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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Nahrung. Fortpflanzung. Winterschlaf. Wachsthum.
hausen, halten keinen Winterschlaf; dieselben Arten verbringen die Zeit der Dürre in den Schlamm
eingewühlt da, wo ihr Wohngewässer während der ungünstigen Jahreszeit austrocknet. "Bisweilen",
so erzählt Humboldt, "sieht man, der Sage der Eingebornen nach, an den Ufern der Sümpfe den
befeuchteten Letten sich langsam und schollenweise erheben, dann plötzlich mit heftigem Getöse, wie
beim Ausbruch kleinerer Schlammvulkane die Erde wolkenartig auffliegen. Wer des Anblickes
kundig ist, flieht diesen; denn eine riesenhafte Boaschlange oder ein bepanzertes Krokodil steigt aus
der Grust hervor, durch den ersten Regenguß aus dem Scheintode erweckt." Man hat diese Angabe
des großen Forschers bezweifelt: genau Dasselbe aber ist mir bezüglich des afrikanischen Krokodils von
den Eingebornen Afrikas und von einem Europäer, welcher selbst Zeuge der Auferstehung eines derart
verborgenen Krokodils war, bestätigt worden.

Es scheint, daß nicht alle Kriechthiere in vollständige Erstarrung fallen, viele vielmehr ein
Traumleben führen; denn sie bewahren sich eine gewisse Beweglichkeit oder erhalten sie doch schnell
wieder, wenn die Umstände sich ändern, während andere während des Winterschlafes vollständig steif
und bewegungslos daliegen, auch hart anzufühlen sind. Klapperschlangen, welche sich in solchem
Zustande befanden, aufgenommen und in einen Weidsack gesteckt wurden, wachten, als der Jäger sich
einem Feuer näherte, sehr rasch auf, erstarrten aber auch bald wieder, nachdem sie der Kälte aufs Neue
ausgesetzt wurden. Wiederholt man solche Versuche mehrmals nach einander, so erfolgt ebenfalls
oft der Tod der betreffenden Thiere. Auch bei ihnen scheint übrigens, wie Schinz hervorhebt, Ent-
ziehung der äußeren Luft nothwendige Bedingung des Winterschlafs zu sein. "Daß Thiere, welche im
wachen Zustande monatelang ohne Schaden fasten können, einen Winter ohne Nahrung auszuhalten
im Stande sind, ist sehr begreiflich, daß aber dasselbe Gesetz herrscht, wie bei den winterschlafenden
Säugethieren, daß ein Verbrauch der Säfte dennoch statt hat, so gering er sein mag, erhellt daraus,
daß Kriechthiere zu Grunde gehen, wenn sie im Herbste vor dem Einschlafen Mangel an Nahrung
hatten... Jn welchem Grade die leiblichen Thätigkeiten während des Winterschlafes stillstehen und
welche gänzlich, Das läßt sich bei Thieren, deren Verrichtungen im wachenden Zustande so oft unter-
brochen werden können, ohne dem Leben zu schaden, nicht leicht beobachten; doch ist es wahrscheinlich,
daß blos ein sehr langsamer und unterbrochener Kreislauf statt hat, das Athmen aber ganz unter-
drückt ist, was bei dem wenigen Sauerstoffbedarf dieser Thiere nicht besremden kann. Eine zu große
und lang andauernde Kälte tödtet indeß auch sie und zwar regelmäßig dann, wenn sie nicht vor
derselben geschützt werden; wahrscheinlich also gefriert dann das Blut, der Kreislauf wird unmöglich,
und der Tod muß eintreten. Das Gewicht der Kriechthiere nimmt während des Winterschlafes etwas
ab, und hierdurch ist bewiesen, daß Stoffverbrauch statt hat. Eine Schildkröte, welche vor dem
Winterschlafe 4 Pfund 9 Unzen gewogen hatte, verlor während desselben bis zum Februar 1 und
5 Drachmen an Gewicht." Uebrigens kommen die Thiere keineswegs kraftlos zum Vorschein, sondern
zeigen sich vielmehr gerade unmittelbar nach dem Winterschlafe besonders lebhaft.

Alle Kriechthiere ohne Ausnahme wachsen unglaublich langsam; die Trägheit ihrer Lebens-
äußerung spricht sich also auch hierin aus. Aehnliche Verhältnisse, wie sie unter Säugethieren und
Vögeln stattfinden, kommen in dieser Klasse nicht vor: selbst die kleineren Arten bedürfen mehrerer
Jahre, bevor sie fortpflanzungsfähig werden. Dafür aber erreichen sie ein sehr hohes Alter. Schild-
kröten haben in der Gefangenschaft hundert Jahre, nach einzelnen Angaben sogar über hundert Jahre
gelebt; gewisse Krokodile beobachteten die Eingebornen Afrikas seit Menschengedenken auf einer und
derselben Stelle, und die größeren Schlangen mögen ebenfalls ein sehr hohes Alter erreichen. Krank-
heiten scheinen sehr selten zu sein unter ihnen, obwohl man solche unter Gefangenen auch beobachtet
hat; ein allmähliches Absterben, welches wir Altersschwäche zu nennen pflegen, ist bei ihnen noch nicht
in Erfahrung gebracht worden: die meisten verenden gewaltsam oder wenigstens in Folge äußerer
Einwirkungen.



Nahrung. Fortpflanzung. Winterſchlaf. Wachsthum.
hauſen, halten keinen Winterſchlaf; dieſelben Arten verbringen die Zeit der Dürre in den Schlamm
eingewühlt da, wo ihr Wohngewäſſer während der ungünſtigen Jahreszeit austrocknet. „Bisweilen“,
ſo erzählt Humboldt, „ſieht man, der Sage der Eingebornen nach, an den Ufern der Sümpfe den
befeuchteten Letten ſich langſam und ſchollenweiſe erheben, dann plötzlich mit heftigem Getöſe, wie
beim Ausbruch kleinerer Schlammvulkane die Erde wolkenartig auffliegen. Wer des Anblickes
kundig iſt, flieht dieſen; denn eine rieſenhafte Boaſchlange oder ein bepanzertes Krokodil ſteigt aus
der Gruſt hervor, durch den erſten Regenguß aus dem Scheintode erweckt.“ Man hat dieſe Angabe
des großen Forſchers bezweifelt: genau Daſſelbe aber iſt mir bezüglich des afrikaniſchen Krokodils von
den Eingebornen Afrikas und von einem Europäer, welcher ſelbſt Zeuge der Auferſtehung eines derart
verborgenen Krokodils war, beſtätigt worden.

Es ſcheint, daß nicht alle Kriechthiere in vollſtändige Erſtarrung fallen, viele vielmehr ein
Traumleben führen; denn ſie bewahren ſich eine gewiſſe Beweglichkeit oder erhalten ſie doch ſchnell
wieder, wenn die Umſtände ſich ändern, während andere während des Winterſchlafes vollſtändig ſteif
und bewegungslos daliegen, auch hart anzufühlen ſind. Klapperſchlangen, welche ſich in ſolchem
Zuſtande befanden, aufgenommen und in einen Weidſack geſteckt wurden, wachten, als der Jäger ſich
einem Feuer näherte, ſehr raſch auf, erſtarrten aber auch bald wieder, nachdem ſie der Kälte aufs Neue
ausgeſetzt wurden. Wiederholt man ſolche Verſuche mehrmals nach einander, ſo erfolgt ebenfalls
oft der Tod der betreffenden Thiere. Auch bei ihnen ſcheint übrigens, wie Schinz hervorhebt, Ent-
ziehung der äußeren Luft nothwendige Bedingung des Winterſchlafs zu ſein. „Daß Thiere, welche im
wachen Zuſtande monatelang ohne Schaden faſten können, einen Winter ohne Nahrung auszuhalten
im Stande ſind, iſt ſehr begreiflich, daß aber daſſelbe Geſetz herrſcht, wie bei den winterſchlafenden
Säugethieren, daß ein Verbrauch der Säfte dennoch ſtatt hat, ſo gering er ſein mag, erhellt daraus,
daß Kriechthiere zu Grunde gehen, wenn ſie im Herbſte vor dem Einſchlafen Mangel an Nahrung
hatten... Jn welchem Grade die leiblichen Thätigkeiten während des Winterſchlafes ſtillſtehen und
welche gänzlich, Das läßt ſich bei Thieren, deren Verrichtungen im wachenden Zuſtande ſo oft unter-
brochen werden können, ohne dem Leben zu ſchaden, nicht leicht beobachten; doch iſt es wahrſcheinlich,
daß blos ein ſehr langſamer und unterbrochener Kreislauf ſtatt hat, das Athmen aber ganz unter-
drückt iſt, was bei dem wenigen Sauerſtoffbedarf dieſer Thiere nicht beſremden kann. Eine zu große
und lang andauernde Kälte tödtet indeß auch ſie und zwar regelmäßig dann, wenn ſie nicht vor
derſelben geſchützt werden; wahrſcheinlich alſo gefriert dann das Blut, der Kreislauf wird unmöglich,
und der Tod muß eintreten. Das Gewicht der Kriechthiere nimmt während des Winterſchlafes etwas
ab, und hierdurch iſt bewieſen, daß Stoffverbrauch ſtatt hat. Eine Schildkröte, welche vor dem
Winterſchlafe 4 Pfund 9 Unzen gewogen hatte, verlor während deſſelben bis zum Februar 1 und
5 Drachmen an Gewicht.“ Uebrigens kommen die Thiere keineswegs kraftlos zum Vorſchein, ſondern
zeigen ſich vielmehr gerade unmittelbar nach dem Winterſchlafe beſonders lebhaft.

Alle Kriechthiere ohne Ausnahme wachſen unglaublich langſam; die Trägheit ihrer Lebens-
äußerung ſpricht ſich alſo auch hierin aus. Aehnliche Verhältniſſe, wie ſie unter Säugethieren und
Vögeln ſtattfinden, kommen in dieſer Klaſſe nicht vor: ſelbſt die kleineren Arten bedürfen mehrerer
Jahre, bevor ſie fortpflanzungsfähig werden. Dafür aber erreichen ſie ein ſehr hohes Alter. Schild-
kröten haben in der Gefangenſchaft hundert Jahre, nach einzelnen Angaben ſogar über hundert Jahre
gelebt; gewiſſe Krokodile beobachteten die Eingebornen Afrikas ſeit Menſchengedenken auf einer und
derſelben Stelle, und die größeren Schlangen mögen ebenfalls ein ſehr hohes Alter erreichen. Krank-
heiten ſcheinen ſehr ſelten zu ſein unter ihnen, obwohl man ſolche unter Gefangenen auch beobachtet
hat; ein allmähliches Abſterben, welches wir Altersſchwäche zu nennen pflegen, iſt bei ihnen noch nicht
in Erfahrung gebracht worden: die meiſten verenden gewaltſam oder wenigſtens in Folge äußerer
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[13/0025] Nahrung. Fortpflanzung. Winterſchlaf. Wachsthum. hauſen, halten keinen Winterſchlaf; dieſelben Arten verbringen die Zeit der Dürre in den Schlamm eingewühlt da, wo ihr Wohngewäſſer während der ungünſtigen Jahreszeit austrocknet. „Bisweilen“, ſo erzählt Humboldt, „ſieht man, der Sage der Eingebornen nach, an den Ufern der Sümpfe den befeuchteten Letten ſich langſam und ſchollenweiſe erheben, dann plötzlich mit heftigem Getöſe, wie beim Ausbruch kleinerer Schlammvulkane die Erde wolkenartig auffliegen. Wer des Anblickes kundig iſt, flieht dieſen; denn eine rieſenhafte Boaſchlange oder ein bepanzertes Krokodil ſteigt aus der Gruſt hervor, durch den erſten Regenguß aus dem Scheintode erweckt.“ Man hat dieſe Angabe des großen Forſchers bezweifelt: genau Daſſelbe aber iſt mir bezüglich des afrikaniſchen Krokodils von den Eingebornen Afrikas und von einem Europäer, welcher ſelbſt Zeuge der Auferſtehung eines derart verborgenen Krokodils war, beſtätigt worden. Es ſcheint, daß nicht alle Kriechthiere in vollſtändige Erſtarrung fallen, viele vielmehr ein Traumleben führen; denn ſie bewahren ſich eine gewiſſe Beweglichkeit oder erhalten ſie doch ſchnell wieder, wenn die Umſtände ſich ändern, während andere während des Winterſchlafes vollſtändig ſteif und bewegungslos daliegen, auch hart anzufühlen ſind. Klapperſchlangen, welche ſich in ſolchem Zuſtande befanden, aufgenommen und in einen Weidſack geſteckt wurden, wachten, als der Jäger ſich einem Feuer näherte, ſehr raſch auf, erſtarrten aber auch bald wieder, nachdem ſie der Kälte aufs Neue ausgeſetzt wurden. Wiederholt man ſolche Verſuche mehrmals nach einander, ſo erfolgt ebenfalls oft der Tod der betreffenden Thiere. Auch bei ihnen ſcheint übrigens, wie Schinz hervorhebt, Ent- ziehung der äußeren Luft nothwendige Bedingung des Winterſchlafs zu ſein. „Daß Thiere, welche im wachen Zuſtande monatelang ohne Schaden faſten können, einen Winter ohne Nahrung auszuhalten im Stande ſind, iſt ſehr begreiflich, daß aber daſſelbe Geſetz herrſcht, wie bei den winterſchlafenden Säugethieren, daß ein Verbrauch der Säfte dennoch ſtatt hat, ſo gering er ſein mag, erhellt daraus, daß Kriechthiere zu Grunde gehen, wenn ſie im Herbſte vor dem Einſchlafen Mangel an Nahrung hatten... Jn welchem Grade die leiblichen Thätigkeiten während des Winterſchlafes ſtillſtehen und welche gänzlich, Das läßt ſich bei Thieren, deren Verrichtungen im wachenden Zuſtande ſo oft unter- brochen werden können, ohne dem Leben zu ſchaden, nicht leicht beobachten; doch iſt es wahrſcheinlich, daß blos ein ſehr langſamer und unterbrochener Kreislauf ſtatt hat, das Athmen aber ganz unter- drückt iſt, was bei dem wenigen Sauerſtoffbedarf dieſer Thiere nicht beſremden kann. Eine zu große und lang andauernde Kälte tödtet indeß auch ſie und zwar regelmäßig dann, wenn ſie nicht vor derſelben geſchützt werden; wahrſcheinlich alſo gefriert dann das Blut, der Kreislauf wird unmöglich, und der Tod muß eintreten. Das Gewicht der Kriechthiere nimmt während des Winterſchlafes etwas ab, und hierdurch iſt bewieſen, daß Stoffverbrauch ſtatt hat. Eine Schildkröte, welche vor dem Winterſchlafe 4 Pfund 9 Unzen gewogen hatte, verlor während deſſelben bis zum Februar 1 und 5 Drachmen an Gewicht.“ Uebrigens kommen die Thiere keineswegs kraftlos zum Vorſchein, ſondern zeigen ſich vielmehr gerade unmittelbar nach dem Winterſchlafe beſonders lebhaft. Alle Kriechthiere ohne Ausnahme wachſen unglaublich langſam; die Trägheit ihrer Lebens- äußerung ſpricht ſich alſo auch hierin aus. Aehnliche Verhältniſſe, wie ſie unter Säugethieren und Vögeln ſtattfinden, kommen in dieſer Klaſſe nicht vor: ſelbſt die kleineren Arten bedürfen mehrerer Jahre, bevor ſie fortpflanzungsfähig werden. Dafür aber erreichen ſie ein ſehr hohes Alter. Schild- kröten haben in der Gefangenſchaft hundert Jahre, nach einzelnen Angaben ſogar über hundert Jahre gelebt; gewiſſe Krokodile beobachteten die Eingebornen Afrikas ſeit Menſchengedenken auf einer und derſelben Stelle, und die größeren Schlangen mögen ebenfalls ein ſehr hohes Alter erreichen. Krank- heiten ſcheinen ſehr ſelten zu ſein unter ihnen, obwohl man ſolche unter Gefangenen auch beobachtet hat; ein allmähliches Abſterben, welches wir Altersſchwäche zu nennen pflegen, iſt bei ihnen noch nicht in Erfahrung gebracht worden: die meiſten verenden gewaltſam oder wenigſtens in Folge äußerer Einwirkungen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/25>, abgerufen am 20.04.2024.