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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Begabungen.
Falk besser fliegt, ein Specht gewandter klettert, ein Huhn rascher läuft, eine Ente sicherer
schwimmt, als ein Papagei. Dasselbe ließe sich aber auch zum Nachtheile der Menschen sagen! Jn Wahr-
heit sind die Papageien sehr bewegungsfähige Thiere. Die großen Arten fliegen scheinbar schwerfällig auf,
dann aber im raschen Zuge dahin. Die kleinen Arten fliegen wundervoll, so wundervoll, daß ich getrö-
stet war über einen mir entfliehenden Wellensittich, als ich ihn fliegen gesehen. Wie ein Edelfalk
jagte er durch die Luft, wie eine Schwalbe strich er dahin! "Die Araras", sagt Prinz von Wied,
"haben einen langsamen Flug, schlagen schwer mit ihren Flügeln und der lange Schweif liegt wagrecht
nach hinten hinaus; die Maracanas und Perekittos fliegen außerordentlich rasch, schnellen kräftig mit
den Flügeln, durchschneiden pfeilschnell die Luft. Die eigentlichen Papageien fliegen mäßig langsam
und schlagen sehr schnell mit ihren kurzen Flügeln, um den dicken, kurzen, schweren Körper fortzu-
treiben." Sehr viele Papageien scheinen fremd zu sein auf dem Boden und humpeln hier mehr, als sie
gehen; es gibt aber auch Erdpapageien, welche ebenso schnell und geschickt laufen, wie ein Strandvogel:
der australische Erdpapagei wird mit einer Schnepfe verglichen; von einem Graspapagei berichtet
Gould, daß er über den Boden dahin renne, wie ein Regenpfeifer! Hüpfen im Gezweig fällt
den Papageien schwer, keineswegs aber ein Sichbewegen im Geäst. Weitere Zwischenräume überfliegen,
geringere überklettern sie und zwar rasch genug, so schwerfällig Das bei einzelnen auch aussehen mag.
Sie helfen sich mit dem Schnabel und den Füßen fort, andere Vögel beziehentlich mit den Füßen
allein: -- Das ist der ganze Unterschied. Das Schwimmen verstehen sie freilich nicht besser, als ein
Huhn oder eine Drossel, und tauchen können sie gar nicht; so viel ist aber sicher, daß sie ihre Glieder
wohl zu benutzen wissen -- eins sogar weit umfänglicher, als alle übrigen Vögel: ihren Fuß näm-
lich. Er wird fast zur Hand; sie gebrauchen ihn wenigstens nach Art der Hände. Der Schnabel,
welcher bei den meisten Vögeln die Hand vertreten muß, ist bei den Papageien weit beweglicher, als
bei irgend einem anderen Mitgliede ihrer Klasse; er wird auch in vielseitigerer Weise gebraucht, als
von den übrigen Vögeln. Seine Benutzung als Kletterwerkzeug ist den Papageien eigenthümlich;
gerade dieser Art der Benutzung halber nennt man den Kreuzschnabel Kieferpapagei.

Die Stimme der Papageien ist stark, oft kreischend, aber doch nicht alles Wohlklanges bar. Sie
ist sehr biegsam und entschieden ausdrucksvoll. Einige Arten, der Wellensittich z. B., schwatzt
seinem Weibchen ein so allerliebstes Liedchen vor, daß man ihn zu den Sängern zählen würde, wäre
er kein Papagei; andere Arten lernen Lieder pfeifen, mit solcher Reinheit, daß sie einen Gimpel
beschämen. Die Begabung der Papageien für Nachahmung menschlicher Laute und Worte ist bekannt.
Sie übertreffen hierin alle übrigen Thiere; sie leisten Bewunderungswürdiges, Unglaubliches; sie
plappern nicht, sondern sie sprechen: sie wissen, was sie durch Worte ausdrücken!

Es ist, um die Stellung der Papageien im System zu beweisen, unnöthig, nach Vorstehendem
noch Etwas zu sagen. Die Papageien sind auch hinsichtlich ihrer Stellung die Affen unter den Vö-
geln, d. h. die menschlichsten und höchststehenden von allen. Es gibt nur einen Platz für sie: sie
müssen an die Spitze ihrer Klasse gestellt werden.

Nun sagt aber Cabanis, unbedingt einer der kenntnißreichsten Vogelkundigen, gerade von
den Papageien, daß die große Schwingenzahl und die netzartige Hautbekleidung des Fußes eine
niedere Stellung bekunde, weshalb man die Papageien als niederste Familie der Paarzeher oder
Klettervögel zu betrachten habe! Da das von dem genannten Gelehrten aufgestellte System die
Vögel in fortlaufender Reihe ordnet, ihre höhere oder niedere Ausbildung also berücksichtigen will,
erhalten die Papageien eine so tiefe Stellung, daß ein Gimpel ihnen gegenüber als ein erhabener
Vogel aufgefaßt werden müßte. Die Papageien, sie die klugen, lebhaften, wohlgebildeten Vögel,
stehen nach der Ansicht des gedachten Forschers nicht blos unter Kukuken und Spechten,
sondern auch unter den dummen Nageschnäbeln, den trägen Glanzvögeln, den mißgestalteten
Bartvögeln! Und warum? Weil die Horntafeln, welche ihren Lauf bekleiden, klein, weil die
Schwungfedern, welche ihren Flügel bilden, zahlreich sind! Cabanis hat entdeckt, daß die ange-
gebenen Merkmale bei wirklich tief stehenden Vögeln sich finden und folgert daraus, daß die entgegenge-

Begabungen.
Falk beſſer fliegt, ein Specht gewandter klettert, ein Huhn raſcher läuft, eine Ente ſicherer
ſchwimmt, als ein Papagei. Daſſelbe ließe ſich aber auch zum Nachtheile der Menſchen ſagen! Jn Wahr-
heit ſind die Papageien ſehr bewegungsfähige Thiere. Die großen Arten fliegen ſcheinbar ſchwerfällig auf,
dann aber im raſchen Zuge dahin. Die kleinen Arten fliegen wundervoll, ſo wundervoll, daß ich getrö-
ſtet war über einen mir entfliehenden Wellenſittich, als ich ihn fliegen geſehen. Wie ein Edelfalk
jagte er durch die Luft, wie eine Schwalbe ſtrich er dahin! „Die Araras‟, ſagt Prinz von Wied,
„haben einen langſamen Flug, ſchlagen ſchwer mit ihren Flügeln und der lange Schweif liegt wagrecht
nach hinten hinaus; die Maracanas und Perekittos fliegen außerordentlich raſch, ſchnellen kräftig mit
den Flügeln, durchſchneiden pfeilſchnell die Luft. Die eigentlichen Papageien fliegen mäßig langſam
und ſchlagen ſehr ſchnell mit ihren kurzen Flügeln, um den dicken, kurzen, ſchweren Körper fortzu-
treiben.‟ Sehr viele Papageien ſcheinen fremd zu ſein auf dem Boden und humpeln hier mehr, als ſie
gehen; es gibt aber auch Erdpapageien, welche ebenſo ſchnell und geſchickt laufen, wie ein Strandvogel:
der auſtraliſche Erdpapagei wird mit einer Schnepfe verglichen; von einem Graspapagei berichtet
Gould, daß er über den Boden dahin renne, wie ein Regenpfeifer! Hüpfen im Gezweig fällt
den Papageien ſchwer, keineswegs aber ein Sichbewegen im Geäſt. Weitere Zwiſchenräume überfliegen,
geringere überklettern ſie und zwar raſch genug, ſo ſchwerfällig Das bei einzelnen auch ausſehen mag.
Sie helfen ſich mit dem Schnabel und den Füßen fort, andere Vögel beziehentlich mit den Füßen
allein: — Das iſt der ganze Unterſchied. Das Schwimmen verſtehen ſie freilich nicht beſſer, als ein
Huhn oder eine Droſſel, und tauchen können ſie gar nicht; ſo viel iſt aber ſicher, daß ſie ihre Glieder
wohl zu benutzen wiſſen — eins ſogar weit umfänglicher, als alle übrigen Vögel: ihren Fuß näm-
lich. Er wird faſt zur Hand; ſie gebrauchen ihn wenigſtens nach Art der Hände. Der Schnabel,
welcher bei den meiſten Vögeln die Hand vertreten muß, iſt bei den Papageien weit beweglicher, als
bei irgend einem anderen Mitgliede ihrer Klaſſe; er wird auch in vielſeitigerer Weiſe gebraucht, als
von den übrigen Vögeln. Seine Benutzung als Kletterwerkzeug iſt den Papageien eigenthümlich;
gerade dieſer Art der Benutzung halber nennt man den Kreuzſchnabel Kieferpapagei.

Die Stimme der Papageien iſt ſtark, oft kreiſchend, aber doch nicht alles Wohlklanges bar. Sie
iſt ſehr biegſam und entſchieden ausdrucksvoll. Einige Arten, der Wellenſittich z. B., ſchwatzt
ſeinem Weibchen ein ſo allerliebſtes Liedchen vor, daß man ihn zu den Sängern zählen würde, wäre
er kein Papagei; andere Arten lernen Lieder pfeifen, mit ſolcher Reinheit, daß ſie einen Gimpel
beſchämen. Die Begabung der Papageien für Nachahmung menſchlicher Laute und Worte iſt bekannt.
Sie übertreffen hierin alle übrigen Thiere; ſie leiſten Bewunderungswürdiges, Unglaubliches; ſie
plappern nicht, ſondern ſie ſprechen: ſie wiſſen, was ſie durch Worte ausdrücken!

Es iſt, um die Stellung der Papageien im Syſtem zu beweiſen, unnöthig, nach Vorſtehendem
noch Etwas zu ſagen. Die Papageien ſind auch hinſichtlich ihrer Stellung die Affen unter den Vö-
geln, d. h. die menſchlichſten und höchſtſtehenden von allen. Es gibt nur einen Platz für ſie: ſie
müſſen an die Spitze ihrer Klaſſe geſtellt werden.

Nun ſagt aber Cabanis, unbedingt einer der kenntnißreichſten Vogelkundigen, gerade von
den Papageien, daß die große Schwingenzahl und die netzartige Hautbekleidung des Fußes eine
niedere Stellung bekunde, weshalb man die Papageien als niederſte Familie der Paarzeher oder
Klettervögel zu betrachten habe! Da das von dem genannten Gelehrten aufgeſtellte Syſtem die
Vögel in fortlaufender Reihe ordnet, ihre höhere oder niedere Ausbildung alſo berückſichtigen will,
erhalten die Papageien eine ſo tiefe Stellung, daß ein Gimpel ihnen gegenüber als ein erhabener
Vogel aufgefaßt werden müßte. Die Papageien, ſie die klugen, lebhaften, wohlgebildeten Vögel,
ſtehen nach der Anſicht des gedachten Forſchers nicht blos unter Kukuken und Spechten,
ſondern auch unter den dummen Nageſchnäbeln, den trägen Glanzvögeln, den mißgeſtalteten
Bartvögeln! Und warum? Weil die Horntafeln, welche ihren Lauf bekleiden, klein, weil die
Schwungfedern, welche ihren Flügel bilden, zahlreich ſind! Cabanis hat entdeckt, daß die ange-
gebenen Merkmale bei wirklich tief ſtehenden Vögeln ſich finden und folgert daraus, daß die entgegenge-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/19>, abgerufen am 29.03.2024.