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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Ein Blick auf das Leben der Gesammtheit.
Unmittelbar nach der Schließung der Rückenwulst und dem Erscheinen der Wirbolsaite, sowie der
Kopfbeuge beginnt die Bildung einer anderen Eigenthümlichkeit der Keime höherer Wirbelthiere, die
der sogenannten Schafhaut nämlich. Die äußere Zellenschicht des Embryo, aus welcher sich nach
und nach die äußere Haut bildet, setzt sich zwar über den ganzen Dotter fort, denselben umfassend,
bildet aber zugleich vorn und hinten eine Falte, welche sich über das Kopf- und Schwanzende schlägt,
von allen Seiten her über den Keim gegen den Mittelpunkt des Rückens hin zusammenwächst, den
Embryo von allen Seiten her einschließt und eine unmittelbare Fortsetzung seiner Hautlage ist.
Schon vor Entstehung und vollständiger Ausbildung der Schafhaut sind auch die übrigen organischen
Systeme angelegt worden. Jn dem undurchsichtigen Theile der Keimhaut, dem sogenannten Gefäß-
hofe, haben sich die Lückenräume der ersten Gefäße, sowie die ersten Blutzellen gebildet und zugleich
ist in der Halsgegend, versteckt durch die Kopfbeuge, eine Zellenanhäufung entstanden, welche sich all-
mählich zum schlauchförmigen Herzen aushöhlt. Hinter dem Herzen liegt anfangs der ganze Körper
des Embryo platt auf dem Dotter auf, sodaß die Stelle des Darmes durch eine lange, flache Rinne
ersetzt ist, die von dem Dotter bespült wird; die Bauchwandungen schließen sich aber allmählich
zusammen, die Rinne wölbt sich zu und stellt sich bald zu einem Rohre her, das nur noch an einer
gewissen Stelle durch einen ossenen Gang mit dem Dottersacke im Zusammenhange steht. Jndem
sich nun Darm- wie Bauchwände gegen den Dotter hin mehr und mehr zusammenschließen, bleibt
endlich nur noch als letzter Zusammenhang zwischen Embryo und Dotter der Nabel übrig, der sich
erst bei der Geburt vollständig schließt. Mit dem Beginne des Darmschlusses tritt die Bildung der
Harnhaut ein. Von der Stelle aus, wo die Hinterfüße hervorsprossen, erhebt sich ein kleines, bienen-
förmiges Bläschen, welches eine Ausstülpung der vorderen Darmwände darstellt und rasch nach vorn
wächst, indem es durch den vorderen Nabelring hindurchdringt und sich nun über der Schafhaut nach
und nach ausbreitet. Während diese gänzlich geschlossen ist, hat die Hornhaut im Gegentheile eine
große Anzahl von Gefäßverzweigungen, welche eigentlich das Athmen des Embryo vermitteln.
"Gegen das Ende der Entwicklung hin findet man in dem Eie den Keim in seiner Schafhaut einge-
hüllt und an der Bauchfläche die Nabelöffnung zeigend, aus welcher der Rest des Dotters als birn-
förmige, mit mehr oder minder langem Stiele versehene Blase und der weite Umhüllungssack der
Harnhaut hervorgeht. Der Dottergang schließt sich bald vollständig ab, ebenso der Stiel des Harn-
sackes, dessen Gefäße nur noch übrig bleiben. Der Keim durchbricht nun die Schafhaut und dann
die Eischale, wozu ihm bei vielen Arten ein eigenthümlich scharfer, unpaarer Zahn dient, der aus dem
Zwischenkiefer hervorwächst und später verschwindet. Nach der Geburt schrumpfen die Gefäße des
Harnsackes ein, indem die Lunge die Athemthätigkeit übernimmt, und der Nabel vernarbt bald gänzlich,
ohne eine Spur zu hinterlassen."



Von den Kriechthieren darf man behaupten, daß sie gewesen sind; denn aus unserer gegen-
wärtigen Kenntniß der Vorweltsthiere geht hervor, daß sie nicht vorwärts, sondern zurückgingen.
Die versteinerten Reste der früher lebenden Kriechthiere, welche auf unsere Zeit übergekommen
sind, zeigen uns eine große Reihe von verschiedenen, jetzt gänzlich verschwundenen Formen, gegen
welche unsere heutigen Arten wie Zwerge erscheinen. Schon im Kupferschiefergebirge sind die Reste
echter Eidechsen vorhanden; in der Trias findet man die Ueberbleibsel der sonderbaren Meerdrachen,
im Jura diejenigen verschiedener Schildkröten, der Groß- und Flugechsen, der Krokodile und jüngerer
Meerdrachen, und zwar in einer Manchfaltigkeit, daß man die Jurazeit mit Recht die Zeit der Blüthe
unserer Klasse nennen kann. Noch in der Kreide sind einige riesige Eidechsen gefunden worden, "im
Tertiärgebirge aber, in welchem zuerst die Ueberreste echter Schlangen auftreten, ist Alles auf das

Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
Unmittelbar nach der Schließung der Rückenwulſt und dem Erſcheinen der Wirbolſaite, ſowie der
Kopfbeuge beginnt die Bildung einer anderen Eigenthümlichkeit der Keime höherer Wirbelthiere, die
der ſogenannten Schafhaut nämlich. Die äußere Zellenſchicht des Embryo, aus welcher ſich nach
und nach die äußere Haut bildet, ſetzt ſich zwar über den ganzen Dotter fort, denſelben umfaſſend,
bildet aber zugleich vorn und hinten eine Falte, welche ſich über das Kopf- und Schwanzende ſchlägt,
von allen Seiten her über den Keim gegen den Mittelpunkt des Rückens hin zuſammenwächſt, den
Embryo von allen Seiten her einſchließt und eine unmittelbare Fortſetzung ſeiner Hautlage iſt.
Schon vor Entſtehung und vollſtändiger Ausbildung der Schafhaut ſind auch die übrigen organiſchen
Syſteme angelegt worden. Jn dem undurchſichtigen Theile der Keimhaut, dem ſogenannten Gefäß-
hofe, haben ſich die Lückenräume der erſten Gefäße, ſowie die erſten Blutzellen gebildet und zugleich
iſt in der Halsgegend, verſteckt durch die Kopfbeuge, eine Zellenanhäufung entſtanden, welche ſich all-
mählich zum ſchlauchförmigen Herzen aushöhlt. Hinter dem Herzen liegt anfangs der ganze Körper
des Embryo platt auf dem Dotter auf, ſodaß die Stelle des Darmes durch eine lange, flache Rinne
erſetzt iſt, die von dem Dotter beſpült wird; die Bauchwandungen ſchließen ſich aber allmählich
zuſammen, die Rinne wölbt ſich zu und ſtellt ſich bald zu einem Rohre her, das nur noch an einer
gewiſſen Stelle durch einen oſſenen Gang mit dem Dotterſacke im Zuſammenhange ſteht. Jndem
ſich nun Darm- wie Bauchwände gegen den Dotter hin mehr und mehr zuſammenſchließen, bleibt
endlich nur noch als letzter Zuſammenhang zwiſchen Embryo und Dotter der Nabel übrig, der ſich
erſt bei der Geburt vollſtändig ſchließt. Mit dem Beginne des Darmſchluſſes tritt die Bildung der
Harnhaut ein. Von der Stelle aus, wo die Hinterfüße hervorſproſſen, erhebt ſich ein kleines, bienen-
förmiges Bläschen, welches eine Ausſtülpung der vorderen Darmwände darſtellt und raſch nach vorn
wächſt, indem es durch den vorderen Nabelring hindurchdringt und ſich nun über der Schafhaut nach
und nach ausbreitet. Während dieſe gänzlich geſchloſſen iſt, hat die Hornhaut im Gegentheile eine
große Anzahl von Gefäßverzweigungen, welche eigentlich das Athmen des Embryo vermitteln.
„Gegen das Ende der Entwicklung hin findet man in dem Eie den Keim in ſeiner Schafhaut einge-
hüllt und an der Bauchfläche die Nabelöffnung zeigend, aus welcher der Reſt des Dotters als birn-
förmige, mit mehr oder minder langem Stiele verſehene Blaſe und der weite Umhüllungsſack der
Harnhaut hervorgeht. Der Dottergang ſchließt ſich bald vollſtändig ab, ebenſo der Stiel des Harn-
ſackes, deſſen Gefäße nur noch übrig bleiben. Der Keim durchbricht nun die Schafhaut und dann
die Eiſchale, wozu ihm bei vielen Arten ein eigenthümlich ſcharfer, unpaarer Zahn dient, der aus dem
Zwiſchenkiefer hervorwächſt und ſpäter verſchwindet. Nach der Geburt ſchrumpfen die Gefäße des
Harnſackes ein, indem die Lunge die Athemthätigkeit übernimmt, und der Nabel vernarbt bald gänzlich,
ohne eine Spur zu hinterlaſſen.“



Von den Kriechthieren darf man behaupten, daß ſie geweſen ſind; denn aus unſerer gegen-
wärtigen Kenntniß der Vorweltsthiere geht hervor, daß ſie nicht vorwärts, ſondern zurückgingen.
Die verſteinerten Reſte der früher lebenden Kriechthiere, welche auf unſere Zeit übergekommen
ſind, zeigen uns eine große Reihe von verſchiedenen, jetzt gänzlich verſchwundenen Formen, gegen
welche unſere heutigen Arten wie Zwerge erſcheinen. Schon im Kupferſchiefergebirge ſind die Reſte
echter Eidechſen vorhanden; in der Trias findet man die Ueberbleibſel der ſonderbaren Meerdrachen,
im Jura diejenigen verſchiedener Schildkröten, der Groß- und Flugechſen, der Krokodile und jüngerer
Meerdrachen, und zwar in einer Manchfaltigkeit, daß man die Jurazeit mit Recht die Zeit der Blüthe
unſerer Klaſſe nennen kann. Noch in der Kreide ſind einige rieſige Eidechſen gefunden worden, „im
Tertiärgebirge aber, in welchem zuerſt die Ueberreſte echter Schlangen auftreten, iſt Alles auf das

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[6/0018] Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit. Unmittelbar nach der Schließung der Rückenwulſt und dem Erſcheinen der Wirbolſaite, ſowie der Kopfbeuge beginnt die Bildung einer anderen Eigenthümlichkeit der Keime höherer Wirbelthiere, die der ſogenannten Schafhaut nämlich. Die äußere Zellenſchicht des Embryo, aus welcher ſich nach und nach die äußere Haut bildet, ſetzt ſich zwar über den ganzen Dotter fort, denſelben umfaſſend, bildet aber zugleich vorn und hinten eine Falte, welche ſich über das Kopf- und Schwanzende ſchlägt, von allen Seiten her über den Keim gegen den Mittelpunkt des Rückens hin zuſammenwächſt, den Embryo von allen Seiten her einſchließt und eine unmittelbare Fortſetzung ſeiner Hautlage iſt. Schon vor Entſtehung und vollſtändiger Ausbildung der Schafhaut ſind auch die übrigen organiſchen Syſteme angelegt worden. Jn dem undurchſichtigen Theile der Keimhaut, dem ſogenannten Gefäß- hofe, haben ſich die Lückenräume der erſten Gefäße, ſowie die erſten Blutzellen gebildet und zugleich iſt in der Halsgegend, verſteckt durch die Kopfbeuge, eine Zellenanhäufung entſtanden, welche ſich all- mählich zum ſchlauchförmigen Herzen aushöhlt. Hinter dem Herzen liegt anfangs der ganze Körper des Embryo platt auf dem Dotter auf, ſodaß die Stelle des Darmes durch eine lange, flache Rinne erſetzt iſt, die von dem Dotter beſpült wird; die Bauchwandungen ſchließen ſich aber allmählich zuſammen, die Rinne wölbt ſich zu und ſtellt ſich bald zu einem Rohre her, das nur noch an einer gewiſſen Stelle durch einen oſſenen Gang mit dem Dotterſacke im Zuſammenhange ſteht. Jndem ſich nun Darm- wie Bauchwände gegen den Dotter hin mehr und mehr zuſammenſchließen, bleibt endlich nur noch als letzter Zuſammenhang zwiſchen Embryo und Dotter der Nabel übrig, der ſich erſt bei der Geburt vollſtändig ſchließt. Mit dem Beginne des Darmſchluſſes tritt die Bildung der Harnhaut ein. Von der Stelle aus, wo die Hinterfüße hervorſproſſen, erhebt ſich ein kleines, bienen- förmiges Bläschen, welches eine Ausſtülpung der vorderen Darmwände darſtellt und raſch nach vorn wächſt, indem es durch den vorderen Nabelring hindurchdringt und ſich nun über der Schafhaut nach und nach ausbreitet. Während dieſe gänzlich geſchloſſen iſt, hat die Hornhaut im Gegentheile eine große Anzahl von Gefäßverzweigungen, welche eigentlich das Athmen des Embryo vermitteln. „Gegen das Ende der Entwicklung hin findet man in dem Eie den Keim in ſeiner Schafhaut einge- hüllt und an der Bauchfläche die Nabelöffnung zeigend, aus welcher der Reſt des Dotters als birn- förmige, mit mehr oder minder langem Stiele verſehene Blaſe und der weite Umhüllungsſack der Harnhaut hervorgeht. Der Dottergang ſchließt ſich bald vollſtändig ab, ebenſo der Stiel des Harn- ſackes, deſſen Gefäße nur noch übrig bleiben. Der Keim durchbricht nun die Schafhaut und dann die Eiſchale, wozu ihm bei vielen Arten ein eigenthümlich ſcharfer, unpaarer Zahn dient, der aus dem Zwiſchenkiefer hervorwächſt und ſpäter verſchwindet. Nach der Geburt ſchrumpfen die Gefäße des Harnſackes ein, indem die Lunge die Athemthätigkeit übernimmt, und der Nabel vernarbt bald gänzlich, ohne eine Spur zu hinterlaſſen.“ Von den Kriechthieren darf man behaupten, daß ſie geweſen ſind; denn aus unſerer gegen- wärtigen Kenntniß der Vorweltsthiere geht hervor, daß ſie nicht vorwärts, ſondern zurückgingen. Die verſteinerten Reſte der früher lebenden Kriechthiere, welche auf unſere Zeit übergekommen ſind, zeigen uns eine große Reihe von verſchiedenen, jetzt gänzlich verſchwundenen Formen, gegen welche unſere heutigen Arten wie Zwerge erſcheinen. Schon im Kupferſchiefergebirge ſind die Reſte echter Eidechſen vorhanden; in der Trias findet man die Ueberbleibſel der ſonderbaren Meerdrachen, im Jura diejenigen verſchiedener Schildkröten, der Groß- und Flugechſen, der Krokodile und jüngerer Meerdrachen, und zwar in einer Manchfaltigkeit, daß man die Jurazeit mit Recht die Zeit der Blüthe unſerer Klaſſe nennen kann. Noch in der Kreide ſind einige rieſige Eidechſen gefunden worden, „im Tertiärgebirge aber, in welchem zuerſt die Ueberreſte echter Schlangen auftreten, iſt Alles auf das

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/18>, abgerufen am 23.04.2024.