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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Allgemeines.
kröten des Orinoko sich jährlich zusammen zu finden scheinen, liegen zwischen dem Zusammenflusse
des Orinoko und Apure und den großen Fällen oder Raudales, und hier finden sich die drei
berühmtesten Fangplätze. Eine Art, die Arrauschildkröte, geht, wie es scheint, nicht über die Fälle
hinauf, und wie man uns versichert, kommen oberhalb Atures und Maypures nur Terekayschild-
kröten vor.

"Die große Schildkröte, der Arrau, ein furchtsames, scheues Thier, welches den Kopf über das
Wasser steckt und beim leisesten Geräusch sich versteckt, meidet von Menschen bewohnte oder von Booten
beunruhigte Uferstrecken. Sie ist eine große Süßwasserschildkröte mit Schwimmfüßen, sehr plattem
Kopfe, zwei fleischigen, sehr spitzigen Anhängen unter dem Kinne, mit fünf Zehen an den Vorder-
und vier an den Hinterfüßen, die unterhalb gefurcht sind. Der Rückenpanzer hat fünf Mittel-, acht
seitliche und vierundzwanzig Randschilder; er ist oben schwarzgrau, unten orangegelb; die langen
Füße sehen ebenso aus. Zwischen dem Auge ist eine sehr tiefe Furche. Die Nägel sind sehr stark
und gebogen. Die Afteröffnung befindet sich am letzten Fünftheile des Schwanzes. Das erwachsene
Thier wiegt vierzig bis funfzig Pfund. Die Eier, weit größer als Taubeneier, haben eine Kalkschale
und sollen so fest sein, daß die Kinder der Otomaken, welche eifrige Vallspieler sind, sie einander
zuwerfen können. Der Terekay ist kleiner als der Arrau, hat meist nur vierzehn Zoll Durchmesser;
der Panzer zählt ebenso viele Platten; sie sind aber etwas anders vertheilt. Jch zählte vier Mittel-,
je fünf sechseckige seitliche und vierundzwanzig vierseitige, stark gebogene Randplatten. Die Färbung
des Schildes ist schwarz mit grünlichem Anfluge; Nägel und Füße sind wie beim Arrau, die nackten
Theile olivengrün; auf dem Kopfe stehen zwei aus Roth und Gelb gemischte Flecken; der Hals, welcher
einen stacheligen Anhalt trägt, ist gelb. Die Terekays thun sich nicht in so großen Schwärmen
zusammen, wie die Arraus, um die Eier zusammen auf demselben Ufer zu legen. Letztere haben
einen angenehmen Geschmack und sind bei den Bewohnern von spanisch Guyana sehr gesucht. Der
Arrau geht nicht über die Fälle hinauf; der Terekay kommt sowohl im oberen Orinoko, als unterhalb
der Fälle vor, ebenso im Apure, Urituku, Guariko und den kleinen Flüssen, welche durch die Llanos
von Caracas laufen.

"Die Zeit, in welcher der Arrau seine Eier legt, fällt mit dem niedrigsten Wasserstande zusammen.
Da der Orinoko von der Frühlings- Tag- und Nachtgleiche an zu steigen beginnt, so liegen von An-
fang Januars bis zum 20. oder 25. März die tiefsten Uferstrecken trocken. Die Arraus sammeln sich
schon im Januar in große Schwärme, gehen aus dem Wasser und wärmen sich auf dem Sande in der
Sonne, weil sie, nach Ansicht der Jndianer, zu ihrem Wohlbefinden nothwendig starker Hitze bedürfen,
und die Sonne das Eierlegen befördert. Während des Februars findet man die Arraus fast den
ganzen Tag auf dem Ufer. Anfangs März vereinigen sich die zerstreuten Haufen und schwimmen nun
zu den wenigen Jnseln, auf denen sie gewöhnlich ihre Eier legen: wahrscheinlich kommt dieselbe Schild-
kröte jedes Jahr an dasselbe Ufer. Wenige Tage vor dem Legen erscheinen viele Tausende von ihnen
in langen Reihen an den Ufern der Jnseln Cucuruparu, Uruana und Pararuma, recken den Hals und
halten den Kopf über dem Wasser, ausschauend, ob nichts von Tigern oder Menschen zu fürchten ist.
Die Jndianer, denen viel daran liegt, daß die vereinigten Schwärme auch zusammenbleiben, stellen
längs des Ufers Wachen auf, damit sich die Thiere nicht zerstreuen, sondern in aller Ruhe ihre Eier
legen können. Man bedeutet den Fahrzeugen, sich "mitten im Strome zu halten und die Schildkröten
nicht durch ihr Geschrei zu verscheuchen.

"Die Eier werden immer bei Nacht gelegt, aber gleich von Sonnenuntergang an. Das Thier
gräbt mit seinen Hinterfüßen, die sehr lang sind und krumme Klauen haben, ein drei Fuß weites und
zwei Fuß tiefes Loch, dessen Wände es, um den Sand zu befestigen, nach Behauptung der Jndianer,
mit seinem Harne benetzen soll. Der Drang zum Eierlegen ist so stark, daß manche Schildkröten in
die von anderen gegrabenen, noch nicht wieder mit Erde ausgefüllten Löcher hinabgehen und auf die
frischgelegte Eierschicht noch eine zweite legen. Bei diesem stürmischen Durcheinander werden so
viele Eier zerbrochen, daß der Verlust, wie der Missionär uns durch den Augenschein belehrte, ein

Brehm, Thierleben. V. 3

Allgemeines.
kröten des Orinoko ſich jährlich zuſammen zu finden ſcheinen, liegen zwiſchen dem Zuſammenfluſſe
des Orinoko und Apure und den großen Fällen oder Raudales, und hier finden ſich die drei
berühmteſten Fangplätze. Eine Art, die Arráuſchildkröte, geht, wie es ſcheint, nicht über die Fälle
hinauf, und wie man uns verſichert, kommen oberhalb Atures und Maypures nur Terekayſchild-
kröten vor.

„Die große Schildkröte, der Arráu, ein furchtſames, ſcheues Thier, welches den Kopf über das
Waſſer ſteckt und beim leiſeſten Geräuſch ſich verſteckt, meidet von Menſchen bewohnte oder von Booten
beunruhigte Uferſtrecken. Sie iſt eine große Süßwaſſerſchildkröte mit Schwimmfüßen, ſehr plattem
Kopfe, zwei fleiſchigen, ſehr ſpitzigen Anhängen unter dem Kinne, mit fünf Zehen an den Vorder-
und vier an den Hinterfüßen, die unterhalb gefurcht ſind. Der Rückenpanzer hat fünf Mittel-, acht
ſeitliche und vierundzwanzig Randſchilder; er iſt oben ſchwarzgrau, unten orangegelb; die langen
Füße ſehen ebenſo aus. Zwiſchen dem Auge iſt eine ſehr tiefe Furche. Die Nägel ſind ſehr ſtark
und gebogen. Die Afteröffnung befindet ſich am letzten Fünftheile des Schwanzes. Das erwachſene
Thier wiegt vierzig bis funfzig Pfund. Die Eier, weit größer als Taubeneier, haben eine Kalkſchale
und ſollen ſo feſt ſein, daß die Kinder der Otomaken, welche eifrige Vallſpieler ſind, ſie einander
zuwerfen können. Der Terekay iſt kleiner als der Arráu, hat meiſt nur vierzehn Zoll Durchmeſſer;
der Panzer zählt ebenſo viele Platten; ſie ſind aber etwas anders vertheilt. Jch zählte vier Mittel-,
je fünf ſechseckige ſeitliche und vierundzwanzig vierſeitige, ſtark gebogene Randplatten. Die Färbung
des Schildes iſt ſchwarz mit grünlichem Anfluge; Nägel und Füße ſind wie beim Arráu, die nackten
Theile olivengrün; auf dem Kopfe ſtehen zwei aus Roth und Gelb gemiſchte Flecken; der Hals, welcher
einen ſtacheligen Anhalt trägt, iſt gelb. Die Terekays thun ſich nicht in ſo großen Schwärmen
zuſammen, wie die Arráus, um die Eier zuſammen auf demſelben Ufer zu legen. Letztere haben
einen angenehmen Geſchmack und ſind bei den Bewohnern von ſpaniſch Guyana ſehr geſucht. Der
Arráu geht nicht über die Fälle hinauf; der Terekay kommt ſowohl im oberen Orinoko, als unterhalb
der Fälle vor, ebenſo im Apure, Urituku, Guariko und den kleinen Flüſſen, welche durch die Llanos
von Caracas laufen.

„Die Zeit, in welcher der Arráu ſeine Eier legt, fällt mit dem niedrigſten Waſſerſtande zuſammen.
Da der Orinoko von der Frühlings- Tag- und Nachtgleiche an zu ſteigen beginnt, ſo liegen von An-
fang Januars bis zum 20. oder 25. März die tiefſten Uferſtrecken trocken. Die Arráus ſammeln ſich
ſchon im Januar in große Schwärme, gehen aus dem Waſſer und wärmen ſich auf dem Sande in der
Sonne, weil ſie, nach Anſicht der Jndianer, zu ihrem Wohlbefinden nothwendig ſtarker Hitze bedürfen,
und die Sonne das Eierlegen befördert. Während des Februars findet man die Arráus faſt den
ganzen Tag auf dem Ufer. Anfangs März vereinigen ſich die zerſtreuten Haufen und ſchwimmen nun
zu den wenigen Jnſeln, auf denen ſie gewöhnlich ihre Eier legen: wahrſcheinlich kommt dieſelbe Schild-
kröte jedes Jahr an daſſelbe Ufer. Wenige Tage vor dem Legen erſcheinen viele Tauſende von ihnen
in langen Reihen an den Ufern der Jnſeln Cucuruparu, Uruana und Pararuma, recken den Hals und
halten den Kopf über dem Waſſer, ausſchauend, ob nichts von Tigern oder Menſchen zu fürchten iſt.
Die Jndianer, denen viel daran liegt, daß die vereinigten Schwärme auch zuſammenbleiben, ſtellen
längs des Ufers Wachen auf, damit ſich die Thiere nicht zerſtreuen, ſondern in aller Ruhe ihre Eier
legen können. Man bedeutet den Fahrzeugen, ſich „mitten im Strome zu halten und die Schildkröten
nicht durch ihr Geſchrei zu verſcheuchen.

„Die Eier werden immer bei Nacht gelegt, aber gleich von Sonnenuntergang an. Das Thier
gräbt mit ſeinen Hinterfüßen, die ſehr lang ſind und krumme Klauen haben, ein drei Fuß weites und
zwei Fuß tiefes Loch, deſſen Wände es, um den Sand zu befeſtigen, nach Behauptung der Jndianer,
mit ſeinem Harne benetzen ſoll. Der Drang zum Eierlegen iſt ſo ſtark, daß manche Schildkröten in
die von anderen gegrabenen, noch nicht wieder mit Erde ausgefüllten Löcher hinabgehen und auf die
friſchgelegte Eierſchicht noch eine zweite legen. Bei dieſem ſtürmiſchen Durcheinander werden ſo
viele Eier zerbrochen, daß der Verluſt, wie der Miſſionär uns durch den Augenſchein belehrte, ein

Brehm, Thierleben. V. 3
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[33/0045] Allgemeines. kröten des Orinoko ſich jährlich zuſammen zu finden ſcheinen, liegen zwiſchen dem Zuſammenfluſſe des Orinoko und Apure und den großen Fällen oder Raudales, und hier finden ſich die drei berühmteſten Fangplätze. Eine Art, die Arráuſchildkröte, geht, wie es ſcheint, nicht über die Fälle hinauf, und wie man uns verſichert, kommen oberhalb Atures und Maypures nur Terekayſchild- kröten vor. „Die große Schildkröte, der Arráu, ein furchtſames, ſcheues Thier, welches den Kopf über das Waſſer ſteckt und beim leiſeſten Geräuſch ſich verſteckt, meidet von Menſchen bewohnte oder von Booten beunruhigte Uferſtrecken. Sie iſt eine große Süßwaſſerſchildkröte mit Schwimmfüßen, ſehr plattem Kopfe, zwei fleiſchigen, ſehr ſpitzigen Anhängen unter dem Kinne, mit fünf Zehen an den Vorder- und vier an den Hinterfüßen, die unterhalb gefurcht ſind. Der Rückenpanzer hat fünf Mittel-, acht ſeitliche und vierundzwanzig Randſchilder; er iſt oben ſchwarzgrau, unten orangegelb; die langen Füße ſehen ebenſo aus. Zwiſchen dem Auge iſt eine ſehr tiefe Furche. Die Nägel ſind ſehr ſtark und gebogen. Die Afteröffnung befindet ſich am letzten Fünftheile des Schwanzes. Das erwachſene Thier wiegt vierzig bis funfzig Pfund. Die Eier, weit größer als Taubeneier, haben eine Kalkſchale und ſollen ſo feſt ſein, daß die Kinder der Otomaken, welche eifrige Vallſpieler ſind, ſie einander zuwerfen können. Der Terekay iſt kleiner als der Arráu, hat meiſt nur vierzehn Zoll Durchmeſſer; der Panzer zählt ebenſo viele Platten; ſie ſind aber etwas anders vertheilt. Jch zählte vier Mittel-, je fünf ſechseckige ſeitliche und vierundzwanzig vierſeitige, ſtark gebogene Randplatten. Die Färbung des Schildes iſt ſchwarz mit grünlichem Anfluge; Nägel und Füße ſind wie beim Arráu, die nackten Theile olivengrün; auf dem Kopfe ſtehen zwei aus Roth und Gelb gemiſchte Flecken; der Hals, welcher einen ſtacheligen Anhalt trägt, iſt gelb. Die Terekays thun ſich nicht in ſo großen Schwärmen zuſammen, wie die Arráus, um die Eier zuſammen auf demſelben Ufer zu legen. Letztere haben einen angenehmen Geſchmack und ſind bei den Bewohnern von ſpaniſch Guyana ſehr geſucht. Der Arráu geht nicht über die Fälle hinauf; der Terekay kommt ſowohl im oberen Orinoko, als unterhalb der Fälle vor, ebenſo im Apure, Urituku, Guariko und den kleinen Flüſſen, welche durch die Llanos von Caracas laufen. „Die Zeit, in welcher der Arráu ſeine Eier legt, fällt mit dem niedrigſten Waſſerſtande zuſammen. Da der Orinoko von der Frühlings- Tag- und Nachtgleiche an zu ſteigen beginnt, ſo liegen von An- fang Januars bis zum 20. oder 25. März die tiefſten Uferſtrecken trocken. Die Arráus ſammeln ſich ſchon im Januar in große Schwärme, gehen aus dem Waſſer und wärmen ſich auf dem Sande in der Sonne, weil ſie, nach Anſicht der Jndianer, zu ihrem Wohlbefinden nothwendig ſtarker Hitze bedürfen, und die Sonne das Eierlegen befördert. Während des Februars findet man die Arráus faſt den ganzen Tag auf dem Ufer. Anfangs März vereinigen ſich die zerſtreuten Haufen und ſchwimmen nun zu den wenigen Jnſeln, auf denen ſie gewöhnlich ihre Eier legen: wahrſcheinlich kommt dieſelbe Schild- kröte jedes Jahr an daſſelbe Ufer. Wenige Tage vor dem Legen erſcheinen viele Tauſende von ihnen in langen Reihen an den Ufern der Jnſeln Cucuruparu, Uruana und Pararuma, recken den Hals und halten den Kopf über dem Waſſer, ausſchauend, ob nichts von Tigern oder Menſchen zu fürchten iſt. Die Jndianer, denen viel daran liegt, daß die vereinigten Schwärme auch zuſammenbleiben, ſtellen längs des Ufers Wachen auf, damit ſich die Thiere nicht zerſtreuen, ſondern in aller Ruhe ihre Eier legen können. Man bedeutet den Fahrzeugen, ſich „mitten im Strome zu halten und die Schildkröten nicht durch ihr Geſchrei zu verſcheuchen. „Die Eier werden immer bei Nacht gelegt, aber gleich von Sonnenuntergang an. Das Thier gräbt mit ſeinen Hinterfüßen, die ſehr lang ſind und krumme Klauen haben, ein drei Fuß weites und zwei Fuß tiefes Loch, deſſen Wände es, um den Sand zu befeſtigen, nach Behauptung der Jndianer, mit ſeinem Harne benetzen ſoll. Der Drang zum Eierlegen iſt ſo ſtark, daß manche Schildkröten in die von anderen gegrabenen, noch nicht wieder mit Erde ausgefüllten Löcher hinabgehen und auf die friſchgelegte Eierſchicht noch eine zweite legen. Bei dieſem ſtürmiſchen Durcheinander werden ſo viele Eier zerbrochen, daß der Verluſt, wie der Miſſionär uns durch den Augenſchein belehrte, ein Brehm, Thierleben. V. 3

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/45>, abgerufen am 18.04.2024.