Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Mundtheile.
Zerstörung menschlichen Eigenthums. Man denke nur an die Verwüstungen, welche kleine, kaum
2 Linien lange Käferchen am Holzwerk unserer Wohnungen, an Waldflächen anrichten können,
deren Tausende von Morgen durch ihren Zahn zu Grunde gerichtet wurden. Wer ein Maß für
die beißende Kraft zu haben wünscht, stecke nur seinen Finger zwischen die geweihförmigen Kinn-
backen eines männlichen Hirschkäfers oder lasse sich von den kurzen Zangen des weiblichen noch
kräftiger fassen, daß aber im letzteren Falle Blut fließen werde, darauf mache er sich nur gefaßt.
Selbst Metall, wenn auch nur das weiche Blei, vermag den Zangen keinen Widerstand zu leisten.
Es liegen mehrere Beispiele vor, wo von Jnsektenlarven bewohntes Holz zu Schiffsplanken oder
in Schwefelsäure-Fabriken verwandt und mit Bleiplatten überzogen wurde. Als für den Jnsassen
die Zeit gekommen war, sich seines geflügelten Daseins zu erfreuen, wozu das Verlassen des
dunklen Kerkers die Vorbedingung war, mußte nach dem Holze auch die Bleischicht durchdrungen
werden, und siehe da, es gelang.

Die Entomologen haben die Namen der Tapfern in den Annalen verzeichnet: Callidium
bajulus,
die Schulmeister nennen ihn den "Hausbock", Apate capucina, Bostrichus und zwar
ungenannte Art der eben erwähnten Waldverderber, und außer diesen Käfern Sirex gigas und
juvencus, zwei Holzwespen, deren nähere Bekanntschaft wir später noch machen werden.

Den beißenden Mundtheilen stehen die saugenden gegenüber, die bei den verschiedenen
Jnsekten verschieden eingerichtet sind, sich in ihren Theilen aber auf die dort vorkommenden zurück-
führen lassen. Bei Wanzen, Cikaden und Blattläusen bilden sie einen Schnabel (Fig. 9), eine
drei- bis viergliedrige Röhre, die Scheide oder das Futteral, die durch Biegung etwas verkürzt
werden kann und in ihrem engen Hohlraume vier feine, dicht aneinander schließende Borsten
birgt. Jn dieser Einrichtung besitzt das Thier einen Saugapparat, welcher ihm durch Einstechen
der Borstenspitzen in thierische oder pflanzliche Körper den ernährenden Saft zuführt. Ein schmales,
dreieckiges Hornplättchen am Grunde der Scheide (o) entspricht der Oberlippe, sie selbst der Unter-
lippe und die vier Vorsten im Jnneren den beiden Kieferpaaren; von Tastern will man hie und
da schwache Andeutungen gefunden haben. Der Schnabel, manchmal von der Länge des Kopfes,
ja des ganzen Körpers, meist die Mitte zwischen den Extremen haltend, legt sich in der Ruhe
an die Kehle und Brust an, beim Gebrauche richtet er sich aber unter einem rechten oder stumpfen
Winkel auf, je nach der Bequemlichkeit. Ein kurzer, dicker Schnabel krümmt sich wohl auch nach
unten um und muß unverändert dieselbe Stellung behalten.

Kaum zusammengesetzter ist die Einrichtung des Rüssels, wie man bei Fliegen und Mücken
den Saugapparat nennt. Jn seiner Vollständigkeit kann er bestehen aus der, den Mund von
unten schließenden Unterlippe (a Fig. 11), die sich allermeist nach vorn verlängert, fleischig ist
und entschieden den am vollkommensten entwickelten Theil des Ganzen ausmacht. Wenn, wie
beispielsweise bei unserer Stubenfliege, die Unterlippe in einen zweitheiligen, fleischigen, breiten,
neben einander gelegten Anhang endigt, der manchmal wie ein Hämmerchen aussieht, was
auf ihr als dem Stiele sitzt, so nennt man den ganzen Apparat einen Saugrüssel (Fig. 11);
bei einem solchen pflegen die übrigen Theile mehr oder weniger zu verkümmern. Der Unterlippe
gegenüber liegt die meist hornige Oberlippe und zwischen beiden schließen sich die übrigen Stücke,
die beiden Kieferpaare und die Zunge (b) als Borsten, jene auch als messerförmige Werkzeuge
eng aneinander an, sind aber selten alle vollkommen entwickelt. Diese Borsten (Mundborsten),
wie man sie schlechthin auch nennt, können empfindlich stechen, wovon uns unter anderen die
blutdürstigen Mücken einen Beweis liefern, und dergleichen Rüssel hat man darum unter dem
Namen der Stechrüssel den ebengenannten entgegengestellt. Bald näher der Mundöffnung
gerückt, bald weiter von ihr entfernt stehen nach oben am Stamme der Unterlippe die ein- bis
viergliedrigen Lippentaster (c), die nach Form und sonstiger Beschaffenheit oft gute Unterscheidungs-
merkmale abgeben können.

Die Mundtheile.
Zerſtörung menſchlichen Eigenthums. Man denke nur an die Verwüſtungen, welche kleine, kaum
2 Linien lange Käferchen am Holzwerk unſerer Wohnungen, an Waldflächen anrichten können,
deren Tauſende von Morgen durch ihren Zahn zu Grunde gerichtet wurden. Wer ein Maß für
die beißende Kraft zu haben wünſcht, ſtecke nur ſeinen Finger zwiſchen die geweihförmigen Kinn-
backen eines männlichen Hirſchkäfers oder laſſe ſich von den kurzen Zangen des weiblichen noch
kräftiger faſſen, daß aber im letzteren Falle Blut fließen werde, darauf mache er ſich nur gefaßt.
Selbſt Metall, wenn auch nur das weiche Blei, vermag den Zangen keinen Widerſtand zu leiſten.
Es liegen mehrere Beiſpiele vor, wo von Jnſektenlarven bewohntes Holz zu Schiffsplanken oder
in Schwefelſäure-Fabriken verwandt und mit Bleiplatten überzogen wurde. Als für den Jnſaſſen
die Zeit gekommen war, ſich ſeines geflügelten Daſeins zu erfreuen, wozu das Verlaſſen des
dunklen Kerkers die Vorbedingung war, mußte nach dem Holze auch die Bleiſchicht durchdrungen
werden, und ſiehe da, es gelang.

Die Entomologen haben die Namen der Tapfern in den Annalen verzeichnet: Callidium
bajulus,
die Schulmeiſter nennen ihn den „Hausbock“, Apaté capucina, Bostrichus und zwar
ungenannte Art der eben erwähnten Waldverderber, und außer dieſen Käfern Sirex gigas und
juvencus, zwei Holzwespen, deren nähere Bekanntſchaft wir ſpäter noch machen werden.

Den beißenden Mundtheilen ſtehen die ſaugenden gegenüber, die bei den verſchiedenen
Jnſekten verſchieden eingerichtet ſind, ſich in ihren Theilen aber auf die dort vorkommenden zurück-
führen laſſen. Bei Wanzen, Cikaden und Blattläuſen bilden ſie einen Schnabel (Fig. 9), eine
drei- bis viergliedrige Röhre, die Scheide oder das Futteral, die durch Biegung etwas verkürzt
werden kann und in ihrem engen Hohlraume vier feine, dicht aneinander ſchließende Borſten
birgt. Jn dieſer Einrichtung beſitzt das Thier einen Saugapparat, welcher ihm durch Einſtechen
der Borſtenſpitzen in thieriſche oder pflanzliche Körper den ernährenden Saft zuführt. Ein ſchmales,
dreieckiges Hornplättchen am Grunde der Scheide (o) entſpricht der Oberlippe, ſie ſelbſt der Unter-
lippe und die vier Vorſten im Jnneren den beiden Kieferpaaren; von Taſtern will man hie und
da ſchwache Andeutungen gefunden haben. Der Schnabel, manchmal von der Länge des Kopfes,
ja des ganzen Körpers, meiſt die Mitte zwiſchen den Extremen haltend, legt ſich in der Ruhe
an die Kehle und Bruſt an, beim Gebrauche richtet er ſich aber unter einem rechten oder ſtumpfen
Winkel auf, je nach der Bequemlichkeit. Ein kurzer, dicker Schnabel krümmt ſich wohl auch nach
unten um und muß unverändert dieſelbe Stellung behalten.

Kaum zuſammengeſetzter iſt die Einrichtung des Rüſſels, wie man bei Fliegen und Mücken
den Saugapparat nennt. Jn ſeiner Vollſtändigkeit kann er beſtehen aus der, den Mund von
unten ſchließenden Unterlippe (a Fig. 11), die ſich allermeiſt nach vorn verlängert, fleiſchig iſt
und entſchieden den am vollkommenſten entwickelten Theil des Ganzen ausmacht. Wenn, wie
beiſpielsweiſe bei unſerer Stubenfliege, die Unterlippe in einen zweitheiligen, fleiſchigen, breiten,
neben einander gelegten Anhang endigt, der manchmal wie ein Hämmerchen ausſieht, was
auf ihr als dem Stiele ſitzt, ſo nennt man den ganzen Apparat einen Saugrüſſel (Fig. 11);
bei einem ſolchen pflegen die übrigen Theile mehr oder weniger zu verkümmern. Der Unterlippe
gegenüber liegt die meiſt hornige Oberlippe und zwiſchen beiden ſchließen ſich die übrigen Stücke,
die beiden Kieferpaare und die Zunge (b) als Borſten, jene auch als meſſerförmige Werkzeuge
eng aneinander an, ſind aber ſelten alle vollkommen entwickelt. Dieſe Borſten (Mundborſten),
wie man ſie ſchlechthin auch nennt, können empfindlich ſtechen, wovon uns unter anderen die
blutdürſtigen Mücken einen Beweis liefern, und dergleichen Rüſſel hat man darum unter dem
Namen der Stechrüſſel den ebengenannten entgegengeſtellt. Bald näher der Mundöffnung
gerückt, bald weiter von ihr entfernt ſtehen nach oben am Stamme der Unterlippe die ein- bis
viergliedrigen Lippentaſter (c), die nach Form und ſonſtiger Beſchaffenheit oft gute Unterſcheidungs-
merkmale abgeben können.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <p><pb facs="#f0019" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Mundtheile.</hi></fw><lb/>
Zer&#x017F;törung men&#x017F;chlichen Eigenthums. Man denke nur an die Verwü&#x017F;tungen, welche kleine, kaum<lb/>
2 Linien lange Käferchen am Holzwerk un&#x017F;erer Wohnungen, an Waldflächen anrichten können,<lb/>
deren Tau&#x017F;ende von Morgen durch ihren Zahn zu Grunde gerichtet wurden. Wer ein Maß für<lb/>
die beißende Kraft zu haben wün&#x017F;cht, &#x017F;tecke nur &#x017F;einen Finger zwi&#x017F;chen die geweihförmigen Kinn-<lb/>
backen eines männlichen Hir&#x017F;chkäfers oder la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich von den kurzen Zangen des weiblichen noch<lb/>
kräftiger fa&#x017F;&#x017F;en, daß aber im letzteren Falle Blut fließen werde, darauf mache er &#x017F;ich nur gefaßt.<lb/>
Selb&#x017F;t Metall, wenn auch nur das weiche Blei, vermag den Zangen keinen Wider&#x017F;tand zu lei&#x017F;ten.<lb/>
Es liegen mehrere Bei&#x017F;piele vor, wo von Jn&#x017F;ektenlarven bewohntes Holz zu Schiffsplanken oder<lb/>
in Schwefel&#x017F;äure-Fabriken verwandt und mit Bleiplatten überzogen wurde. Als für den Jn&#x017F;a&#x017F;&#x017F;en<lb/>
die Zeit gekommen war, &#x017F;ich &#x017F;eines geflügelten Da&#x017F;eins zu erfreuen, wozu das Verla&#x017F;&#x017F;en des<lb/>
dunklen Kerkers die Vorbedingung war, mußte nach dem Holze auch die Blei&#x017F;chicht durchdrungen<lb/>
werden, und &#x017F;iehe da, es gelang.</p><lb/>
            <p>Die Entomologen haben die Namen der Tapfern in den Annalen verzeichnet: <hi rendition="#aq">Callidium<lb/>
bajulus,</hi> die Schulmei&#x017F;ter nennen ihn den &#x201E;Hausbock&#x201C;, <hi rendition="#aq">Apaté capucina, Bostrichus</hi> und zwar<lb/>
ungenannte Art der eben erwähnten Waldverderber, und außer die&#x017F;en Käfern <hi rendition="#aq">Sirex gigas</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">juvencus,</hi> zwei Holzwespen, deren nähere Bekannt&#x017F;chaft wir &#x017F;päter noch machen werden.</p><lb/>
            <p>Den beißenden Mundtheilen &#x017F;tehen die <hi rendition="#g">&#x017F;augenden</hi> gegenüber, die bei den ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Jn&#x017F;ekten ver&#x017F;chieden eingerichtet &#x017F;ind, &#x017F;ich in ihren Theilen aber auf die dort vorkommenden zurück-<lb/>
führen la&#x017F;&#x017F;en. Bei Wanzen, Cikaden und Blattläu&#x017F;en bilden &#x017F;ie einen <hi rendition="#g">Schnabel</hi> (Fig. 9), eine<lb/>
drei- bis viergliedrige Röhre, die <hi rendition="#g">Scheide</hi> oder das Futteral, die durch Biegung etwas verkürzt<lb/>
werden kann und in ihrem engen Hohlraume vier feine, dicht aneinander &#x017F;chließende Bor&#x017F;ten<lb/>
birgt. Jn die&#x017F;er Einrichtung be&#x017F;itzt das Thier einen Saugapparat, welcher ihm durch Ein&#x017F;techen<lb/>
der Bor&#x017F;ten&#x017F;pitzen in thieri&#x017F;che oder pflanzliche Körper den ernährenden Saft zuführt. Ein &#x017F;chmales,<lb/>
dreieckiges Hornplättchen am Grunde der Scheide (<hi rendition="#aq">o</hi>) ent&#x017F;pricht der Oberlippe, &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t der Unter-<lb/>
lippe und die vier Vor&#x017F;ten im Jnneren den beiden Kieferpaaren; von Ta&#x017F;tern will man hie und<lb/>
da &#x017F;chwache Andeutungen gefunden haben. Der Schnabel, manchmal von der Länge des Kopfes,<lb/>
ja des ganzen Körpers, mei&#x017F;t die Mitte zwi&#x017F;chen den Extremen haltend, legt &#x017F;ich in der Ruhe<lb/>
an die Kehle und Bru&#x017F;t an, beim Gebrauche richtet er &#x017F;ich aber unter einem rechten oder &#x017F;tumpfen<lb/>
Winkel auf, je nach der Bequemlichkeit. Ein kurzer, dicker Schnabel krümmt &#x017F;ich wohl auch nach<lb/>
unten um und muß unverändert die&#x017F;elbe Stellung behalten.</p><lb/>
            <p>Kaum zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzter i&#x017F;t die Einrichtung des <hi rendition="#g">&#x017F;&#x017F;els,</hi> wie man bei Fliegen und Mücken<lb/>
den Saugapparat nennt. Jn &#x017F;einer Voll&#x017F;tändigkeit kann er be&#x017F;tehen aus der, den Mund von<lb/>
unten &#x017F;chließenden Unterlippe (<hi rendition="#aq">a</hi> Fig. 11), die &#x017F;ich allermei&#x017F;t nach vorn verlängert, flei&#x017F;chig i&#x017F;t<lb/>
und ent&#x017F;chieden den am vollkommen&#x017F;ten entwickelten Theil des Ganzen ausmacht. Wenn, wie<lb/>
bei&#x017F;pielswei&#x017F;e bei un&#x017F;erer Stubenfliege, die Unterlippe in einen zweitheiligen, flei&#x017F;chigen, breiten,<lb/><hi rendition="#g">neben einander gelegten</hi> Anhang endigt, der manchmal wie ein Hämmerchen aus&#x017F;ieht, was<lb/>
auf ihr als dem Stiele &#x017F;itzt, &#x017F;o nennt man den ganzen Apparat einen <hi rendition="#g">Saugrü&#x017F;&#x017F;el</hi> (Fig. 11);<lb/>
bei einem &#x017F;olchen pflegen die übrigen Theile mehr oder weniger zu verkümmern. Der Unterlippe<lb/>
gegenüber liegt die mei&#x017F;t hornige Oberlippe und zwi&#x017F;chen beiden &#x017F;chließen &#x017F;ich die übrigen Stücke,<lb/>
die beiden Kieferpaare und die Zunge (<hi rendition="#aq">b</hi>) als Bor&#x017F;ten, jene auch als me&#x017F;&#x017F;erförmige Werkzeuge<lb/>
eng aneinander an, &#x017F;ind aber &#x017F;elten alle vollkommen entwickelt. Die&#x017F;e Bor&#x017F;ten (Mundbor&#x017F;ten),<lb/>
wie man &#x017F;ie &#x017F;chlechthin auch nennt, können empfindlich &#x017F;techen, wovon uns unter anderen die<lb/>
blutdür&#x017F;tigen Mücken einen Beweis liefern, und dergleichen Rü&#x017F;&#x017F;el hat man darum unter dem<lb/>
Namen der <hi rendition="#g">Stechrü&#x017F;&#x017F;el</hi> den ebengenannten entgegenge&#x017F;tellt. Bald näher der Mundöffnung<lb/>
gerückt, bald weiter von ihr entfernt &#x017F;tehen nach oben am Stamme der Unterlippe die ein- bis<lb/>
viergliedrigen Lippenta&#x017F;ter (<hi rendition="#aq">c</hi>), die nach Form und &#x017F;on&#x017F;tiger Be&#x017F;chaffenheit oft gute Unter&#x017F;cheidungs-<lb/>
merkmale abgeben können.</p><lb/>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0019] Die Mundtheile. Zerſtörung menſchlichen Eigenthums. Man denke nur an die Verwüſtungen, welche kleine, kaum 2 Linien lange Käferchen am Holzwerk unſerer Wohnungen, an Waldflächen anrichten können, deren Tauſende von Morgen durch ihren Zahn zu Grunde gerichtet wurden. Wer ein Maß für die beißende Kraft zu haben wünſcht, ſtecke nur ſeinen Finger zwiſchen die geweihförmigen Kinn- backen eines männlichen Hirſchkäfers oder laſſe ſich von den kurzen Zangen des weiblichen noch kräftiger faſſen, daß aber im letzteren Falle Blut fließen werde, darauf mache er ſich nur gefaßt. Selbſt Metall, wenn auch nur das weiche Blei, vermag den Zangen keinen Widerſtand zu leiſten. Es liegen mehrere Beiſpiele vor, wo von Jnſektenlarven bewohntes Holz zu Schiffsplanken oder in Schwefelſäure-Fabriken verwandt und mit Bleiplatten überzogen wurde. Als für den Jnſaſſen die Zeit gekommen war, ſich ſeines geflügelten Daſeins zu erfreuen, wozu das Verlaſſen des dunklen Kerkers die Vorbedingung war, mußte nach dem Holze auch die Bleiſchicht durchdrungen werden, und ſiehe da, es gelang. Die Entomologen haben die Namen der Tapfern in den Annalen verzeichnet: Callidium bajulus, die Schulmeiſter nennen ihn den „Hausbock“, Apaté capucina, Bostrichus und zwar ungenannte Art der eben erwähnten Waldverderber, und außer dieſen Käfern Sirex gigas und juvencus, zwei Holzwespen, deren nähere Bekanntſchaft wir ſpäter noch machen werden. Den beißenden Mundtheilen ſtehen die ſaugenden gegenüber, die bei den verſchiedenen Jnſekten verſchieden eingerichtet ſind, ſich in ihren Theilen aber auf die dort vorkommenden zurück- führen laſſen. Bei Wanzen, Cikaden und Blattläuſen bilden ſie einen Schnabel (Fig. 9), eine drei- bis viergliedrige Röhre, die Scheide oder das Futteral, die durch Biegung etwas verkürzt werden kann und in ihrem engen Hohlraume vier feine, dicht aneinander ſchließende Borſten birgt. Jn dieſer Einrichtung beſitzt das Thier einen Saugapparat, welcher ihm durch Einſtechen der Borſtenſpitzen in thieriſche oder pflanzliche Körper den ernährenden Saft zuführt. Ein ſchmales, dreieckiges Hornplättchen am Grunde der Scheide (o) entſpricht der Oberlippe, ſie ſelbſt der Unter- lippe und die vier Vorſten im Jnneren den beiden Kieferpaaren; von Taſtern will man hie und da ſchwache Andeutungen gefunden haben. Der Schnabel, manchmal von der Länge des Kopfes, ja des ganzen Körpers, meiſt die Mitte zwiſchen den Extremen haltend, legt ſich in der Ruhe an die Kehle und Bruſt an, beim Gebrauche richtet er ſich aber unter einem rechten oder ſtumpfen Winkel auf, je nach der Bequemlichkeit. Ein kurzer, dicker Schnabel krümmt ſich wohl auch nach unten um und muß unverändert dieſelbe Stellung behalten. Kaum zuſammengeſetzter iſt die Einrichtung des Rüſſels, wie man bei Fliegen und Mücken den Saugapparat nennt. Jn ſeiner Vollſtändigkeit kann er beſtehen aus der, den Mund von unten ſchließenden Unterlippe (a Fig. 11), die ſich allermeiſt nach vorn verlängert, fleiſchig iſt und entſchieden den am vollkommenſten entwickelten Theil des Ganzen ausmacht. Wenn, wie beiſpielsweiſe bei unſerer Stubenfliege, die Unterlippe in einen zweitheiligen, fleiſchigen, breiten, neben einander gelegten Anhang endigt, der manchmal wie ein Hämmerchen ausſieht, was auf ihr als dem Stiele ſitzt, ſo nennt man den ganzen Apparat einen Saugrüſſel (Fig. 11); bei einem ſolchen pflegen die übrigen Theile mehr oder weniger zu verkümmern. Der Unterlippe gegenüber liegt die meiſt hornige Oberlippe und zwiſchen beiden ſchließen ſich die übrigen Stücke, die beiden Kieferpaare und die Zunge (b) als Borſten, jene auch als meſſerförmige Werkzeuge eng aneinander an, ſind aber ſelten alle vollkommen entwickelt. Dieſe Borſten (Mundborſten), wie man ſie ſchlechthin auch nennt, können empfindlich ſtechen, wovon uns unter anderen die blutdürſtigen Mücken einen Beweis liefern, und dergleichen Rüſſel hat man darum unter dem Namen der Stechrüſſel den ebengenannten entgegengeſtellt. Bald näher der Mundöffnung gerückt, bald weiter von ihr entfernt ſtehen nach oben am Stamme der Unterlippe die ein- bis viergliedrigen Lippentaſter (c), die nach Form und ſonſtiger Beſchaffenheit oft gute Unterſcheidungs- merkmale abgeben können.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/19
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/19>, abgerufen am 18.04.2024.