Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Entwicklung. Verbreitung und Aufenthalt.
jetzt gewöhnliche Maß zurückgebracht, und die Seedrachen sind gänzlich verschwunden, nachdem sie
schon in der Kreide sehr unbedeutende Vertreter aufgezeigt hatten."

Weitaus die meisten der jetzt noch lebenden Kriechthiere hausen in den Ländern zwischen den
Wendekreisen; denn mehr als alle übrigen Klassen, mit Ausnahme der Lurche, nehmen sie nach den
Polen zu an Anzahl ab. Wärme ist für sie Lebensbedingung: je heißer die Gegend, um so zahl-
reicher sind sie vertreten, je kälter ein Land, je ärmer ist es an ihnen: den Polarkreis überschreitet
kaum eine einzige Art. Neben der Wärme verlangen sie Feuchtigkeit. Afrika ist verhältnißmäßig
arm an ihnen, während sich in Südasien und noch mehr in Amerika die größte Manchfaltigkeit der
Formen und wohl auch die größte Anzahl der Glieder einer und derselben Art bemerklich macht.
Mit der Entwicklung der ganzen Klasse steht die Größe der einzelnen Arten insofern im Einklange,
als sich innerhalb der Gleicherländer die größten, innerhalb der gemäßigten Gürtel aber fast nur
kleine Arten finden.

Jhre Aufenthaltsorte sind sehr verschieden, doch darf man sie im allgemeinen als Landthiere bezeich-
nen. Jm Meere leben blos Schildkröten und einige Schlangen; die übrigen bewohnen das Festland
und auf ihm besonders gern feuchte Gegenden. Jm süßen Wasser nehmen sehr viele Arten ihren
Wohnsitz; sie alle aber halten sich zu gewissen Zeiten außerhalb des Wassers auf, um sich zu sonnen
und auszuruhen; denn nur die wenigsten von ihnen schlafen im Schwimmen. Ebenso reichhaltig,
vielleicht noch reichhaltiger an Arten als Sumpf und Wasser ist der Wald, welcher ebenfalls als
eines der hauptsächlichsten Wohngebiete unserer Thiere bezeichnet werden muß. Hier leben sie auf
und unter dem Boden, zwischen dem Gestrüpp und Gewurzel, an den Stämmen und im Gezweige
der Bäume. Einzelne endlich erwählen sich trockene, sandige oder felsige Gegenden zu ihrem Aufent-
halte: so finden sich viele Eidechsen und Schlangen nur in der Wüste an Stellen, welche ihnen kaum
die Möglichkeit zum Leben zu bieten scheinen.

Alle Arten der Klasse sind mehr oder weniger an dieselbe Oertlichkeit gebunden; kein ein-
ziges Kriechthier wandert im eigentlichen Sinne des Wortes. Die Schildkröten verbreiten sich
über ein Flußgebiet und können vonhieraus auch wohl in benachbarte Gewässer übersiedeln; sowie
aber eine größere, wasserlose Landstrecke zwischen dem Gebiete ihres Wohnflusses und eines anderen
Stromes liegt, stellen sich ihrer Verbreitung unübersteigliche Hindernisse in den Weg. Genau
Dasselbe gilt für diejenigen Arten, welche auf dem trockenen Lande leben: sie können schon durch
einen schmalen Meeresarm an einer Ausdehnung ihres Wohnkreises gehindert werden. Gleichwohl
kommt ein und dasselbe Kriechthier an verschiedenen Oertlichkeiten, welche durch ähnliche Hindernisse
getrennt sind, in annähernd gleicher Menge vor, und es läßt sich in diesem Falle nur annehmen, daß
die jetzt trennenden Grenzen vormals nicht vorhanden gewesen sind. Daß das Meer in gewissem
Grade die Verbreitung auch dieser Thiere erleichtert, ja sogar eine Art von Reisen möglich macht,
ist selbstverständlich.



Das Leben der Kriechthiere läßt sich mit dem der Säugethiere und Vögel kaum vergleichen; denn
die Kluft zwischen diesen und jenen ist außerordentlich groß. Entsprechend der geringen Hirnmasse
und entsprechend dem unvollkommenen Blutumlaufe führen die Kriechthiere so zu sagen nur ein
halbes Leben. Es gibt solche unter ihnen, welche wir lebhaft, beweglich, gelenkig und gewandt, listig
und klug nennen; alle diese Eigenschaften aber lassen sich mit denen der Säugethiere und Vögel nicht
vergleichen. Jene kriechen, laufen, klettern, springen und schwimmen; einzelne Arten können
sogar in gewissem Sinne fliegen, d. h. sich mit Hilfe einer Flatterhaut, welche wie ein Fall-
schirm gebraucht wird, über größere Entfernungen wegschnellen, niemals jedoch von unten nach oben

Entwicklung. Verbreitung und Aufenthalt.
jetzt gewöhnliche Maß zurückgebracht, und die Seedrachen ſind gänzlich verſchwunden, nachdem ſie
ſchon in der Kreide ſehr unbedeutende Vertreter aufgezeigt hatten.“

Weitaus die meiſten der jetzt noch lebenden Kriechthiere hauſen in den Ländern zwiſchen den
Wendekreiſen; denn mehr als alle übrigen Klaſſen, mit Ausnahme der Lurche, nehmen ſie nach den
Polen zu an Anzahl ab. Wärme iſt für ſie Lebensbedingung: je heißer die Gegend, um ſo zahl-
reicher ſind ſie vertreten, je kälter ein Land, je ärmer iſt es an ihnen: den Polarkreis überſchreitet
kaum eine einzige Art. Neben der Wärme verlangen ſie Feuchtigkeit. Afrika iſt verhältnißmäßig
arm an ihnen, während ſich in Südaſien und noch mehr in Amerika die größte Manchfaltigkeit der
Formen und wohl auch die größte Anzahl der Glieder einer und derſelben Art bemerklich macht.
Mit der Entwicklung der ganzen Klaſſe ſteht die Größe der einzelnen Arten inſofern im Einklange,
als ſich innerhalb der Gleicherländer die größten, innerhalb der gemäßigten Gürtel aber faſt nur
kleine Arten finden.

Jhre Aufenthaltsorte ſind ſehr verſchieden, doch darf man ſie im allgemeinen als Landthiere bezeich-
nen. Jm Meere leben blos Schildkröten und einige Schlangen; die übrigen bewohnen das Feſtland
und auf ihm beſonders gern feuchte Gegenden. Jm ſüßen Waſſer nehmen ſehr viele Arten ihren
Wohnſitz; ſie alle aber halten ſich zu gewiſſen Zeiten außerhalb des Waſſers auf, um ſich zu ſonnen
und auszuruhen; denn nur die wenigſten von ihnen ſchlafen im Schwimmen. Ebenſo reichhaltig,
vielleicht noch reichhaltiger an Arten als Sumpf und Waſſer iſt der Wald, welcher ebenfalls als
eines der hauptſächlichſten Wohngebiete unſerer Thiere bezeichnet werden muß. Hier leben ſie auf
und unter dem Boden, zwiſchen dem Geſtrüpp und Gewurzel, an den Stämmen und im Gezweige
der Bäume. Einzelne endlich erwählen ſich trockene, ſandige oder felſige Gegenden zu ihrem Aufent-
halte: ſo finden ſich viele Eidechſen und Schlangen nur in der Wüſte an Stellen, welche ihnen kaum
die Möglichkeit zum Leben zu bieten ſcheinen.

Alle Arten der Klaſſe ſind mehr oder weniger an dieſelbe Oertlichkeit gebunden; kein ein-
ziges Kriechthier wandert im eigentlichen Sinne des Wortes. Die Schildkröten verbreiten ſich
über ein Flußgebiet und können vonhieraus auch wohl in benachbarte Gewäſſer überſiedeln; ſowie
aber eine größere, waſſerloſe Landſtrecke zwiſchen dem Gebiete ihres Wohnfluſſes und eines anderen
Stromes liegt, ſtellen ſich ihrer Verbreitung unüberſteigliche Hinderniſſe in den Weg. Genau
Daſſelbe gilt für diejenigen Arten, welche auf dem trockenen Lande leben: ſie können ſchon durch
einen ſchmalen Meeresarm an einer Ausdehnung ihres Wohnkreiſes gehindert werden. Gleichwohl
kommt ein und daſſelbe Kriechthier an verſchiedenen Oertlichkeiten, welche durch ähnliche Hinderniſſe
getrennt ſind, in annähernd gleicher Menge vor, und es läßt ſich in dieſem Falle nur annehmen, daß
die jetzt trennenden Grenzen vormals nicht vorhanden geweſen ſind. Daß das Meer in gewiſſem
Grade die Verbreitung auch dieſer Thiere erleichtert, ja ſogar eine Art von Reiſen möglich macht,
iſt ſelbſtverſtändlich.



Das Leben der Kriechthiere läßt ſich mit dem der Säugethiere und Vögel kaum vergleichen; denn
die Kluft zwiſchen dieſen und jenen iſt außerordentlich groß. Entſprechend der geringen Hirnmaſſe
und entſprechend dem unvollkommenen Blutumlaufe führen die Kriechthiere ſo zu ſagen nur ein
halbes Leben. Es gibt ſolche unter ihnen, welche wir lebhaft, beweglich, gelenkig und gewandt, liſtig
und klug nennen; alle dieſe Eigenſchaften aber laſſen ſich mit denen der Säugethiere und Vögel nicht
vergleichen. Jene kriechen, laufen, klettern, ſpringen und ſchwimmen; einzelne Arten können
ſogar in gewiſſem Sinne fliegen, d. h. ſich mit Hilfe einer Flatterhaut, welche wie ein Fall-
ſchirm gebraucht wird, über größere Entfernungen wegſchnellen, niemals jedoch von unten nach oben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Entwicklung. Verbreitung und Aufenthalt.</hi></fw><lb/>
jetzt gewöhnliche Maß zurückgebracht, und die Seedrachen &#x017F;ind gänzlich ver&#x017F;chwunden, nachdem &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon in der Kreide &#x017F;ehr unbedeutende Vertreter aufgezeigt hatten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Weitaus die mei&#x017F;ten der jetzt noch lebenden Kriechthiere hau&#x017F;en in den Ländern zwi&#x017F;chen den<lb/>
Wendekrei&#x017F;en; denn mehr als alle übrigen Kla&#x017F;&#x017F;en, mit Ausnahme der Lurche, nehmen &#x017F;ie nach den<lb/>
Polen zu an Anzahl ab. Wärme i&#x017F;t für &#x017F;ie Lebensbedingung: je heißer die Gegend, um &#x017F;o zahl-<lb/>
reicher &#x017F;ind &#x017F;ie vertreten, je kälter ein Land, je ärmer i&#x017F;t es an ihnen: den Polarkreis über&#x017F;chreitet<lb/>
kaum eine einzige Art. Neben der Wärme verlangen &#x017F;ie Feuchtigkeit. Afrika i&#x017F;t verhältnißmäßig<lb/>
arm an ihnen, während &#x017F;ich in Süda&#x017F;ien und noch mehr in Amerika die größte Manchfaltigkeit der<lb/>
Formen und wohl auch die größte Anzahl der Glieder einer und der&#x017F;elben Art bemerklich macht.<lb/>
Mit der Entwicklung der ganzen Kla&#x017F;&#x017F;e &#x017F;teht die Größe der einzelnen Arten in&#x017F;ofern im Einklange,<lb/>
als &#x017F;ich innerhalb der Gleicherländer die größten, innerhalb der gemäßigten Gürtel aber fa&#x017F;t nur<lb/>
kleine Arten finden.</p><lb/>
        <p>Jhre Aufenthaltsorte &#x017F;ind &#x017F;ehr ver&#x017F;chieden, doch darf man &#x017F;ie im allgemeinen als Landthiere bezeich-<lb/>
nen. Jm Meere leben blos Schildkröten und einige Schlangen; die übrigen bewohnen das Fe&#x017F;tland<lb/>
und auf ihm be&#x017F;onders gern feuchte Gegenden. Jm &#x017F;üßen Wa&#x017F;&#x017F;er nehmen &#x017F;ehr viele Arten ihren<lb/>
Wohn&#x017F;itz; &#x017F;ie alle aber halten &#x017F;ich zu gewi&#x017F;&#x017F;en Zeiten außerhalb des Wa&#x017F;&#x017F;ers auf, um &#x017F;ich zu &#x017F;onnen<lb/>
und auszuruhen; denn nur die wenig&#x017F;ten von ihnen &#x017F;chlafen im Schwimmen. Eben&#x017F;o reichhaltig,<lb/>
vielleicht noch reichhaltiger an Arten als Sumpf und Wa&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t der Wald, welcher ebenfalls als<lb/>
eines der haupt&#x017F;ächlich&#x017F;ten Wohngebiete un&#x017F;erer Thiere bezeichnet werden muß. Hier leben &#x017F;ie auf<lb/>
und unter dem Boden, zwi&#x017F;chen dem Ge&#x017F;trüpp und Gewurzel, an den Stämmen und im Gezweige<lb/>
der Bäume. Einzelne endlich erwählen &#x017F;ich trockene, &#x017F;andige oder fel&#x017F;ige Gegenden zu ihrem Aufent-<lb/>
halte: &#x017F;o finden &#x017F;ich viele Eidech&#x017F;en und Schlangen nur in der Wü&#x017F;te an Stellen, welche ihnen kaum<lb/>
die Möglichkeit zum Leben zu bieten &#x017F;cheinen.</p><lb/>
        <p>Alle Arten der Kla&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind mehr oder weniger an die&#x017F;elbe Oertlichkeit gebunden; kein ein-<lb/>
ziges Kriechthier wandert im eigentlichen Sinne des Wortes. Die Schildkröten verbreiten &#x017F;ich<lb/>
über ein Flußgebiet und können vonhieraus auch wohl in benachbarte Gewä&#x017F;&#x017F;er über&#x017F;iedeln; &#x017F;owie<lb/>
aber eine größere, wa&#x017F;&#x017F;erlo&#x017F;e Land&#x017F;trecke zwi&#x017F;chen dem Gebiete ihres Wohnflu&#x017F;&#x017F;es und eines anderen<lb/>
Stromes liegt, &#x017F;tellen &#x017F;ich ihrer Verbreitung unüber&#x017F;teigliche Hinderni&#x017F;&#x017F;e in den Weg. Genau<lb/>
Da&#x017F;&#x017F;elbe gilt für diejenigen Arten, welche auf dem trockenen Lande leben: &#x017F;ie können &#x017F;chon durch<lb/>
einen &#x017F;chmalen Meeresarm an einer Ausdehnung ihres Wohnkrei&#x017F;es gehindert werden. Gleichwohl<lb/>
kommt ein und da&#x017F;&#x017F;elbe Kriechthier an ver&#x017F;chiedenen Oertlichkeiten, welche durch ähnliche Hinderni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
getrennt &#x017F;ind, in annähernd gleicher Menge vor, und es läßt &#x017F;ich in die&#x017F;em Falle nur annehmen, daß<lb/>
die jetzt trennenden Grenzen vormals nicht vorhanden gewe&#x017F;en &#x017F;ind. Daß das Meer in gewi&#x017F;&#x017F;em<lb/>
Grade die Verbreitung auch die&#x017F;er Thiere erleichtert, ja &#x017F;ogar eine Art von Rei&#x017F;en möglich macht,<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Das Leben der Kriechthiere läßt &#x017F;ich mit dem der Säugethiere und Vögel kaum vergleichen; denn<lb/>
die Kluft zwi&#x017F;chen die&#x017F;en und jenen i&#x017F;t außerordentlich groß. Ent&#x017F;prechend der geringen Hirnma&#x017F;&#x017F;e<lb/>
und ent&#x017F;prechend dem unvollkommenen Blutumlaufe führen die Kriechthiere &#x017F;o zu &#x017F;agen nur ein<lb/>
halbes Leben. Es gibt &#x017F;olche unter ihnen, welche wir lebhaft, beweglich, gelenkig und gewandt, li&#x017F;tig<lb/>
und klug nennen; alle die&#x017F;e Eigen&#x017F;chaften aber la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich mit denen der Säugethiere und Vögel nicht<lb/>
vergleichen. Jene kriechen, laufen, klettern, &#x017F;pringen und &#x017F;chwimmen; einzelne Arten können<lb/>
&#x017F;ogar in gewi&#x017F;&#x017F;em Sinne fliegen, d. h. &#x017F;ich mit Hilfe einer Flatterhaut, welche wie ein Fall-<lb/>
&#x017F;chirm gebraucht wird, über größere Entfernungen weg&#x017F;chnellen, niemals jedoch von unten nach oben<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0019] Entwicklung. Verbreitung und Aufenthalt. jetzt gewöhnliche Maß zurückgebracht, und die Seedrachen ſind gänzlich verſchwunden, nachdem ſie ſchon in der Kreide ſehr unbedeutende Vertreter aufgezeigt hatten.“ Weitaus die meiſten der jetzt noch lebenden Kriechthiere hauſen in den Ländern zwiſchen den Wendekreiſen; denn mehr als alle übrigen Klaſſen, mit Ausnahme der Lurche, nehmen ſie nach den Polen zu an Anzahl ab. Wärme iſt für ſie Lebensbedingung: je heißer die Gegend, um ſo zahl- reicher ſind ſie vertreten, je kälter ein Land, je ärmer iſt es an ihnen: den Polarkreis überſchreitet kaum eine einzige Art. Neben der Wärme verlangen ſie Feuchtigkeit. Afrika iſt verhältnißmäßig arm an ihnen, während ſich in Südaſien und noch mehr in Amerika die größte Manchfaltigkeit der Formen und wohl auch die größte Anzahl der Glieder einer und derſelben Art bemerklich macht. Mit der Entwicklung der ganzen Klaſſe ſteht die Größe der einzelnen Arten inſofern im Einklange, als ſich innerhalb der Gleicherländer die größten, innerhalb der gemäßigten Gürtel aber faſt nur kleine Arten finden. Jhre Aufenthaltsorte ſind ſehr verſchieden, doch darf man ſie im allgemeinen als Landthiere bezeich- nen. Jm Meere leben blos Schildkröten und einige Schlangen; die übrigen bewohnen das Feſtland und auf ihm beſonders gern feuchte Gegenden. Jm ſüßen Waſſer nehmen ſehr viele Arten ihren Wohnſitz; ſie alle aber halten ſich zu gewiſſen Zeiten außerhalb des Waſſers auf, um ſich zu ſonnen und auszuruhen; denn nur die wenigſten von ihnen ſchlafen im Schwimmen. Ebenſo reichhaltig, vielleicht noch reichhaltiger an Arten als Sumpf und Waſſer iſt der Wald, welcher ebenfalls als eines der hauptſächlichſten Wohngebiete unſerer Thiere bezeichnet werden muß. Hier leben ſie auf und unter dem Boden, zwiſchen dem Geſtrüpp und Gewurzel, an den Stämmen und im Gezweige der Bäume. Einzelne endlich erwählen ſich trockene, ſandige oder felſige Gegenden zu ihrem Aufent- halte: ſo finden ſich viele Eidechſen und Schlangen nur in der Wüſte an Stellen, welche ihnen kaum die Möglichkeit zum Leben zu bieten ſcheinen. Alle Arten der Klaſſe ſind mehr oder weniger an dieſelbe Oertlichkeit gebunden; kein ein- ziges Kriechthier wandert im eigentlichen Sinne des Wortes. Die Schildkröten verbreiten ſich über ein Flußgebiet und können vonhieraus auch wohl in benachbarte Gewäſſer überſiedeln; ſowie aber eine größere, waſſerloſe Landſtrecke zwiſchen dem Gebiete ihres Wohnfluſſes und eines anderen Stromes liegt, ſtellen ſich ihrer Verbreitung unüberſteigliche Hinderniſſe in den Weg. Genau Daſſelbe gilt für diejenigen Arten, welche auf dem trockenen Lande leben: ſie können ſchon durch einen ſchmalen Meeresarm an einer Ausdehnung ihres Wohnkreiſes gehindert werden. Gleichwohl kommt ein und daſſelbe Kriechthier an verſchiedenen Oertlichkeiten, welche durch ähnliche Hinderniſſe getrennt ſind, in annähernd gleicher Menge vor, und es läßt ſich in dieſem Falle nur annehmen, daß die jetzt trennenden Grenzen vormals nicht vorhanden geweſen ſind. Daß das Meer in gewiſſem Grade die Verbreitung auch dieſer Thiere erleichtert, ja ſogar eine Art von Reiſen möglich macht, iſt ſelbſtverſtändlich. Das Leben der Kriechthiere läßt ſich mit dem der Säugethiere und Vögel kaum vergleichen; denn die Kluft zwiſchen dieſen und jenen iſt außerordentlich groß. Entſprechend der geringen Hirnmaſſe und entſprechend dem unvollkommenen Blutumlaufe führen die Kriechthiere ſo zu ſagen nur ein halbes Leben. Es gibt ſolche unter ihnen, welche wir lebhaft, beweglich, gelenkig und gewandt, liſtig und klug nennen; alle dieſe Eigenſchaften aber laſſen ſich mit denen der Säugethiere und Vögel nicht vergleichen. Jene kriechen, laufen, klettern, ſpringen und ſchwimmen; einzelne Arten können ſogar in gewiſſem Sinne fliegen, d. h. ſich mit Hilfe einer Flatterhaut, welche wie ein Fall- ſchirm gebraucht wird, über größere Entfernungen wegſchnellen, niemals jedoch von unten nach oben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/19
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/19>, abgerufen am 20.04.2024.