweiß-
linge zwei Generationen zuerkennen, obſchon von der zweiten die Puppe überwintert und erſt im
April den Schmetterling gibt, dafür beginnt aber für dieſes Thier das Jahr nicht mit dem
1. Januar, ſondern mit dem Monate, wo die erſten Eier gelegt werden, alſo mit dem Mai
(April). Wie alſo das genannte zwei Generationen im Jahre hat, gleich vielen anderen Jnſekten,

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[19/0031] Das Jnſekt als Puppe. Dauer der Entwickelung. Es dürfte nicht nur von allgemeinem Jntereſſe ſein, ſondern auch zur Vervollſtändigung deſſen, was über die Entwickelung der Jnſekten angedeutet wurde, unumgänglich nöthig, etwas über die Zeit zu erfahren, in welcher ſie ihre Metamorphoſe durchlaufen und wie lange ihr Leben überhaupt dauert. Wie die einjährige Pflanze in ihrem Leben nur ein Mal Stengel, Blätter, Blüthen und Früchte treibt und mit der Reife der letzteren ihren Lebenszweck erfüllt hat, indem ſie im keim- fähigen Samen das Fortbeſtehen ihrer Art ſicherte, ſo das Jnſekt. Es hat ſeine Beſtimmung erfüllt, wenn es, durch den Ei-, Larven- und Puppenzuſtand hindurchgehend, ſeine Reife erlaugt und ſich gepaart hat, was nur ein Mal geſchieht. Das Männchen ſtirbt ſehr bald nachher, das Weibchen dann erſt, wenn es die befruchteten Eier abgelegt hat, was allerdings bei einigen wenigen, z. B. der Königin im Bienenſtocke einen Zeitraum von mehreren Jahren in Anſpruch nehmen kann, für gewöhnlich aber ſogleich geſchieht, oder, wenn die winterliche Jahreszeit ſtörend dazwiſchen tritt, erſt im nächſten Frühlinge. Somit muß man das Leben des Jnſektes als ein kurzes bezeichnen, wenn auch als kein gerade einjähriges, wie bei den Pflanzen, mit welchen es eben verglichen wurde. Manche Arten entwickeln ſich ſo ſchnell, daß in Jahresfriſt einige Gene- rationen zu Stande kommen, andere brauchen mehrere, bis etwa fünf Jahre zu einer einzigen. Wie im ſüdlichen Amerika die Agave erſt im hundertſten Jahre aus ihrer Blattroſette einen haushohen Schaft treibt, der in wenigen Wochen ſich zu einem ſtattlichen, pyramidenförmigen Kandelaber entfaltet und in Tauſenden von Blüthenbüſcheln prangt, die an den Spitzen der Aeſte wie ebenſo viele Flämmchen leuchten, dann aber abſtirbt, alſo hier hundert Jahre nöthig ſind, was unſere Sommergewächſe in kaum einem Jahre erreichen: ſo ernährt Nordamerika ein Jnſekt, welches ſich bei ſeiner Entwickelung auch mehr Zeit nimmt, als alle anderen. Eine Cicade braucht gerade 17 Jahre zu ihrer Entwickelung und iſt deshalb auch Cicada septendecim genannt worden. Das Weibchen legt 10—12 Eier in einen tiefen Schnitt, den es mit ſeiner meſſerartigen Legröhre in einen Zweig, wie beiſpielsweiſe in den vorjährigen Trieb eines Apfelbaumes ausführt. Nach 52—60 Tagen kriechen die Lärvchen aus, laſſen ſich von oben herabfallen, um ſich ſofort in der Nähe der Wurzel in die Erde einzugraben; mittlerweile ſtirbt der Zweig am Baume ab. Hier in der Erde leben ſie ſiebenzehn Jahre vom Safte der Wurzeln; einen ſo langen Zeitraum nimmt man darum an, weil die Cicaden in ſolchen Perioden in ungeheuren Maſſen erſcheinen. Dann endlich kriechen die Puppen aus ihren unterirdiſchen Verſtecken hervor, ſetzen ſich an den erſten beſten etwas über dem Boden erhabenen Gegenſtande feſt, es berſtet ihnen im Nacken die Haut und das geflügelte Jnſekt erfreut ſich ſeines oberirdiſchen Daſeins. Jſt es ein Männchen, ſo zirpt es, wie unſere Grillen, die Weibchen ſtellen ſich ein und die Paarung erfolgt. Das Weibchen legt ſeine Eier und in einem Zeitraum von etwa ſechsund- dreißig Tagen iſt Alles abgethan, die Thiere ſind wieder verſchwunden. Es iſt nöthig, bei dieſer Gelegenheit auf eine beſtimmte Ausdrucksweiſe aufmerkſam zu machen, die im weiteren Verlaufe manchmal gebraucht werden wird. Man ſpricht nämlich von einfacher Generation eines Jnſektes, wenn es in Zeit eines Jahres ſeine Verwandlungsſtufen nur ein Mal durchlebt, von doppelter, zweifacher Generation, wenn dies in derſelben Zeit zweimal geſchieht und unterſcheidet dann zwiſchen erſter und zweiter, oder bezeichnender zwiſchen Sommer- und Winter generation, von denen dieſe in einer ihrer Lebensformen den Winter ver- brachte. Jn ſofern man hierbei das bürgerliche Jahr zu Grunde legt, kann es eben geſchehen, daß die zweite Generation vor dem 31. December noch nicht zum Abſchluß gekommen iſt, deshalb aber doch innerhalb der zum Jahre gehörigen 12 Monate. Man wird z. B. dem großen Kohlweiß- linge zwei Generationen zuerkennen, obſchon von der zweiten die Puppe überwintert und erſt im April den Schmetterling gibt, dafür beginnt aber für dieſes Thier das Jahr nicht mit dem 1. Januar, ſondern mit dem Monate, wo die erſten Eier gelegt werden, alſo mit dem Mai (April). Wie alſo das genannte zwei Generationen im Jahre hat, gleich vielen anderen Jnſekten, 2*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/31>, abgerufen am 20.04.2024.