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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Brutgeschäft.
senwand und glaubt sich ganz allein; ringsumher herrscht die tiefste Stille, welche in allen wärmeren
Gegenden Amerikas die Mitte des Tages bezeichnet, wo die meisten Thiere in Schlaf versunken sind.
Eine Art von Knurren wird von allen Seiten her hörbar; allein man sieht sich umsonst nach den
Thieren um, welche es hervorbringen könnten. Plötzlich ertönt der Warnungsruf eines Papageien;
er wird von vielen anderen beantwortet, und ehe man noch recht das Ganze begreift, ist man von
Scharen jener zänkischen Vögel umringt, die mit augenscheinlichem Zorn in engem Kreise um den
Wanderer fliegen und auf ihn zu stoßen drohen. Aus der Menge von Löchern in der mürben Fels-
wand blicken, possirlich genug, die runden Köpfe der Papageien hervor, und was von ihnen nicht
umherfliegt, stimmt wenigstens durch lautes Schreien in den Aufruhr ein. Jede Oessnung bezeichnet
ein Nest, das von den Eignern in den Thonschichten, welche sich zwischen den Felswänden befinden,
ausgehöhlt wird, und gar nicht selten mag man von ihnen einige hundert zählen. Jmmer sind
aber solche Ansiedelungen so klug angelegt, daß weder von unten noch von oben ein Raubthier sich
ihnen nähern kann." Derartige Gesellschaften können sich im Walde nicht sammeln, weil hier die
Schwierigkeit der Nestanlage größer ist. Alte Bäume mit vielen Höhlungen werden hier sehr ge-
sucht, -- in Mittelafrika vor Allen die Adansonien, auf oder in denen selbst dann Papageien nisten,
wenn die Riesenbäume außerhalb des Waldes stehen. So fand ich eine vereinzelte Gruppe von
Affenbrodbäumen in der kordofanischen Steppe von Papageien bevölkert, obgleich die Bäume noch
nicht einmal ihren Blätterschmuck angelegt hatten. Ohne ihre Höhlungen wären sie ganz sicher ge-
mieden worden!

Nicht immer finden die Papageien einen Nistbaum, dessen hohles Jnnere ein geschickter Specht
oder ein freundlicher Zufall erschloß, sondern sie selbst müssen oft genug die ihnen nöthige Kinder-
stube herrichten. Dann beweisen sie, wie vielseitig ihr Schnabel verwendet werden kann. Mit
ihm arbeitet der Papagei und zwar hauptsächlich, nicht aber ausschließlich, der weibliche Gatte des
Paares, ein kleines Loch, welches einen versprechenden Einblick in das morsche Jnnere gestattet,
zweckmäßig aus. Der Vogel zeigt sich dabei sehr geschickt. Er hängt sich wie ein Specht an der
Rinde an und nagt mehr, als er schneidet, mit dem Schnabel einen Holzspan nach dem andern
ab, bis das Haus gegründet. Das währt manchmal wochenlang; aber Ausdauer erringt das Ziel.
Uebrigens ist die Höhle die Hauptsache: auf das Nest selbst kommt es nicht an. Ein paar Späne
unten auf dem Boden genügen zur Unterlage der Eier. Selbst eine Höhle, welche viel zu wünschen
übrig läßt, befriedigt die bescheidenen Anforderungen des brütenden Papageien. "An dem weißen
Stamme einer Jrimipalme", schildert Pöppig, "wird ein glänzender Schweif von himmelblauen
Federn sichtbar; er verräth den gelben Arara, welcher dort beschäftigt ist, ein Spechtloch mit seinem
starken Schnabel zum Nesten zu erweitern, aus dem jedoch der ellenlange Schmuck auch beim Brüten
heraushängt." Das Weibchen brütet in der Negel allein, wird aber, so lange es auf den Eiern
sitzt, vom Männchen gefüttert und durch kosendes Schwatzen unterhalten. Eine Ausnahme von dieser
Regel macht das Männchen des Haubensittich (Nymphicus) aus Neuholland, welcher sich aber
dafür der Mühewaltung des Brütens nicht entzieht, sondern seine Gattin ordentlich ablöst. Bei
kleineren Arten, wie z. B. bei dem Wellensittich, beträgt die Brutzeit sechszehn bis achtzehn Tage;
von andern Papageien sind neunzehn, dreiundzwanzig, fünfundzwanzig Tage vermerkt worden; wie
lange Araras brüten mögen, ist unbekannt. Die Jungen entschlüpfen dem Ei als äußerst hilflose
Wesen; ihre Entwickelung geht aber überraschend schnell vor sich. Sie sind anfänglich mit Flaum sehr
spärlich bekleidet; nach fünf bis sechs Tagen brechen die ersten Federstoppeln hervor; am achten oder
zehnten Tage ihres Lebens öffnen sie die Augen. Wellensittiche verließen am 33. Tage ihres Daseins
das Nest und flogen zwei Tage später umher. Bemerkenswerth ist, daß sich im Schnabel einzelner
jungen Papageien zahnartige Gebilde entwickeln, welche später wieder verschwinden, indem sie aus-
fallen und durch Knorpelmasse ersetzt werden. Man nimmt an, daß diese Zähne nichts Anderes sind,
als die mit Hornwarzen bedeckten Enden jener Blutgefäße und Nerven, welche den Aufbau des
Schnabels ermöglichen und regeln.

Brutgeſchäft.
ſenwand und glaubt ſich ganz allein; ringsumher herrſcht die tiefſte Stille, welche in allen wärmeren
Gegenden Amerikas die Mitte des Tages bezeichnet, wo die meiſten Thiere in Schlaf verſunken ſind.
Eine Art von Knurren wird von allen Seiten her hörbar; allein man ſieht ſich umſonſt nach den
Thieren um, welche es hervorbringen könnten. Plötzlich ertönt der Warnungsruf eines Papageien;
er wird von vielen anderen beantwortet, und ehe man noch recht das Ganze begreift, iſt man von
Scharen jener zänkiſchen Vögel umringt, die mit augenſcheinlichem Zorn in engem Kreiſe um den
Wanderer fliegen und auf ihn zu ſtoßen drohen. Aus der Menge von Löchern in der mürben Fels-
wand blicken, poſſirlich genug, die runden Köpfe der Papageien hervor, und was von ihnen nicht
umherfliegt, ſtimmt wenigſtens durch lautes Schreien in den Aufruhr ein. Jede Oeſſnung bezeichnet
ein Neſt, das von den Eignern in den Thonſchichten, welche ſich zwiſchen den Felswänden befinden,
ausgehöhlt wird, und gar nicht ſelten mag man von ihnen einige hundert zählen. Jmmer ſind
aber ſolche Anſiedelungen ſo klug angelegt, daß weder von unten noch von oben ein Raubthier ſich
ihnen nähern kann.‟ Derartige Geſellſchaften können ſich im Walde nicht ſammeln, weil hier die
Schwierigkeit der Neſtanlage größer iſt. Alte Bäume mit vielen Höhlungen werden hier ſehr ge-
ſucht, — in Mittelafrika vor Allen die Adanſonien, auf oder in denen ſelbſt dann Papageien niſten,
wenn die Rieſenbäume außerhalb des Waldes ſtehen. So fand ich eine vereinzelte Gruppe von
Affenbrodbäumen in der kordofaniſchen Steppe von Papageien bevölkert, obgleich die Bäume noch
nicht einmal ihren Blätterſchmuck angelegt hatten. Ohne ihre Höhlungen wären ſie ganz ſicher ge-
mieden worden!

Nicht immer finden die Papageien einen Niſtbaum, deſſen hohles Jnnere ein geſchickter Specht
oder ein freundlicher Zufall erſchloß, ſondern ſie ſelbſt müſſen oft genug die ihnen nöthige Kinder-
ſtube herrichten. Dann beweiſen ſie, wie vielſeitig ihr Schnabel verwendet werden kann. Mit
ihm arbeitet der Papagei und zwar hauptſächlich, nicht aber ausſchließlich, der weibliche Gatte des
Paares, ein kleines Loch, welches einen verſprechenden Einblick in das morſche Jnnere geſtattet,
zweckmäßig aus. Der Vogel zeigt ſich dabei ſehr geſchickt. Er hängt ſich wie ein Specht an der
Rinde an und nagt mehr, als er ſchneidet, mit dem Schnabel einen Holzſpan nach dem andern
ab, bis das Haus gegründet. Das währt manchmal wochenlang; aber Ausdauer erringt das Ziel.
Uebrigens iſt die Höhle die Hauptſache: auf das Neſt ſelbſt kommt es nicht an. Ein paar Späne
unten auf dem Boden genügen zur Unterlage der Eier. Selbſt eine Höhle, welche viel zu wünſchen
übrig läßt, befriedigt die beſcheidenen Anforderungen des brütenden Papageien. „An dem weißen
Stamme einer Jrimipalme‟, ſchildert Pöppig, „wird ein glänzender Schweif von himmelblauen
Federn ſichtbar; er verräth den gelben Arara, welcher dort beſchäftigt iſt, ein Spechtloch mit ſeinem
ſtarken Schnabel zum Neſten zu erweitern, aus dem jedoch der ellenlange Schmuck auch beim Brüten
heraushängt.‟ Das Weibchen brütet in der Negel allein, wird aber, ſo lange es auf den Eiern
ſitzt, vom Männchen gefüttert und durch koſendes Schwatzen unterhalten. Eine Ausnahme von dieſer
Regel macht das Männchen des Haubenſittich (Nymphicus) aus Neuholland, welcher ſich aber
dafür der Mühewaltung des Brütens nicht entzieht, ſondern ſeine Gattin ordentlich ablöſt. Bei
kleineren Arten, wie z. B. bei dem Wellenſittich, beträgt die Brutzeit ſechszehn bis achtzehn Tage;
von andern Papageien ſind neunzehn, dreiundzwanzig, fünfundzwanzig Tage vermerkt worden; wie
lange Araras brüten mögen, iſt unbekannt. Die Jungen entſchlüpfen dem Ei als äußerſt hilfloſe
Weſen; ihre Entwickelung geht aber überraſchend ſchnell vor ſich. Sie ſind anfänglich mit Flaum ſehr
ſpärlich bekleidet; nach fünf bis ſechs Tagen brechen die erſten Federſtoppeln hervor; am achten oder
zehnten Tage ihres Lebens öffnen ſie die Augen. Wellenſittiche verließen am 33. Tage ihres Daſeins
das Neſt und flogen zwei Tage ſpäter umher. Bemerkenswerth iſt, daß ſich im Schnabel einzelner
jungen Papageien zahnartige Gebilde entwickeln, welche ſpäter wieder verſchwinden, indem ſie aus-
fallen und durch Knorpelmaſſe erſetzt werden. Man nimmt an, daß dieſe Zähne nichts Anderes ſind,
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[13/0025] Brutgeſchäft. ſenwand und glaubt ſich ganz allein; ringsumher herrſcht die tiefſte Stille, welche in allen wärmeren Gegenden Amerikas die Mitte des Tages bezeichnet, wo die meiſten Thiere in Schlaf verſunken ſind. Eine Art von Knurren wird von allen Seiten her hörbar; allein man ſieht ſich umſonſt nach den Thieren um, welche es hervorbringen könnten. Plötzlich ertönt der Warnungsruf eines Papageien; er wird von vielen anderen beantwortet, und ehe man noch recht das Ganze begreift, iſt man von Scharen jener zänkiſchen Vögel umringt, die mit augenſcheinlichem Zorn in engem Kreiſe um den Wanderer fliegen und auf ihn zu ſtoßen drohen. Aus der Menge von Löchern in der mürben Fels- wand blicken, poſſirlich genug, die runden Köpfe der Papageien hervor, und was von ihnen nicht umherfliegt, ſtimmt wenigſtens durch lautes Schreien in den Aufruhr ein. Jede Oeſſnung bezeichnet ein Neſt, das von den Eignern in den Thonſchichten, welche ſich zwiſchen den Felswänden befinden, ausgehöhlt wird, und gar nicht ſelten mag man von ihnen einige hundert zählen. Jmmer ſind aber ſolche Anſiedelungen ſo klug angelegt, daß weder von unten noch von oben ein Raubthier ſich ihnen nähern kann.‟ Derartige Geſellſchaften können ſich im Walde nicht ſammeln, weil hier die Schwierigkeit der Neſtanlage größer iſt. Alte Bäume mit vielen Höhlungen werden hier ſehr ge- ſucht, — in Mittelafrika vor Allen die Adanſonien, auf oder in denen ſelbſt dann Papageien niſten, wenn die Rieſenbäume außerhalb des Waldes ſtehen. So fand ich eine vereinzelte Gruppe von Affenbrodbäumen in der kordofaniſchen Steppe von Papageien bevölkert, obgleich die Bäume noch nicht einmal ihren Blätterſchmuck angelegt hatten. Ohne ihre Höhlungen wären ſie ganz ſicher ge- mieden worden! Nicht immer finden die Papageien einen Niſtbaum, deſſen hohles Jnnere ein geſchickter Specht oder ein freundlicher Zufall erſchloß, ſondern ſie ſelbſt müſſen oft genug die ihnen nöthige Kinder- ſtube herrichten. Dann beweiſen ſie, wie vielſeitig ihr Schnabel verwendet werden kann. Mit ihm arbeitet der Papagei und zwar hauptſächlich, nicht aber ausſchließlich, der weibliche Gatte des Paares, ein kleines Loch, welches einen verſprechenden Einblick in das morſche Jnnere geſtattet, zweckmäßig aus. Der Vogel zeigt ſich dabei ſehr geſchickt. Er hängt ſich wie ein Specht an der Rinde an und nagt mehr, als er ſchneidet, mit dem Schnabel einen Holzſpan nach dem andern ab, bis das Haus gegründet. Das währt manchmal wochenlang; aber Ausdauer erringt das Ziel. Uebrigens iſt die Höhle die Hauptſache: auf das Neſt ſelbſt kommt es nicht an. Ein paar Späne unten auf dem Boden genügen zur Unterlage der Eier. Selbſt eine Höhle, welche viel zu wünſchen übrig läßt, befriedigt die beſcheidenen Anforderungen des brütenden Papageien. „An dem weißen Stamme einer Jrimipalme‟, ſchildert Pöppig, „wird ein glänzender Schweif von himmelblauen Federn ſichtbar; er verräth den gelben Arara, welcher dort beſchäftigt iſt, ein Spechtloch mit ſeinem ſtarken Schnabel zum Neſten zu erweitern, aus dem jedoch der ellenlange Schmuck auch beim Brüten heraushängt.‟ Das Weibchen brütet in der Negel allein, wird aber, ſo lange es auf den Eiern ſitzt, vom Männchen gefüttert und durch koſendes Schwatzen unterhalten. Eine Ausnahme von dieſer Regel macht das Männchen des Haubenſittich (Nymphicus) aus Neuholland, welcher ſich aber dafür der Mühewaltung des Brütens nicht entzieht, ſondern ſeine Gattin ordentlich ablöſt. Bei kleineren Arten, wie z. B. bei dem Wellenſittich, beträgt die Brutzeit ſechszehn bis achtzehn Tage; von andern Papageien ſind neunzehn, dreiundzwanzig, fünfundzwanzig Tage vermerkt worden; wie lange Araras brüten mögen, iſt unbekannt. Die Jungen entſchlüpfen dem Ei als äußerſt hilfloſe Weſen; ihre Entwickelung geht aber überraſchend ſchnell vor ſich. Sie ſind anfänglich mit Flaum ſehr ſpärlich bekleidet; nach fünf bis ſechs Tagen brechen die erſten Federſtoppeln hervor; am achten oder zehnten Tage ihres Lebens öffnen ſie die Augen. Wellenſittiche verließen am 33. Tage ihres Daſeins das Neſt und flogen zwei Tage ſpäter umher. Bemerkenswerth iſt, daß ſich im Schnabel einzelner jungen Papageien zahnartige Gebilde entwickeln, welche ſpäter wieder verſchwinden, indem ſie aus- fallen und durch Knorpelmaſſe erſetzt werden. Man nimmt an, daß dieſe Zähne nichts Anderes ſind, als die mit Hornwarzen bedeckten Enden jener Blutgefäße und Nerven, welche den Aufbau des Schnabels ermöglichen und regeln.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/25>, abgerufen am 29.03.2024.