Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite
Baumwiedehopf. Kletterdrossel.

Die Bündelnistler (Phacellodomus) kennzeichnen sich durch kurzen, stark zusammengedrückten,
ziemlich geraden, nur an der Spitze sanft herabgebogenen Schnabel, durch hohe und starkläufige Füße,
abgerundete Flügel und einen aus schmalen, weichen, an der Spitze breiteren und zugerundeten
Federn bestehenden Schwanz. Sie erinnern in mancher Hinsicht an die Grasmücken.

Die Kletterdrossel (Phacellodomus rufifrons) ist auf der Oberseite hellbräunlicholivengrau,
auf der Unterseite blaßbräunlichweißgrau; die Schwungfedern sind graubraun, mit blaßröthlichem
Schimmer auf der Vorderfahne; die Stirn ist dunkelrostbraun, ein Streifen über dem Auge weiß.
Das Auge ist aschgrau, der Schnabel oben dunkelhorngraubraun, unten weißlichhorngrau, der Fuß
blaßbläulichhornfarben. Die Länge beträgt nach den Messungen des Prinzen von Wied 61/4,
die Fittiglänge 21/4, die Schwanzlänge 21/2 Zoll.

"Dieser niedliche Vogel", sagt der Prinz, "ist mir in den großen Küstenländern nie vorgekom-
men, und ich habe ihn blos in den inneren, höheren, von der Sonnenhitze ausgetrockneten Gegenden
des Sertong der Provinzen Geraes und Bahia gefunden, wo er die offenen, mit Gebüschen
abwechselnden Gegenden bewohnt und behend von einem Baume oder Strauche zu dem andern fliegt
und hüpft. Jn der Lebensweise ähnelt er den verwandten Arten, und namentlich scheint er dem
rothäugigen Baumsteiger (Anabates erythrophthalmus) nahe zu stehen." Von letzterem bemerkt der
Prinz Folgendes: "Er gehört zu jenen Vögeln der geschlossenen Waldung, welche man von fern an
ihrer sonderbaren, aus einigen immer gleichartig modulirten Tönen bestehenden, lauten Stimme
erkennen kann. Jch hielt mich in einer verlassenen Hütte im Urwald mehrere Tage auf und hörte
nun beständig in den hohen, von den manchfaltigsten Schlinggewächsen verflochtenen Waldstämmen,
welche die niederen Büsche umgaben, die sonderbare, aus sechs Tönen bestehende Stimme eines
Vogels, den ich nicht kennen zu lernen vermochte, bis mir der Zufall endlich günstig war. Dieser
Vogel lebt in den dichten, hohen Urwaldungen, in der Brütezeit gepaart, im übrigen Theil des Jahres
familienweise. Eine solche Familie wohnte nahe bei uns, und ich konnte sie vollkommen beobachten.
Jn der mit niederen Gebüschen bedeckten Pflanzung standen einige alte hohe Stämme, mit stark
belaubter Krone, welche bei der Urbarmachung dieses Fleckens der Zerstörung entgangen waren.
Von einem dieser Bäume hing an einer langen, dünnen Schlingpflanze ein Bündel von Reisig herab,
welches das Nest dieser Vögel war. Jn dieses sahen wir sie täglich einschlüpfen. Am Tage durch-
strichen sie gemeinschaftlich die benachbarten Waldungen und ließen dabei beständig ihre laute, son-
derbare Stimme vernehmen. Sobald der Abend herankam, hörte man die Familie sich nähern und
sah nun die Vögel einzeln hinter einander von Ast zu Ast hüpfen, alsdann aber zwei von ihnen,
wahrscheinlich die beiden Jungen, schnell an das hängende Nest fliegen und einkriechen. Sie pflegten
hier, obwohl sie schon vollkommen erwachsen waren, regelmäßig zu übernachten. Wenn sie sich im
Neste befanden, konnte man mit einem starken Pfeil mehreremale gegen dasselbe schießen, bevor sie
es verließen. Sowie der Tag anbrach, verließen sie ihren Aufenthalt wieder, ließen sogleich im
hohen Walde ihre Stimme hören und antworteten sich gegenseitig. Sie scheinen muntere Vögel zu
sein und sich sehr zu lieben, da sie sich beständig antworten und am Abend vereinigen. Sie hüpften
mit kurz eingezogenen Füßen auf den Zweigen umher, ihren langen, gewöhnlich unordentlich
bündelförmig ausgebreiteten Schwanz ein wenig aufgerichtet, denselben auch wohl bewegend, stiegen
in allen Richtungen an den Schlingpflanzen, welche die Waldstämme manchfach umflechten, hin und
her, gewöhnlich hüpfend und seitwärts, also nicht nach Art der Spechte. Den Magen fand ich mit
Kerbthieren angefüllt."

"Das Nest der Kletterdrossel", fährt unser Gewährsmann fort, "fand ich in der Mitte
Februars und zwar wiederholt immer an niederen, schlanken Seitenästen mittelmäßig hoher Bäume.
Dieses Nest bildet einen länglichrunden, großen Bündel von kurzen, zum Theil halbfingerdicken
Reisern, welche auf manchfaltige Art quer durcheinander gefilzt und auf einander gehäuft sind.
Jhre Wände stehen sämmtlich nach allen Seiten unordentlich hinaus, sodaß man das Ganze, welches

Baumwiedehopf. Kletterdroſſel.

Die Bündelniſtler (Phacellodomus) kennzeichnen ſich durch kurzen, ſtark zuſammengedrückten,
ziemlich geraden, nur an der Spitze ſanft herabgebogenen Schnabel, durch hohe und ſtarkläufige Füße,
abgerundete Flügel und einen aus ſchmalen, weichen, an der Spitze breiteren und zugerundeten
Federn beſtehenden Schwanz. Sie erinnern in mancher Hinſicht an die Grasmücken.

Die Kletterdroſſel (Phacellodomus rufifrons) iſt auf der Oberſeite hellbräunlicholivengrau,
auf der Unterſeite blaßbräunlichweißgrau; die Schwungfedern ſind graubraun, mit blaßröthlichem
Schimmer auf der Vorderfahne; die Stirn iſt dunkelroſtbraun, ein Streifen über dem Auge weiß.
Das Auge iſt aſchgrau, der Schnabel oben dunkelhorngraubraun, unten weißlichhorngrau, der Fuß
blaßbläulichhornfarben. Die Länge beträgt nach den Meſſungen des Prinzen von Wied 6¼,
die Fittiglänge 2¼, die Schwanzlänge 2½ Zoll.

„Dieſer niedliche Vogel“, ſagt der Prinz, „iſt mir in den großen Küſtenländern nie vorgekom-
men, und ich habe ihn blos in den inneren, höheren, von der Sonnenhitze ausgetrockneten Gegenden
des Sertong der Provinzen Geraës und Bahia gefunden, wo er die offenen, mit Gebüſchen
abwechſelnden Gegenden bewohnt und behend von einem Baume oder Strauche zu dem andern fliegt
und hüpft. Jn der Lebensweiſe ähnelt er den verwandten Arten, und namentlich ſcheint er dem
rothäugigen Baumſteiger (Anabates erythrophthalmus) nahe zu ſtehen.“ Von letzterem bemerkt der
Prinz Folgendes: „Er gehört zu jenen Vögeln der geſchloſſenen Waldung, welche man von fern an
ihrer ſonderbaren, aus einigen immer gleichartig modulirten Tönen beſtehenden, lauten Stimme
erkennen kann. Jch hielt mich in einer verlaſſenen Hütte im Urwald mehrere Tage auf und hörte
nun beſtändig in den hohen, von den manchfaltigſten Schlinggewächſen verflochtenen Waldſtämmen,
welche die niederen Büſche umgaben, die ſonderbare, aus ſechs Tönen beſtehende Stimme eines
Vogels, den ich nicht kennen zu lernen vermochte, bis mir der Zufall endlich günſtig war. Dieſer
Vogel lebt in den dichten, hohen Urwaldungen, in der Brütezeit gepaart, im übrigen Theil des Jahres
familienweiſe. Eine ſolche Familie wohnte nahe bei uns, und ich konnte ſie vollkommen beobachten.
Jn der mit niederen Gebüſchen bedeckten Pflanzung ſtanden einige alte hohe Stämme, mit ſtark
belaubter Krone, welche bei der Urbarmachung dieſes Fleckens der Zerſtörung entgangen waren.
Von einem dieſer Bäume hing an einer langen, dünnen Schlingpflanze ein Bündel von Reiſig herab,
welches das Neſt dieſer Vögel war. Jn dieſes ſahen wir ſie täglich einſchlüpfen. Am Tage durch-
ſtrichen ſie gemeinſchaftlich die benachbarten Waldungen und ließen dabei beſtändig ihre laute, ſon-
derbare Stimme vernehmen. Sobald der Abend herankam, hörte man die Familie ſich nähern und
ſah nun die Vögel einzeln hinter einander von Aſt zu Aſt hüpfen, alsdann aber zwei von ihnen,
wahrſcheinlich die beiden Jungen, ſchnell an das hängende Neſt fliegen und einkriechen. Sie pflegten
hier, obwohl ſie ſchon vollkommen erwachſen waren, regelmäßig zu übernachten. Wenn ſie ſich im
Neſte befanden, konnte man mit einem ſtarken Pfeil mehreremale gegen daſſelbe ſchießen, bevor ſie
es verließen. Sowie der Tag anbrach, verließen ſie ihren Aufenthalt wieder, ließen ſogleich im
hohen Walde ihre Stimme hören und antworteten ſich gegenſeitig. Sie ſcheinen muntere Vögel zu
ſein und ſich ſehr zu lieben, da ſie ſich beſtändig antworten und am Abend vereinigen. Sie hüpften
mit kurz eingezogenen Füßen auf den Zweigen umher, ihren langen, gewöhnlich unordentlich
bündelförmig ausgebreiteten Schwanz ein wenig aufgerichtet, denſelben auch wohl bewegend, ſtiegen
in allen Richtungen an den Schlingpflanzen, welche die Waldſtämme manchfach umflechten, hin und
her, gewöhnlich hüpfend und ſeitwärts, alſo nicht nach Art der Spechte. Den Magen fand ich mit
Kerbthieren angefüllt.“

„Das Neſt der Kletterdroſſel“, fährt unſer Gewährsmann fort, „fand ich in der Mitte
Februars und zwar wiederholt immer an niederen, ſchlanken Seitenäſten mittelmäßig hoher Bäume.
Dieſes Neſt bildet einen länglichrunden, großen Bündel von kurzen, zum Theil halbfingerdicken
Reiſern, welche auf manchfaltige Art quer durcheinander gefilzt und auf einander gehäuft ſind.
Jhre Wände ſtehen ſämmtlich nach allen Seiten unordentlich hinaus, ſodaß man das Ganze, welches

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0041" n="29"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Baumwiedehopf. Kletterdro&#x017F;&#x017F;el.</hi> </fw><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Bündelni&#x017F;tler</hi> <hi rendition="#aq">(Phacellodomus)</hi> kennzeichnen &#x017F;ich durch kurzen, &#x017F;tark zu&#x017F;ammengedrückten,<lb/>
ziemlich geraden, nur an der Spitze &#x017F;anft herabgebogenen Schnabel, durch hohe und &#x017F;tarkläufige Füße,<lb/>
abgerundete Flügel und einen aus &#x017F;chmalen, weichen, an der Spitze breiteren und zugerundeten<lb/>
Federn be&#x017F;tehenden Schwanz. Sie erinnern in mancher Hin&#x017F;icht an die Grasmücken.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Kletterdro&#x017F;&#x017F;el</hi> <hi rendition="#aq">(Phacellodomus rufifrons)</hi> i&#x017F;t auf der Ober&#x017F;eite hellbräunlicholivengrau,<lb/>
auf der Unter&#x017F;eite blaßbräunlichweißgrau; die Schwungfedern &#x017F;ind graubraun, mit blaßröthlichem<lb/>
Schimmer auf der Vorderfahne; die Stirn i&#x017F;t dunkelro&#x017F;tbraun, ein Streifen über dem Auge weiß.<lb/>
Das Auge i&#x017F;t a&#x017F;chgrau, der Schnabel oben dunkelhorngraubraun, unten weißlichhorngrau, der Fuß<lb/>
blaßbläulichhornfarben. Die Länge beträgt nach den Me&#x017F;&#x017F;ungen des <hi rendition="#g">Prinzen von Wied</hi> 6¼,<lb/>
die Fittiglänge 2¼, die Schwanzlänge 2½ Zoll.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die&#x017F;er niedliche Vogel&#x201C;, &#x017F;agt der <hi rendition="#g">Prinz,</hi> &#x201E;i&#x017F;t mir in den großen Kü&#x017F;tenländern nie vorgekom-<lb/>
men, und ich habe ihn blos in den inneren, höheren, von der Sonnenhitze ausgetrockneten Gegenden<lb/>
des Sertong der Provinzen Gera<hi rendition="#aq">ë</hi>s und Bahia gefunden, wo er die offenen, mit Gebü&#x017F;chen<lb/>
abwech&#x017F;elnden Gegenden bewohnt und behend von einem Baume oder Strauche zu dem andern fliegt<lb/>
und hüpft. Jn der Lebenswei&#x017F;e ähnelt er den verwandten Arten, und namentlich &#x017F;cheint er dem<lb/>
rothäugigen Baum&#x017F;teiger <hi rendition="#aq">(Anabates erythrophthalmus)</hi> nahe zu &#x017F;tehen.&#x201C; Von letzterem bemerkt der<lb/><hi rendition="#g">Prinz</hi> Folgendes: &#x201E;Er gehört zu jenen Vögeln der ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Waldung, welche man von fern an<lb/>
ihrer &#x017F;onderbaren, aus einigen immer gleichartig modulirten Tönen be&#x017F;tehenden, lauten Stimme<lb/>
erkennen kann. Jch hielt mich in einer verla&#x017F;&#x017F;enen Hütte im Urwald mehrere Tage auf und hörte<lb/>
nun be&#x017F;tändig in den hohen, von den manchfaltig&#x017F;ten Schlinggewäch&#x017F;en verflochtenen Wald&#x017F;tämmen,<lb/>
welche die niederen Bü&#x017F;che umgaben, die &#x017F;onderbare, aus &#x017F;echs Tönen be&#x017F;tehende Stimme eines<lb/>
Vogels, den ich nicht kennen zu lernen vermochte, bis mir der Zufall endlich gün&#x017F;tig war. Die&#x017F;er<lb/>
Vogel lebt in den dichten, hohen Urwaldungen, in der Brütezeit gepaart, im übrigen Theil des Jahres<lb/>
familienwei&#x017F;e. Eine &#x017F;olche Familie wohnte nahe bei uns, und ich konnte &#x017F;ie vollkommen beobachten.<lb/>
Jn der mit niederen Gebü&#x017F;chen bedeckten Pflanzung &#x017F;tanden einige alte hohe Stämme, mit &#x017F;tark<lb/>
belaubter Krone, welche bei der Urbarmachung die&#x017F;es Fleckens der Zer&#x017F;törung entgangen waren.<lb/>
Von einem die&#x017F;er Bäume hing an einer langen, dünnen Schlingpflanze ein Bündel von Rei&#x017F;ig herab,<lb/>
welches das Ne&#x017F;t die&#x017F;er Vögel war. Jn die&#x017F;es &#x017F;ahen wir &#x017F;ie täglich ein&#x017F;chlüpfen. Am Tage durch-<lb/>
&#x017F;trichen &#x017F;ie gemein&#x017F;chaftlich die benachbarten Waldungen und ließen dabei be&#x017F;tändig ihre laute, &#x017F;on-<lb/>
derbare Stimme vernehmen. Sobald der Abend herankam, hörte man die Familie &#x017F;ich nähern und<lb/>
&#x017F;ah nun die Vögel einzeln hinter einander von A&#x017F;t zu A&#x017F;t hüpfen, alsdann aber zwei von ihnen,<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich die beiden Jungen, &#x017F;chnell an das hängende Ne&#x017F;t fliegen und einkriechen. Sie pflegten<lb/>
hier, obwohl &#x017F;ie &#x017F;chon vollkommen erwach&#x017F;en waren, regelmäßig zu übernachten. Wenn &#x017F;ie &#x017F;ich im<lb/>
Ne&#x017F;te befanden, konnte man mit einem &#x017F;tarken Pfeil mehreremale gegen da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;chießen, bevor &#x017F;ie<lb/>
es verließen. Sowie der Tag anbrach, verließen &#x017F;ie ihren Aufenthalt wieder, ließen &#x017F;ogleich im<lb/>
hohen Walde ihre Stimme hören und antworteten &#x017F;ich gegen&#x017F;eitig. Sie &#x017F;cheinen muntere Vögel zu<lb/>
&#x017F;ein und &#x017F;ich &#x017F;ehr zu lieben, da &#x017F;ie &#x017F;ich be&#x017F;tändig antworten und am Abend vereinigen. Sie hüpften<lb/>
mit kurz eingezogenen Füßen auf den Zweigen umher, ihren langen, gewöhnlich unordentlich<lb/>
bündelförmig ausgebreiteten Schwanz ein wenig aufgerichtet, den&#x017F;elben auch wohl bewegend, &#x017F;tiegen<lb/>
in allen Richtungen an den Schlingpflanzen, welche die Wald&#x017F;tämme manchfach umflechten, hin und<lb/>
her, gewöhnlich hüpfend und &#x017F;eitwärts, al&#x017F;o nicht nach Art der Spechte. Den Magen fand ich mit<lb/>
Kerbthieren angefüllt.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das Ne&#x017F;t der Kletterdro&#x017F;&#x017F;el&#x201C;, fährt un&#x017F;er Gewährsmann fort, &#x201E;fand ich in der Mitte<lb/>
Februars und zwar wiederholt immer an niederen, &#x017F;chlanken Seitenä&#x017F;ten mittelmäßig hoher Bäume.<lb/>
Die&#x017F;es Ne&#x017F;t bildet einen länglichrunden, großen Bündel von kurzen, zum Theil halbfingerdicken<lb/>
Rei&#x017F;ern, welche auf manchfaltige Art quer durcheinander gefilzt und auf einander gehäuft &#x017F;ind.<lb/>
Jhre Wände &#x017F;tehen &#x017F;ämmtlich nach allen Seiten unordentlich hinaus, &#x017F;odaß man das Ganze, welches<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0041] Baumwiedehopf. Kletterdroſſel. Die Bündelniſtler (Phacellodomus) kennzeichnen ſich durch kurzen, ſtark zuſammengedrückten, ziemlich geraden, nur an der Spitze ſanft herabgebogenen Schnabel, durch hohe und ſtarkläufige Füße, abgerundete Flügel und einen aus ſchmalen, weichen, an der Spitze breiteren und zugerundeten Federn beſtehenden Schwanz. Sie erinnern in mancher Hinſicht an die Grasmücken. Die Kletterdroſſel (Phacellodomus rufifrons) iſt auf der Oberſeite hellbräunlicholivengrau, auf der Unterſeite blaßbräunlichweißgrau; die Schwungfedern ſind graubraun, mit blaßröthlichem Schimmer auf der Vorderfahne; die Stirn iſt dunkelroſtbraun, ein Streifen über dem Auge weiß. Das Auge iſt aſchgrau, der Schnabel oben dunkelhorngraubraun, unten weißlichhorngrau, der Fuß blaßbläulichhornfarben. Die Länge beträgt nach den Meſſungen des Prinzen von Wied 6¼, die Fittiglänge 2¼, die Schwanzlänge 2½ Zoll. „Dieſer niedliche Vogel“, ſagt der Prinz, „iſt mir in den großen Küſtenländern nie vorgekom- men, und ich habe ihn blos in den inneren, höheren, von der Sonnenhitze ausgetrockneten Gegenden des Sertong der Provinzen Geraës und Bahia gefunden, wo er die offenen, mit Gebüſchen abwechſelnden Gegenden bewohnt und behend von einem Baume oder Strauche zu dem andern fliegt und hüpft. Jn der Lebensweiſe ähnelt er den verwandten Arten, und namentlich ſcheint er dem rothäugigen Baumſteiger (Anabates erythrophthalmus) nahe zu ſtehen.“ Von letzterem bemerkt der Prinz Folgendes: „Er gehört zu jenen Vögeln der geſchloſſenen Waldung, welche man von fern an ihrer ſonderbaren, aus einigen immer gleichartig modulirten Tönen beſtehenden, lauten Stimme erkennen kann. Jch hielt mich in einer verlaſſenen Hütte im Urwald mehrere Tage auf und hörte nun beſtändig in den hohen, von den manchfaltigſten Schlinggewächſen verflochtenen Waldſtämmen, welche die niederen Büſche umgaben, die ſonderbare, aus ſechs Tönen beſtehende Stimme eines Vogels, den ich nicht kennen zu lernen vermochte, bis mir der Zufall endlich günſtig war. Dieſer Vogel lebt in den dichten, hohen Urwaldungen, in der Brütezeit gepaart, im übrigen Theil des Jahres familienweiſe. Eine ſolche Familie wohnte nahe bei uns, und ich konnte ſie vollkommen beobachten. Jn der mit niederen Gebüſchen bedeckten Pflanzung ſtanden einige alte hohe Stämme, mit ſtark belaubter Krone, welche bei der Urbarmachung dieſes Fleckens der Zerſtörung entgangen waren. Von einem dieſer Bäume hing an einer langen, dünnen Schlingpflanze ein Bündel von Reiſig herab, welches das Neſt dieſer Vögel war. Jn dieſes ſahen wir ſie täglich einſchlüpfen. Am Tage durch- ſtrichen ſie gemeinſchaftlich die benachbarten Waldungen und ließen dabei beſtändig ihre laute, ſon- derbare Stimme vernehmen. Sobald der Abend herankam, hörte man die Familie ſich nähern und ſah nun die Vögel einzeln hinter einander von Aſt zu Aſt hüpfen, alsdann aber zwei von ihnen, wahrſcheinlich die beiden Jungen, ſchnell an das hängende Neſt fliegen und einkriechen. Sie pflegten hier, obwohl ſie ſchon vollkommen erwachſen waren, regelmäßig zu übernachten. Wenn ſie ſich im Neſte befanden, konnte man mit einem ſtarken Pfeil mehreremale gegen daſſelbe ſchießen, bevor ſie es verließen. Sowie der Tag anbrach, verließen ſie ihren Aufenthalt wieder, ließen ſogleich im hohen Walde ihre Stimme hören und antworteten ſich gegenſeitig. Sie ſcheinen muntere Vögel zu ſein und ſich ſehr zu lieben, da ſie ſich beſtändig antworten und am Abend vereinigen. Sie hüpften mit kurz eingezogenen Füßen auf den Zweigen umher, ihren langen, gewöhnlich unordentlich bündelförmig ausgebreiteten Schwanz ein wenig aufgerichtet, denſelben auch wohl bewegend, ſtiegen in allen Richtungen an den Schlingpflanzen, welche die Waldſtämme manchfach umflechten, hin und her, gewöhnlich hüpfend und ſeitwärts, alſo nicht nach Art der Spechte. Den Magen fand ich mit Kerbthieren angefüllt.“ „Das Neſt der Kletterdroſſel“, fährt unſer Gewährsmann fort, „fand ich in der Mitte Februars und zwar wiederholt immer an niederen, ſchlanken Seitenäſten mittelmäßig hoher Bäume. Dieſes Neſt bildet einen länglichrunden, großen Bündel von kurzen, zum Theil halbfingerdicken Reiſern, welche auf manchfaltige Art quer durcheinander gefilzt und auf einander gehäuft ſind. Jhre Wände ſtehen ſämmtlich nach allen Seiten unordentlich hinaus, ſodaß man das Ganze, welches

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/41
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/41>, abgerufen am 20.04.2024.