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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Griechische Schildkröte. Schabuti.
drehten sie sich von der rechten zur linken in einem Kreise umher. Nur ihr Gefühl schien unverändert,
ihr Geruch gänzlich verschwunden zu sein. Als man in die Nasenlöcher der einen mit Gips
behandelten Weingeist goß, schrie sie, begann im Kreise umherzulaufen und gab auffallende Zeichen
der Aufregung. Es schien dieses Betragen eher Folge eines Reizes auf das ganze Nervensystem
überhaupt, als auf die Riechnerven allein zu sein. Ueber den Geschmack konnte nichts Sicheres
erfahren werden, weil die gemißhandelten Thiere keine Speise mehr zu sich nahmen und deren Unter-
schied nicht mehr zu erkennen schienen. Veide aber verschluckten Zucker, welchen man ihnen in die
Speiseröhre schob. Schall- und Lichtwellen schienen spurlos an ihnen vorüberzugehen; freilich hielten
sie die Augen auch meistens geschlossen.

Daß ein Thier, bei welchem das Hirn eine so untergeordnete Rolle spielt, sich nicht
durch höhere Begabung auszeichnen kann, versteht sich von selbst. Ein gewisses Verständniß
kann man ihm jedoch trotzdem nicht absprechen. Alle Thierfreunde, welchen längere Zeit Land-
schildkröten in Gefangenschaft hielten, versichern, daß sie sich nach und nach an den Pfleger
gewöhnen und diesen von anderen Menschen unterscheiden, und ebenso geht aus den Beobachtungen
Dumeril's hervor, daß unsere Schildkröten sich auch zeitweilig aufregen lassen. "Wir haben", sagt
dieser Forscher, "einige Mal zwei Männchen sich um den Besitz eines Weibchens mit unglaublicher
Hartnäckigkeit streiten sehen. Sie bissen sich gegenseitig in den Hals, versuchten sich umzustürzen etc.,
und der Streit endete nicht eher, als bis einer der beiden Streiter besiegt und kampfunfähig gemacht
wurde." Wie lange ein zärtliches Verhältniß zwischen einer männlichen und weiblichen Schildkröte
währen mag, weiß man nicht; soviel aber hat man beobachtet, daß die Begattung der unbehilflichen
Thiere erst nach vielen vergeblichen Versuchen vor sich geht. Um die Mitte des Sommers, gewöhnlich
Anfangs Juli, gräbt sich das Weibchen eine kleine Grube an einer den Sonnenstrahlen ausgesetzten
Stelle, nach Erber's Beobachtungen nur in sumpfigen Boden, und legt in diese seine vier bis zwölf
kugeligen weißen, einer kleinen Nuß an Größe gleichkommenden Eier ab, bedeckt sie sorgfältig mit
Erde, bekümmert sich aber fernerhin nicht mehr um die Jungen, welche gegen den Herbst hin
ausschlüpfen.

Jn Sicilien oder in Jtalien überhaupt bringt man diese Landschildkröten regelmäßig auf den
Markt, weil das Fleisch überall gegessen und insbesondere die aus ihm bereitete Suppe geschätzt wird.
Jn Kleinasien richtet man Hunde ab, welche sie aufspüren, vor ihnen stehen bleiben und bellen, bis
der Fänger zur Stelle kommt.

Aus Südamerika gelangt gegenwärtig sehr häufig eine Landschildkröte lebend zu uns, welche in
Brasilien Schabuti genannt wird. Jhre Gestalt ist ziemlich plump, der Panzer hoch gewölbt, sehr
stark und merklich verlängert oder seitlich zusammengedrückt, der Kopf mäßig groß, der Rand der
hornigen Kiefer scharf und fein gezähnelt, der Hals mäßig lang und dick, der Schwanz sehr kurz; die
plumpen Füße fallen auf durch ihre Länge. Auf dem Oberpanzer bilden wie gewöhnlich fünf breite
Schilder die Mittellinie, vier jederseits die seitliche, und dreiundzwanzig kleinere Randschildchen die
äußere Betäfelung. Die Wirbelschilder haben einen erhöhten Mittelpunkt, welcher besonders an den
Vorderseiten einen dick vortretenden Knopf bildet; der Brustpanzer ist viel schmäler als der obere,
hinten und vorn schwach stumpfwinkelig ausgeschnitten und mit zwölf Schildern bedeckt. Alle Schilder
sind einfarbig schmuziggelb oder graubräunlich, an ihren Rändern gewöhnlich etwas dunkel gefärbt;
die unbedeckten Theile haben eine schwärzliche Färbung und sind durch mancherlei orangengelbe Flecke
gezeichnet; der Scheitel ist blaßgelb, schwärzlich gefleckt und gestrichelt, der übrige Kopf schwärzlich;
über der Nase stehen ein paar runde gelbe Flecken neben einander, über dem Ohrfelle zwei ähnliche
und einer am hinteren Ende des Unterkiefers; vom schwärzlichen Grunde des Vorderbeines heben sich
die hoch orangenfarben gefärbten Schuppen lebhaft ab, während die Hinterbeine nur an den Schenkeln
einzelne Schuppen tragen und außerdem an der Ferse einige gelbe Flecken zeigen. Die Länge des
ganzen Thieres mit ausgestrecktem Halse beträgt etwa 14, die des Oberpanzers 10 Zoll. Das

Griechiſche Schildkröte. Schabuti.
drehten ſie ſich von der rechten zur linken in einem Kreiſe umher. Nur ihr Gefühl ſchien unverändert,
ihr Geruch gänzlich verſchwunden zu ſein. Als man in die Naſenlöcher der einen mit Gips
behandelten Weingeiſt goß, ſchrie ſie, begann im Kreiſe umherzulaufen und gab auffallende Zeichen
der Aufregung. Es ſchien dieſes Betragen eher Folge eines Reizes auf das ganze Nervenſyſtem
überhaupt, als auf die Riechnerven allein zu ſein. Ueber den Geſchmack konnte nichts Sicheres
erfahren werden, weil die gemißhandelten Thiere keine Speiſe mehr zu ſich nahmen und deren Unter-
ſchied nicht mehr zu erkennen ſchienen. Veide aber verſchluckten Zucker, welchen man ihnen in die
Speiſeröhre ſchob. Schall- und Lichtwellen ſchienen ſpurlos an ihnen vorüberzugehen; freilich hielten
ſie die Augen auch meiſtens geſchloſſen.

Daß ein Thier, bei welchem das Hirn eine ſo untergeordnete Rolle ſpielt, ſich nicht
durch höhere Begabung auszeichnen kann, verſteht ſich von ſelbſt. Ein gewiſſes Verſtändniß
kann man ihm jedoch trotzdem nicht abſprechen. Alle Thierfreunde, welchen längere Zeit Land-
ſchildkröten in Gefangenſchaft hielten, verſichern, daß ſie ſich nach und nach an den Pfleger
gewöhnen und dieſen von anderen Menſchen unterſcheiden, und ebenſo geht aus den Beobachtungen
Dumeril’s hervor, daß unſere Schildkröten ſich auch zeitweilig aufregen laſſen. „Wir haben“, ſagt
dieſer Forſcher, „einige Mal zwei Männchen ſich um den Beſitz eines Weibchens mit unglaublicher
Hartnäckigkeit ſtreiten ſehen. Sie biſſen ſich gegenſeitig in den Hals, verſuchten ſich umzuſtürzen ꝛc.,
und der Streit endete nicht eher, als bis einer der beiden Streiter beſiegt und kampfunfähig gemacht
wurde.“ Wie lange ein zärtliches Verhältniß zwiſchen einer männlichen und weiblichen Schildkröte
währen mag, weiß man nicht; ſoviel aber hat man beobachtet, daß die Begattung der unbehilflichen
Thiere erſt nach vielen vergeblichen Verſuchen vor ſich geht. Um die Mitte des Sommers, gewöhnlich
Anfangs Juli, gräbt ſich das Weibchen eine kleine Grube an einer den Sonnenſtrahlen ausgeſetzten
Stelle, nach Erber’s Beobachtungen nur in ſumpfigen Boden, und legt in dieſe ſeine vier bis zwölf
kugeligen weißen, einer kleinen Nuß an Größe gleichkommenden Eier ab, bedeckt ſie ſorgfältig mit
Erde, bekümmert ſich aber fernerhin nicht mehr um die Jungen, welche gegen den Herbſt hin
ausſchlüpfen.

Jn Sicilien oder in Jtalien überhaupt bringt man dieſe Landſchildkröten regelmäßig auf den
Markt, weil das Fleiſch überall gegeſſen und insbeſondere die aus ihm bereitete Suppe geſchätzt wird.
Jn Kleinaſien richtet man Hunde ab, welche ſie aufſpüren, vor ihnen ſtehen bleiben und bellen, bis
der Fänger zur Stelle kommt.

Aus Südamerika gelangt gegenwärtig ſehr häufig eine Landſchildkröte lebend zu uns, welche in
Braſilien Schabuti genannt wird. Jhre Geſtalt iſt ziemlich plump, der Panzer hoch gewölbt, ſehr
ſtark und merklich verlängert oder ſeitlich zuſammengedrückt, der Kopf mäßig groß, der Rand der
hornigen Kiefer ſcharf und fein gezähnelt, der Hals mäßig lang und dick, der Schwanz ſehr kurz; die
plumpen Füße fallen auf durch ihre Länge. Auf dem Oberpanzer bilden wie gewöhnlich fünf breite
Schilder die Mittellinie, vier jederſeits die ſeitliche, und dreiundzwanzig kleinere Randſchildchen die
äußere Betäfelung. Die Wirbelſchilder haben einen erhöhten Mittelpunkt, welcher beſonders an den
Vorderſeiten einen dick vortretenden Knopf bildet; der Bruſtpanzer iſt viel ſchmäler als der obere,
hinten und vorn ſchwach ſtumpfwinkelig ausgeſchnitten und mit zwölf Schildern bedeckt. Alle Schilder
ſind einfarbig ſchmuziggelb oder graubräunlich, an ihren Rändern gewöhnlich etwas dunkel gefärbt;
die unbedeckten Theile haben eine ſchwärzliche Färbung und ſind durch mancherlei orangengelbe Flecke
gezeichnet; der Scheitel iſt blaßgelb, ſchwärzlich gefleckt und geſtrichelt, der übrige Kopf ſchwärzlich;
über der Naſe ſtehen ein paar runde gelbe Flecken neben einander, über dem Ohrfelle zwei ähnliche
und einer am hinteren Ende des Unterkiefers; vom ſchwärzlichen Grunde des Vorderbeines heben ſich
die hoch orangenfarben gefärbten Schuppen lebhaft ab, während die Hinterbeine nur an den Schenkeln
einzelne Schuppen tragen und außerdem an der Ferſe einige gelbe Flecken zeigen. Die Länge des
ganzen Thieres mit ausgeſtrecktem Halſe beträgt etwa 14, die des Oberpanzers 10 Zoll. Das

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[25/0037] Griechiſche Schildkröte. Schabuti. drehten ſie ſich von der rechten zur linken in einem Kreiſe umher. Nur ihr Gefühl ſchien unverändert, ihr Geruch gänzlich verſchwunden zu ſein. Als man in die Naſenlöcher der einen mit Gips behandelten Weingeiſt goß, ſchrie ſie, begann im Kreiſe umherzulaufen und gab auffallende Zeichen der Aufregung. Es ſchien dieſes Betragen eher Folge eines Reizes auf das ganze Nervenſyſtem überhaupt, als auf die Riechnerven allein zu ſein. Ueber den Geſchmack konnte nichts Sicheres erfahren werden, weil die gemißhandelten Thiere keine Speiſe mehr zu ſich nahmen und deren Unter- ſchied nicht mehr zu erkennen ſchienen. Veide aber verſchluckten Zucker, welchen man ihnen in die Speiſeröhre ſchob. Schall- und Lichtwellen ſchienen ſpurlos an ihnen vorüberzugehen; freilich hielten ſie die Augen auch meiſtens geſchloſſen. Daß ein Thier, bei welchem das Hirn eine ſo untergeordnete Rolle ſpielt, ſich nicht durch höhere Begabung auszeichnen kann, verſteht ſich von ſelbſt. Ein gewiſſes Verſtändniß kann man ihm jedoch trotzdem nicht abſprechen. Alle Thierfreunde, welchen längere Zeit Land- ſchildkröten in Gefangenſchaft hielten, verſichern, daß ſie ſich nach und nach an den Pfleger gewöhnen und dieſen von anderen Menſchen unterſcheiden, und ebenſo geht aus den Beobachtungen Dumeril’s hervor, daß unſere Schildkröten ſich auch zeitweilig aufregen laſſen. „Wir haben“, ſagt dieſer Forſcher, „einige Mal zwei Männchen ſich um den Beſitz eines Weibchens mit unglaublicher Hartnäckigkeit ſtreiten ſehen. Sie biſſen ſich gegenſeitig in den Hals, verſuchten ſich umzuſtürzen ꝛc., und der Streit endete nicht eher, als bis einer der beiden Streiter beſiegt und kampfunfähig gemacht wurde.“ Wie lange ein zärtliches Verhältniß zwiſchen einer männlichen und weiblichen Schildkröte währen mag, weiß man nicht; ſoviel aber hat man beobachtet, daß die Begattung der unbehilflichen Thiere erſt nach vielen vergeblichen Verſuchen vor ſich geht. Um die Mitte des Sommers, gewöhnlich Anfangs Juli, gräbt ſich das Weibchen eine kleine Grube an einer den Sonnenſtrahlen ausgeſetzten Stelle, nach Erber’s Beobachtungen nur in ſumpfigen Boden, und legt in dieſe ſeine vier bis zwölf kugeligen weißen, einer kleinen Nuß an Größe gleichkommenden Eier ab, bedeckt ſie ſorgfältig mit Erde, bekümmert ſich aber fernerhin nicht mehr um die Jungen, welche gegen den Herbſt hin ausſchlüpfen. Jn Sicilien oder in Jtalien überhaupt bringt man dieſe Landſchildkröten regelmäßig auf den Markt, weil das Fleiſch überall gegeſſen und insbeſondere die aus ihm bereitete Suppe geſchätzt wird. Jn Kleinaſien richtet man Hunde ab, welche ſie aufſpüren, vor ihnen ſtehen bleiben und bellen, bis der Fänger zur Stelle kommt. Aus Südamerika gelangt gegenwärtig ſehr häufig eine Landſchildkröte lebend zu uns, welche in Braſilien Schabuti genannt wird. Jhre Geſtalt iſt ziemlich plump, der Panzer hoch gewölbt, ſehr ſtark und merklich verlängert oder ſeitlich zuſammengedrückt, der Kopf mäßig groß, der Rand der hornigen Kiefer ſcharf und fein gezähnelt, der Hals mäßig lang und dick, der Schwanz ſehr kurz; die plumpen Füße fallen auf durch ihre Länge. Auf dem Oberpanzer bilden wie gewöhnlich fünf breite Schilder die Mittellinie, vier jederſeits die ſeitliche, und dreiundzwanzig kleinere Randſchildchen die äußere Betäfelung. Die Wirbelſchilder haben einen erhöhten Mittelpunkt, welcher beſonders an den Vorderſeiten einen dick vortretenden Knopf bildet; der Bruſtpanzer iſt viel ſchmäler als der obere, hinten und vorn ſchwach ſtumpfwinkelig ausgeſchnitten und mit zwölf Schildern bedeckt. Alle Schilder ſind einfarbig ſchmuziggelb oder graubräunlich, an ihren Rändern gewöhnlich etwas dunkel gefärbt; die unbedeckten Theile haben eine ſchwärzliche Färbung und ſind durch mancherlei orangengelbe Flecke gezeichnet; der Scheitel iſt blaßgelb, ſchwärzlich gefleckt und geſtrichelt, der übrige Kopf ſchwärzlich; über der Naſe ſtehen ein paar runde gelbe Flecken neben einander, über dem Ohrfelle zwei ähnliche und einer am hinteren Ende des Unterkiefers; vom ſchwärzlichen Grunde des Vorderbeines heben ſich die hoch orangenfarben gefärbten Schuppen lebhaft ab, während die Hinterbeine nur an den Schenkeln einzelne Schuppen tragen und außerdem an der Ferſe einige gelbe Flecken zeigen. Die Länge des ganzen Thieres mit ausgeſtrecktem Halſe beträgt etwa 14, die des Oberpanzers 10 Zoll. Das

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/37>, abgerufen am 23.04.2024.