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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Geistiges Wesen. Stimme. Lebensweise.
gewordenen Erscheinung eben nur den Fütterer. Jch habe gesehen, daß selbst Giftschlangen dahin
gebracht wurden, ihnen vorgehaltene Nahrung wegzunehmen, aber auch bemerkt, daß sie, trotzdem sie
gewohnt waren, mit einer eisernen Zange das Futter zu erhalten, bei einer unerwarteten Bewegung
derselben bissen, also in dem Augenblicke vollständig vergaßen, daß sie sich an dem Eisen schon mehrfach
verletzt hatten. Sogenannte zahme Kriechthiere, welche fähig sind, ihren Pfleger zu verletzen, bleiben
immer gefährlich, weil an Anhänglichkeit ihrerseits gar nicht gedacht werden kann und viel eher noch
als auf Freundlichkeit auf Tücke und Bosheit gerechnet werden muß. Jn ein freundschaftliches Ver-
hältniß tritt das Kriechthier weder mit anderen Gliedern seiner Klasse, noch mit anderen Thieren über-
haupt; man kann es höchstens dahin bringen, sich nicht mehr zu fürchten oder gegen das andere Wesen
gleichgültig zu sein. Nicht einmal eine wirkliche Geselligkeit bemerkt man unter diesen tief stehenden
Geschöpfen: Hunderte von Schildkröten, zwanzig, dreißig Krokodile liegen, sich sonnend, neben einander;
aber jedes einzelne denkt, solange nicht der Paarungstrieb ins Spiel kommt, nur an sich, handelt aus-
schließlich für sich, bekümmert sich nicht um das Nebenthier; die Gesammtheit tritt nicht zum Schutze
des Einzelnen ein. Von der Elternliebe der Krokodile, von der Fürsorge gewisser Schlangen für ihre
Nachkommenschaft hat man Mancherlei erzählt: inwieweit die Angaben auf Thatsächlichkeit beruhen,
bleibt fraglich. Krokodile sollen herbeigestürzt sein, wenn ihre Kleinen bedroht wurden, Klapper-
schlangen sollen Junge in den Rachen aufgenommen und so geborgen haben: ich wage nicht zu ent-
scheiden, wieviel Wahres an diesen Mittheilungen ist.

Bei Erwähnung der leiblichen und geistigen Begabung der Kriechthiere haben wir schließlich noch
der Stimme zu gedenken. Unter den höheren Wirbelthieren gibt es wenige, welche unfähig sind, Töne
oder Laute hervorzubringen, unter den Kriechthieren eine große Anzahl, welche wir stumm nennen
können. Die Schildkröten blasen oder pfeifen, Eidechsen und Schlangen lassen, wie bekannt, zuweilen
ein mehr oder minder lautes Zischen vernehmen, von vielen aber hört man auch dieses Geräusch nicht
einmal und nur die Krokodile und die Geckos, nächtlich lebende Verwandte der Eidechsen, sind im
Stande, laute, abgerundete und theilweise klangvolle Töne hervorzubringen. Die tieferstehenden
Lurche erscheinen uns in dieser Hinsicht begabter als die Kriechthiere.



Das tägliche, häusliche und, wenn ich so sagen darf, gesellschaftliche, richtiger wohl gemein-
schaftliche Leben der Kriechthiere ist überaus eintönig. Wahrscheinlich gibt es mehr Nacht- als
Tagthiere unter ihnen, von ersteren jedenfalls mehr, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Unter
den Schildkröten sind diejenigen, welche auf dem Lande leben, bei Tage, alle übrigen vorzugsweise bei
Nacht thätig; die Krokodile betreiben ihre Jagd hauptsächlich ebenfalls nach Einbruch der Dunkelheit,
obwohl sie sich auch übertages eine günstige Gelegenheit, Beute zu machen, nicht entschlüpfen lassen,
und nur die Eidechsen und der größere Theil der giftlosen Schlangen dürfen als vollendete Tagthiere
angesprochen werden, während Geckos und fast sämmtliche Giftschlangen nach Sonnenuntergang auf
Raub ausgehen. Wie gewöhnlich ändert das Wasser die Lebensweise insofern ab, als die in ihm
wohnenden Thiere zwischen den Tageszeiten keinen so großen Unterschied machen wie die, welche auf
dem Lande leben; aber auch unter ihnen lebt die größere Anzahl erst in der Nacht auf.

Mit Ausnahme der Landschildkröten und einigen Eidechsen müssen wir alle Mitglieder unserer
Klasse Raubthiere nennen; einzelne haben wir sogar zu den furchtbarsten zu zählen: sie wetteifern an
Raublust und Fähigkeit mit den Tigern und Löwen. Fast alle Thierklassen müssen ihnen zollen.
Die Krokodile wagen sich an Säugethiere bis zur Größe des Rindes oder Kameles und verschonen den
Menschen ebensowenig als das sich dem Wasser nähernde kleinere Raubthier, stellen jedoch hauptsächlich
Wasserthieren, insbesondere Fischen nach; die Schildkröten verfolgen letztere, kleinere Säugethiere,
Vögel, niedere Kriechthiere, Lurche, Kopffüßler, Schnecken, Kerbthiere, Krebse, Würmer und wohl auch
Strahlthiere; die Echsen nähren sich von Säugethieren, Vögeln, ihren eigenen Ordnungsverwandten,

Geiſtiges Weſen. Stimme. Lebensweiſe.
gewordenen Erſcheinung eben nur den Fütterer. Jch habe geſehen, daß ſelbſt Giftſchlangen dahin
gebracht wurden, ihnen vorgehaltene Nahrung wegzunehmen, aber auch bemerkt, daß ſie, trotzdem ſie
gewohnt waren, mit einer eiſernen Zange das Futter zu erhalten, bei einer unerwarteten Bewegung
derſelben biſſen, alſo in dem Augenblicke vollſtändig vergaßen, daß ſie ſich an dem Eiſen ſchon mehrfach
verletzt hatten. Sogenannte zahme Kriechthiere, welche fähig ſind, ihren Pfleger zu verletzen, bleiben
immer gefährlich, weil an Anhänglichkeit ihrerſeits gar nicht gedacht werden kann und viel eher noch
als auf Freundlichkeit auf Tücke und Bosheit gerechnet werden muß. Jn ein freundſchaftliches Ver-
hältniß tritt das Kriechthier weder mit anderen Gliedern ſeiner Klaſſe, noch mit anderen Thieren über-
haupt; man kann es höchſtens dahin bringen, ſich nicht mehr zu fürchten oder gegen das andere Weſen
gleichgültig zu ſein. Nicht einmal eine wirkliche Geſelligkeit bemerkt man unter dieſen tief ſtehenden
Geſchöpfen: Hunderte von Schildkröten, zwanzig, dreißig Krokodile liegen, ſich ſonnend, neben einander;
aber jedes einzelne denkt, ſolange nicht der Paarungstrieb ins Spiel kommt, nur an ſich, handelt aus-
ſchließlich für ſich, bekümmert ſich nicht um das Nebenthier; die Geſammtheit tritt nicht zum Schutze
des Einzelnen ein. Von der Elternliebe der Krokodile, von der Fürſorge gewiſſer Schlangen für ihre
Nachkommenſchaft hat man Mancherlei erzählt: inwieweit die Angaben auf Thatſächlichkeit beruhen,
bleibt fraglich. Krokodile ſollen herbeigeſtürzt ſein, wenn ihre Kleinen bedroht wurden, Klapper-
ſchlangen ſollen Junge in den Rachen aufgenommen und ſo geborgen haben: ich wage nicht zu ent-
ſcheiden, wieviel Wahres an dieſen Mittheilungen iſt.

Bei Erwähnung der leiblichen und geiſtigen Begabung der Kriechthiere haben wir ſchließlich noch
der Stimme zu gedenken. Unter den höheren Wirbelthieren gibt es wenige, welche unfähig ſind, Töne
oder Laute hervorzubringen, unter den Kriechthieren eine große Anzahl, welche wir ſtumm nennen
können. Die Schildkröten blaſen oder pfeifen, Eidechſen und Schlangen laſſen, wie bekannt, zuweilen
ein mehr oder minder lautes Ziſchen vernehmen, von vielen aber hört man auch dieſes Geräuſch nicht
einmal und nur die Krokodile und die Geckos, nächtlich lebende Verwandte der Eidechſen, ſind im
Stande, laute, abgerundete und theilweiſe klangvolle Töne hervorzubringen. Die tieferſtehenden
Lurche erſcheinen uns in dieſer Hinſicht begabter als die Kriechthiere.



Das tägliche, häusliche und, wenn ich ſo ſagen darf, geſellſchaftliche, richtiger wohl gemein-
ſchaftliche Leben der Kriechthiere iſt überaus eintönig. Wahrſcheinlich gibt es mehr Nacht- als
Tagthiere unter ihnen, von erſteren jedenfalls mehr, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Unter
den Schildkröten ſind diejenigen, welche auf dem Lande leben, bei Tage, alle übrigen vorzugsweiſe bei
Nacht thätig; die Krokodile betreiben ihre Jagd hauptſächlich ebenfalls nach Einbruch der Dunkelheit,
obwohl ſie ſich auch übertages eine günſtige Gelegenheit, Beute zu machen, nicht entſchlüpfen laſſen,
und nur die Eidechſen und der größere Theil der giftloſen Schlangen dürfen als vollendete Tagthiere
angeſprochen werden, während Geckos und faſt ſämmtliche Giftſchlangen nach Sonnenuntergang auf
Raub ausgehen. Wie gewöhnlich ändert das Waſſer die Lebensweiſe inſofern ab, als die in ihm
wohnenden Thiere zwiſchen den Tageszeiten keinen ſo großen Unterſchied machen wie die, welche auf
dem Lande leben; aber auch unter ihnen lebt die größere Anzahl erſt in der Nacht auf.

Mit Ausnahme der Landſchildkröten und einigen Eidechſen müſſen wir alle Mitglieder unſerer
Klaſſe Raubthiere nennen; einzelne haben wir ſogar zu den furchtbarſten zu zählen: ſie wetteifern an
Raubluſt und Fähigkeit mit den Tigern und Löwen. Faſt alle Thierklaſſen müſſen ihnen zollen.
Die Krokodile wagen ſich an Säugethiere bis zur Größe des Rindes oder Kameles und verſchonen den
Menſchen ebenſowenig als das ſich dem Waſſer nähernde kleinere Raubthier, ſtellen jedoch hauptſächlich
Waſſerthieren, insbeſondere Fiſchen nach; die Schildkröten verfolgen letztere, kleinere Säugethiere,
Vögel, niedere Kriechthiere, Lurche, Kopffüßler, Schnecken, Kerbthiere, Krebſe, Würmer und wohl auch
Strahlthiere; die Echſen nähren ſich von Säugethieren, Vögeln, ihren eigenen Ordnungsverwandten,

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[11/0023] Geiſtiges Weſen. Stimme. Lebensweiſe. gewordenen Erſcheinung eben nur den Fütterer. Jch habe geſehen, daß ſelbſt Giftſchlangen dahin gebracht wurden, ihnen vorgehaltene Nahrung wegzunehmen, aber auch bemerkt, daß ſie, trotzdem ſie gewohnt waren, mit einer eiſernen Zange das Futter zu erhalten, bei einer unerwarteten Bewegung derſelben biſſen, alſo in dem Augenblicke vollſtändig vergaßen, daß ſie ſich an dem Eiſen ſchon mehrfach verletzt hatten. Sogenannte zahme Kriechthiere, welche fähig ſind, ihren Pfleger zu verletzen, bleiben immer gefährlich, weil an Anhänglichkeit ihrerſeits gar nicht gedacht werden kann und viel eher noch als auf Freundlichkeit auf Tücke und Bosheit gerechnet werden muß. Jn ein freundſchaftliches Ver- hältniß tritt das Kriechthier weder mit anderen Gliedern ſeiner Klaſſe, noch mit anderen Thieren über- haupt; man kann es höchſtens dahin bringen, ſich nicht mehr zu fürchten oder gegen das andere Weſen gleichgültig zu ſein. Nicht einmal eine wirkliche Geſelligkeit bemerkt man unter dieſen tief ſtehenden Geſchöpfen: Hunderte von Schildkröten, zwanzig, dreißig Krokodile liegen, ſich ſonnend, neben einander; aber jedes einzelne denkt, ſolange nicht der Paarungstrieb ins Spiel kommt, nur an ſich, handelt aus- ſchließlich für ſich, bekümmert ſich nicht um das Nebenthier; die Geſammtheit tritt nicht zum Schutze des Einzelnen ein. Von der Elternliebe der Krokodile, von der Fürſorge gewiſſer Schlangen für ihre Nachkommenſchaft hat man Mancherlei erzählt: inwieweit die Angaben auf Thatſächlichkeit beruhen, bleibt fraglich. Krokodile ſollen herbeigeſtürzt ſein, wenn ihre Kleinen bedroht wurden, Klapper- ſchlangen ſollen Junge in den Rachen aufgenommen und ſo geborgen haben: ich wage nicht zu ent- ſcheiden, wieviel Wahres an dieſen Mittheilungen iſt. Bei Erwähnung der leiblichen und geiſtigen Begabung der Kriechthiere haben wir ſchließlich noch der Stimme zu gedenken. Unter den höheren Wirbelthieren gibt es wenige, welche unfähig ſind, Töne oder Laute hervorzubringen, unter den Kriechthieren eine große Anzahl, welche wir ſtumm nennen können. Die Schildkröten blaſen oder pfeifen, Eidechſen und Schlangen laſſen, wie bekannt, zuweilen ein mehr oder minder lautes Ziſchen vernehmen, von vielen aber hört man auch dieſes Geräuſch nicht einmal und nur die Krokodile und die Geckos, nächtlich lebende Verwandte der Eidechſen, ſind im Stande, laute, abgerundete und theilweiſe klangvolle Töne hervorzubringen. Die tieferſtehenden Lurche erſcheinen uns in dieſer Hinſicht begabter als die Kriechthiere. Das tägliche, häusliche und, wenn ich ſo ſagen darf, geſellſchaftliche, richtiger wohl gemein- ſchaftliche Leben der Kriechthiere iſt überaus eintönig. Wahrſcheinlich gibt es mehr Nacht- als Tagthiere unter ihnen, von erſteren jedenfalls mehr, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Unter den Schildkröten ſind diejenigen, welche auf dem Lande leben, bei Tage, alle übrigen vorzugsweiſe bei Nacht thätig; die Krokodile betreiben ihre Jagd hauptſächlich ebenfalls nach Einbruch der Dunkelheit, obwohl ſie ſich auch übertages eine günſtige Gelegenheit, Beute zu machen, nicht entſchlüpfen laſſen, und nur die Eidechſen und der größere Theil der giftloſen Schlangen dürfen als vollendete Tagthiere angeſprochen werden, während Geckos und faſt ſämmtliche Giftſchlangen nach Sonnenuntergang auf Raub ausgehen. Wie gewöhnlich ändert das Waſſer die Lebensweiſe inſofern ab, als die in ihm wohnenden Thiere zwiſchen den Tageszeiten keinen ſo großen Unterſchied machen wie die, welche auf dem Lande leben; aber auch unter ihnen lebt die größere Anzahl erſt in der Nacht auf. Mit Ausnahme der Landſchildkröten und einigen Eidechſen müſſen wir alle Mitglieder unſerer Klaſſe Raubthiere nennen; einzelne haben wir ſogar zu den furchtbarſten zu zählen: ſie wetteifern an Raubluſt und Fähigkeit mit den Tigern und Löwen. Faſt alle Thierklaſſen müſſen ihnen zollen. Die Krokodile wagen ſich an Säugethiere bis zur Größe des Rindes oder Kameles und verſchonen den Menſchen ebenſowenig als das ſich dem Waſſer nähernde kleinere Raubthier, ſtellen jedoch hauptſächlich Waſſerthieren, insbeſondere Fiſchen nach; die Schildkröten verfolgen letztere, kleinere Säugethiere, Vögel, niedere Kriechthiere, Lurche, Kopffüßler, Schnecken, Kerbthiere, Krebſe, Würmer und wohl auch Strahlthiere; die Echſen nähren ſich von Säugethieren, Vögeln, ihren eigenen Ordnungsverwandten,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/23>, abgerufen am 24.04.2024.