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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schildkröten. Landschildkröten. Riesenschildkröten.
welche vormals die Spanier das süße Wasser entdecken ließen. Jn der Rähe der Quellen sah er ein
wunderbares Schauspiel. Eine bedeutende Anzahl der Ungeheuer hatte sich hier versammelt. Manche
kamen mit ausgestrecktem Halse an, andere gingen langsam wieder weg, nachdem sie ihren Durst
gestillt hatten. Ohne den Zuschauer zu beachten, steckten die Angelangten den Kopf bis über die
Augen in das Wasser und verschluckten einen Mund voll Getränk nach dem anderen, ungefähr zehn
Schlucke im Verlaufe einer Minute. Die Eingebornen versicherten, daß jedes Thier drei bis vier
Tage in der Nachbarschaft verweile und dann wieder nach den niederen Gegenden zurückkehre. Noch
eine geraume Zeit nach ihrem Besuche an den Trinkstellen soll der Magen durch die Flüssigkeit aus-
gedehnt sein, letztere aber nach und nach abnehmen und ebenso an Reinheit verlieren. Die Ein-
gebornen, welche Dies wissen, sollen, wenn sie in den höheren Orten von Durst gequält werden, die
Schildkröten tödten und das von ihnen verschluckte Wasser trinken. Jn dem Magen von einer, welche
gedachter Forscher getödtet sah, war die Flüssigkeit noch sehr rein und hatte nur einen schwachen
bitteren Geschmack. Die Eingebornen trinken, wie Darwin versichert, stets zuerst das Wasser des
Herzbeutels (?), welches als das beste gilt.

Die Elefantenschildkröte legt binnen zehn Minuten etwa sechzig Ellen zurück, wandert aber,
wenn sie der Durst zum Wasser treibt, Tag und Nacht. Hinsichtlich ihrer Sitten und Gewohnheiten
unterscheiden sich die Riesenschildkröten von den Verwandten nicht. Auch sie sind träge, gleichgültig
und gefühllos, können lange hungern, dann aber auch außerordentlich viel fressen. Auf den Gallo-
pagosinseln leben sie hauptsächlich von Kaktusarten, auf anderen Jnseln fressen sie Gras, und Dies
habe ich auch von Gefangenen gesehen, welche begierig weideten, oder richtiger große, dicke Grasbüsche
abbissen und abrupften, kauend zu Ballen formten und dann verschlangen. Die Erwachsenen
bekümmern sich übrigens um die Außenwelt so gut als nicht. Es scheint, meint Darwin, als ob
sie taub wären; wenigstens merken sie einen Menschen, der ihnen nachgeht, nicht eher, als bis derselbe
neben ihnen steht und sie ihn sehen: dann freilich ziehen sie ihre Glieder eilig unter die Schale. Nach
einer geraumen Zeit bewegen sie sich weiter, und nunmehr scheint es ihnen gleichgültig zu sein, ob man
sich auf sie gesetzt hat oder sie unbelästigt fürder ziehen läßt. Darwin sagt, daß sie zu gehen beginnen,
wenn man sie mit einem Stocke auf das Hinterstück ihres Schildes schlägt; die Gefangenen, mit
welchen ich verkehrte, gingen auch ohne derartige Aufforderung weiter. Jch bin im Zweifel geblieben,
ob sie zu ihrem Pfleger eine gewisse Anhänglichkeit zeigen: zuweilen schien mir Dies der Fall zu sein,
zuweilen wieder benahmen sie sich ihm gegenüber ebenso wie gegen jeden Fremden auch.

Das Weibchen legt seine weißen, runden, über zwei Zoll langen Eier in eine Grube im Sande
oder auf felsigem Boden in Höhlungen ab und sucht sie wo möglich zuzudecken. Die Jungen werden
in großer Anzahl von Raubvögeln verzehrt, die Alten aber, mit Ausnahme des Menschen, von keinem
Feinde belästigt. Ueberall, wo Riesenschildkröten vorkommen, stellt man ihnen des Fleisches und des
Fettes wegen nach. Ersteres wird frisch und gesalzen verbraucht, aus letzterem ein schönes, helles
Oel bereitet. Auf den Gallopagosinseln untersucht man die Gefangenen bezüglich ihrer Feistig-
keit in einer höchst grausamen Weise, indem man ihnen neben dem Schwanze ein Loch in die
Haut schneidet und nachsieht, ob viel oder wenig Fett unter dem Rückenschilde liegt. Findet man,
daß sie mager ist, so läßt man sie wieder frei, und die Wunde heilt, anscheinend ohne dem Thiere
besondere Schmerzen zu verursachen. Darwin wurde versichert, daß man nie eine finde, von der
man glauben könne, sie sei eines natürlichen Todes gestorben, und schließt daraus, daß sie niemals alt
werden könne. Lawson, welcher damals Befehlshaber jener Jnsel war, erzählte ihm, daß man
einzelne gefangen habe, deren Fleisch allein über zweihundert Pfund wog und welche von sechs bis
acht Mann getragen werden mußte. Auch die Gebrüder Rodatz berichten von ähnlichen Riesen,
welche fünfhundert Pfund wogen. Sie fanden Riesenschildkröten auf den Aldabrainseln im Osten
von Afrika in Menge, vorzugsweise in dichtem Gebüsche. Auf diesen Jnseln hatten Fänger, welche
alljährlich hierher zur Jagd kamen, besondere Brutplätze mit Mauern umgeben, um die Thiere bis
zur Verschiffung nach Madagaskar oder an das afrikanische Festland einsperren zu können. Jn einem

Die Schildkröten. Landſchildkröten. Rieſenſchildkröten.
welche vormals die Spanier das ſüße Waſſer entdecken ließen. Jn der Rähe der Quellen ſah er ein
wunderbares Schauſpiel. Eine bedeutende Anzahl der Ungeheuer hatte ſich hier verſammelt. Manche
kamen mit ausgeſtrecktem Halſe an, andere gingen langſam wieder weg, nachdem ſie ihren Durſt
geſtillt hatten. Ohne den Zuſchauer zu beachten, ſteckten die Angelangten den Kopf bis über die
Augen in das Waſſer und verſchluckten einen Mund voll Getränk nach dem anderen, ungefähr zehn
Schlucke im Verlaufe einer Minute. Die Eingebornen verſicherten, daß jedes Thier drei bis vier
Tage in der Nachbarſchaft verweile und dann wieder nach den niederen Gegenden zurückkehre. Noch
eine geraume Zeit nach ihrem Beſuche an den Trinkſtellen ſoll der Magen durch die Flüſſigkeit aus-
gedehnt ſein, letztere aber nach und nach abnehmen und ebenſo an Reinheit verlieren. Die Ein-
gebornen, welche Dies wiſſen, ſollen, wenn ſie in den höheren Orten von Durſt gequält werden, die
Schildkröten tödten und das von ihnen verſchluckte Waſſer trinken. Jn dem Magen von einer, welche
gedachter Forſcher getödtet ſah, war die Flüſſigkeit noch ſehr rein und hatte nur einen ſchwachen
bitteren Geſchmack. Die Eingebornen trinken, wie Darwin verſichert, ſtets zuerſt das Waſſer des
Herzbeutels (?), welches als das beſte gilt.

Die Elefantenſchildkröte legt binnen zehn Minuten etwa ſechzig Ellen zurück, wandert aber,
wenn ſie der Durſt zum Waſſer treibt, Tag und Nacht. Hinſichtlich ihrer Sitten und Gewohnheiten
unterſcheiden ſich die Rieſenſchildkröten von den Verwandten nicht. Auch ſie ſind träge, gleichgültig
und gefühllos, können lange hungern, dann aber auch außerordentlich viel freſſen. Auf den Gallo-
pagosinſeln leben ſie hauptſächlich von Kaktusarten, auf anderen Jnſeln freſſen ſie Gras, und Dies
habe ich auch von Gefangenen geſehen, welche begierig weideten, oder richtiger große, dicke Grasbüſche
abbiſſen und abrupften, kauend zu Ballen formten und dann verſchlangen. Die Erwachſenen
bekümmern ſich übrigens um die Außenwelt ſo gut als nicht. Es ſcheint, meint Darwin, als ob
ſie taub wären; wenigſtens merken ſie einen Menſchen, der ihnen nachgeht, nicht eher, als bis derſelbe
neben ihnen ſteht und ſie ihn ſehen: dann freilich ziehen ſie ihre Glieder eilig unter die Schale. Nach
einer geraumen Zeit bewegen ſie ſich weiter, und nunmehr ſcheint es ihnen gleichgültig zu ſein, ob man
ſich auf ſie geſetzt hat oder ſie unbeläſtigt fürder ziehen läßt. Darwin ſagt, daß ſie zu gehen beginnen,
wenn man ſie mit einem Stocke auf das Hinterſtück ihres Schildes ſchlägt; die Gefangenen, mit
welchen ich verkehrte, gingen auch ohne derartige Aufforderung weiter. Jch bin im Zweifel geblieben,
ob ſie zu ihrem Pfleger eine gewiſſe Anhänglichkeit zeigen: zuweilen ſchien mir Dies der Fall zu ſein,
zuweilen wieder benahmen ſie ſich ihm gegenüber ebenſo wie gegen jeden Fremden auch.

Das Weibchen legt ſeine weißen, runden, über zwei Zoll langen Eier in eine Grube im Sande
oder auf felſigem Boden in Höhlungen ab und ſucht ſie wo möglich zuzudecken. Die Jungen werden
in großer Anzahl von Raubvögeln verzehrt, die Alten aber, mit Ausnahme des Menſchen, von keinem
Feinde beläſtigt. Ueberall, wo Rieſenſchildkröten vorkommen, ſtellt man ihnen des Fleiſches und des
Fettes wegen nach. Erſteres wird friſch und geſalzen verbraucht, aus letzterem ein ſchönes, helles
Oel bereitet. Auf den Gallopagosinſeln unterſucht man die Gefangenen bezüglich ihrer Feiſtig-
keit in einer höchſt grauſamen Weiſe, indem man ihnen neben dem Schwanze ein Loch in die
Haut ſchneidet und nachſieht, ob viel oder wenig Fett unter dem Rückenſchilde liegt. Findet man,
daß ſie mager iſt, ſo läßt man ſie wieder frei, und die Wunde heilt, anſcheinend ohne dem Thiere
beſondere Schmerzen zu verurſachen. Darwin wurde verſichert, daß man nie eine finde, von der
man glauben könne, ſie ſei eines natürlichen Todes geſtorben, und ſchließt daraus, daß ſie niemals alt
werden könne. Lawſon, welcher damals Befehlshaber jener Jnſel war, erzählte ihm, daß man
einzelne gefangen habe, deren Fleiſch allein über zweihundert Pfund wog und welche von ſechs bis
acht Mann getragen werden mußte. Auch die Gebrüder Rodatz berichten von ähnlichen Rieſen,
welche fünfhundert Pfund wogen. Sie fanden Rieſenſchildkröten auf den Aldabrainſeln im Oſten
von Afrika in Menge, vorzugsweiſe in dichtem Gebüſche. Auf dieſen Jnſeln hatten Fänger, welche
alljährlich hierher zur Jagd kamen, beſondere Brutplätze mit Mauern umgeben, um die Thiere bis
zur Verſchiffung nach Madagaskar oder an das afrikaniſche Feſtland einſperren zu können. Jn einem

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[28/0040] Die Schildkröten. Landſchildkröten. Rieſenſchildkröten. welche vormals die Spanier das ſüße Waſſer entdecken ließen. Jn der Rähe der Quellen ſah er ein wunderbares Schauſpiel. Eine bedeutende Anzahl der Ungeheuer hatte ſich hier verſammelt. Manche kamen mit ausgeſtrecktem Halſe an, andere gingen langſam wieder weg, nachdem ſie ihren Durſt geſtillt hatten. Ohne den Zuſchauer zu beachten, ſteckten die Angelangten den Kopf bis über die Augen in das Waſſer und verſchluckten einen Mund voll Getränk nach dem anderen, ungefähr zehn Schlucke im Verlaufe einer Minute. Die Eingebornen verſicherten, daß jedes Thier drei bis vier Tage in der Nachbarſchaft verweile und dann wieder nach den niederen Gegenden zurückkehre. Noch eine geraume Zeit nach ihrem Beſuche an den Trinkſtellen ſoll der Magen durch die Flüſſigkeit aus- gedehnt ſein, letztere aber nach und nach abnehmen und ebenſo an Reinheit verlieren. Die Ein- gebornen, welche Dies wiſſen, ſollen, wenn ſie in den höheren Orten von Durſt gequält werden, die Schildkröten tödten und das von ihnen verſchluckte Waſſer trinken. Jn dem Magen von einer, welche gedachter Forſcher getödtet ſah, war die Flüſſigkeit noch ſehr rein und hatte nur einen ſchwachen bitteren Geſchmack. Die Eingebornen trinken, wie Darwin verſichert, ſtets zuerſt das Waſſer des Herzbeutels (?), welches als das beſte gilt. Die Elefantenſchildkröte legt binnen zehn Minuten etwa ſechzig Ellen zurück, wandert aber, wenn ſie der Durſt zum Waſſer treibt, Tag und Nacht. Hinſichtlich ihrer Sitten und Gewohnheiten unterſcheiden ſich die Rieſenſchildkröten von den Verwandten nicht. Auch ſie ſind träge, gleichgültig und gefühllos, können lange hungern, dann aber auch außerordentlich viel freſſen. Auf den Gallo- pagosinſeln leben ſie hauptſächlich von Kaktusarten, auf anderen Jnſeln freſſen ſie Gras, und Dies habe ich auch von Gefangenen geſehen, welche begierig weideten, oder richtiger große, dicke Grasbüſche abbiſſen und abrupften, kauend zu Ballen formten und dann verſchlangen. Die Erwachſenen bekümmern ſich übrigens um die Außenwelt ſo gut als nicht. Es ſcheint, meint Darwin, als ob ſie taub wären; wenigſtens merken ſie einen Menſchen, der ihnen nachgeht, nicht eher, als bis derſelbe neben ihnen ſteht und ſie ihn ſehen: dann freilich ziehen ſie ihre Glieder eilig unter die Schale. Nach einer geraumen Zeit bewegen ſie ſich weiter, und nunmehr ſcheint es ihnen gleichgültig zu ſein, ob man ſich auf ſie geſetzt hat oder ſie unbeläſtigt fürder ziehen läßt. Darwin ſagt, daß ſie zu gehen beginnen, wenn man ſie mit einem Stocke auf das Hinterſtück ihres Schildes ſchlägt; die Gefangenen, mit welchen ich verkehrte, gingen auch ohne derartige Aufforderung weiter. Jch bin im Zweifel geblieben, ob ſie zu ihrem Pfleger eine gewiſſe Anhänglichkeit zeigen: zuweilen ſchien mir Dies der Fall zu ſein, zuweilen wieder benahmen ſie ſich ihm gegenüber ebenſo wie gegen jeden Fremden auch. Das Weibchen legt ſeine weißen, runden, über zwei Zoll langen Eier in eine Grube im Sande oder auf felſigem Boden in Höhlungen ab und ſucht ſie wo möglich zuzudecken. Die Jungen werden in großer Anzahl von Raubvögeln verzehrt, die Alten aber, mit Ausnahme des Menſchen, von keinem Feinde beläſtigt. Ueberall, wo Rieſenſchildkröten vorkommen, ſtellt man ihnen des Fleiſches und des Fettes wegen nach. Erſteres wird friſch und geſalzen verbraucht, aus letzterem ein ſchönes, helles Oel bereitet. Auf den Gallopagosinſeln unterſucht man die Gefangenen bezüglich ihrer Feiſtig- keit in einer höchſt grauſamen Weiſe, indem man ihnen neben dem Schwanze ein Loch in die Haut ſchneidet und nachſieht, ob viel oder wenig Fett unter dem Rückenſchilde liegt. Findet man, daß ſie mager iſt, ſo läßt man ſie wieder frei, und die Wunde heilt, anſcheinend ohne dem Thiere beſondere Schmerzen zu verurſachen. Darwin wurde verſichert, daß man nie eine finde, von der man glauben könne, ſie ſei eines natürlichen Todes geſtorben, und ſchließt daraus, daß ſie niemals alt werden könne. Lawſon, welcher damals Befehlshaber jener Jnſel war, erzählte ihm, daß man einzelne gefangen habe, deren Fleiſch allein über zweihundert Pfund wog und welche von ſechs bis acht Mann getragen werden mußte. Auch die Gebrüder Rodatz berichten von ähnlichen Rieſen, welche fünfhundert Pfund wogen. Sie fanden Rieſenſchildkröten auf den Aldabrainſeln im Oſten von Afrika in Menge, vorzugsweiſe in dichtem Gebüſche. Auf dieſen Jnſeln hatten Fänger, welche alljährlich hierher zur Jagd kamen, beſondere Brutplätze mit Mauern umgeben, um die Thiere bis zur Verſchiffung nach Madagaskar oder an das afrikaniſche Feſtland einſperren zu können. Jn einem

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/40>, abgerufen am 25.04.2024.