Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kusus.
büscheln, möglichst verdeckt vor den Blicken, so daß selbst ein erfahrener Jäger Mühe hat, es aufzu-
finden. Seine Nahrung soll ein Gemisch verschiedener Pflanzenstosse und Kerbthiere sein. Genaueres
ist bis jetzt noch nicht über seine Lebensweise bekannt geworden.



Die vierte Familie enthält eine Reihe merkwürdiger, sehr verschieden erscheinender Thiere,
welche man Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kusus (Phalangista) genannt hat. Der
erste Name dürfte angemessener sein, als die übrigen und die Benennung "Beutelbilche", welche
Einige auf die ganze Familie angewendet wissen wollen, weil nur eine Sippe den Bilchen und Hörn-
chen ähnlich fieht, wir auch in der Familie noch andere Erinnerungen an höher- oder tieferstehende
Ordnungen wiederfinden. Die Kletterbeutelthiere sind im Ganzen kleine Thierchen, da die wenigen
Arten, welche zwei Fuß Länge haben, eigentlich als Ausnahmen erscheinen. Jhre vorderen und hin-
teren Gliedmaßen sind von gleicher Länge und auch ziemlich regelmäßig gebaut, weil die vorderen und
hinteren fünf Zehen haben. An der Hinterpfote ist die innere Zehe vergrößert und zu einem nagel-
losen und gegensetzbaren Daumen geworden; die zweite und dritte Zehe sind mit einander verbunden.
Der Schwanz ist gewöhnlich ein Greifschwanz und als solcher oft sehr lang; bei einer Sippe fehlt er
aber gänzlich. Der Kopf ist kurz und die Oberlippe, wie bei den Nagern, gespalten. Das Weib-
chen hat zwei oder vier Zitzen in einer Tasche. Das Gebiß, auf welches die Vereinigung der ver-
schiedenen Sippen begründet ist, zeigt oben sechs an Größe sehr verschiedene, unten dagegen blos zwei
sehr große Schneidezähne; die Eckzähne sind stumpf oder fehlen sogar; die Lückzähne sind stummelhaft
geworden, die Backzähne endlich, von denen sich drei bis vier in jeder Reihe finden, haben viereckige
Kronen mit verschiedenen Jochen und Hörnern. Zwölf bis dreizehn Rückenwirbel tragen Rippen, sechs
oder sieben sind rippenlos. Das Becken besteht aus zwei kurzen Wirbeln; die Zahl der Schwanzwirbel
steigt bis dreißig. Der Magen ist einfach und drüsenreich und der Blinddarm ganz außerordentlich
lang. Jm Gehirn fehlen alle oberflächlichen Windungen.

Die Kletterbeutelthiere bewohnen Australien und einige Jnseln Südasiens. Sie sind sämmtlich
Baumthiere und finden sich deshalb auch nur in Wäldern; blos ausnahmsweise steigen einige zur
Erde herab, die meisten verbringen ihr ganzes Leben in den Kronen der Bäume. Fast sämmtliche
Arten sind Nachtthiere oder schlafen wenigstens den größten Theil des Tages und erwachen nur vom
Hunger getrieben auf kurze Zeit. Beim Eintritt der Dunkelheit kommen sie aus ihren Verstecken
hervor, um zu weiden; denn Früchte, Blätter und Knospen bilden ihre Hauptnahrung: selbst die
Arten, welche dem Fuchse oder entfernt dem Bären ähneln, sind Pflanzenfresser, und wohl nur zu-
fällig nehmen Einzelne auch Vögel, Eier und Kerbthiere mit weg. Dagegen fressen Andere blos die
jungen Blätter und Triebe oder graben den Wurzeln im Boden nach. Sie, die letzteren, sollen sich
unterirdische Baue anlegen und in denselben während der kalten Jahreszeit schlafen. Jn ihren Be-
wegungen unterscheiden sich die Sippen wesentlich von einander. Die Einen sind langsam und äußerst
vorsichtig und gehen mehr schleichend dahin, die Anderen zeichnen sich durch Lebendigkeit und Behen-
digkeit aus. Alle können vortrefflich klettern und Einige auch weite Sprünge ausführen. Der Greif-
schwanz und die Flughaut deuten schon von vornherein auf solche Fertigkeiten hin. Beim Gehen treten
Alle mit der ganzen Sohle auf; beim Klettern suchen sie sich sämmtlich soviel als möglich zu ver-
sichern. Die Mehrzahl lebt gesellig oder hält sich paarweise zusammen. Einige werfen gewöhnlich
zwei bis vier Junge, andere ein einziges, welches von der Mutter zärtlich geliebt und gepflegt und
lange Zeit auf dem Rücken oder den Schultern getragen wird. Alle Kletterbeutelthiere sind sanfte,
harmlose, furchtsame Geschöpfe. Wenn sie verfolgt werden, hängen sich manche mittelst des Schwanzes
an einen Ast und verharren lange Zeit regungslos in dieser Stellung, jedenfalls um sich dadurch zu
verbergen. Hierin zeigt sich die einzige Spur von Verstand, welche sie im Freileben offenbaren. Jn
der Gefangenschaft bekunden sie zwar zuweilen eine gewisse Anhänglichkeit an ihren Wärter; doch die

Die Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kuſus.
büſcheln, möglichſt verdeckt vor den Blicken, ſo daß ſelbſt ein erfahrener Jäger Mühe hat, es aufzu-
finden. Seine Nahrung ſoll ein Gemiſch verſchiedener Pflanzenſtoſſe und Kerbthiere ſein. Genaueres
iſt bis jetzt noch nicht über ſeine Lebensweiſe bekannt geworden.



Die vierte Familie enthält eine Reihe merkwürdiger, ſehr verſchieden erſcheinender Thiere,
welche man Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kuſus (Phalangista) genannt hat. Der
erſte Name dürfte angemeſſener ſein, als die übrigen und die Benennung „Beutelbilche‟, welche
Einige auf die ganze Familie angewendet wiſſen wollen, weil nur eine Sippe den Bilchen und Hörn-
chen ähnlich fieht, wir auch in der Familie noch andere Erinnerungen an höher- oder tieferſtehende
Ordnungen wiederfinden. Die Kletterbeutelthiere ſind im Ganzen kleine Thierchen, da die wenigen
Arten, welche zwei Fuß Länge haben, eigentlich als Ausnahmen erſcheinen. Jhre vorderen und hin-
teren Gliedmaßen ſind von gleicher Länge und auch ziemlich regelmäßig gebaut, weil die vorderen und
hinteren fünf Zehen haben. An der Hinterpfote iſt die innere Zehe vergrößert und zu einem nagel-
loſen und gegenſetzbaren Daumen geworden; die zweite und dritte Zehe ſind mit einander verbunden.
Der Schwanz iſt gewöhnlich ein Greifſchwanz und als ſolcher oft ſehr lang; bei einer Sippe fehlt er
aber gänzlich. Der Kopf iſt kurz und die Oberlippe, wie bei den Nagern, geſpalten. Das Weib-
chen hat zwei oder vier Zitzen in einer Taſche. Das Gebiß, auf welches die Vereinigung der ver-
ſchiedenen Sippen begründet iſt, zeigt oben ſechs an Größe ſehr verſchiedene, unten dagegen blos zwei
ſehr große Schneidezähne; die Eckzähne ſind ſtumpf oder fehlen ſogar; die Lückzähne ſind ſtummelhaft
geworden, die Backzähne endlich, von denen ſich drei bis vier in jeder Reihe finden, haben viereckige
Kronen mit verſchiedenen Jochen und Hörnern. Zwölf bis dreizehn Rückenwirbel tragen Rippen, ſechs
oder ſieben ſind rippenlos. Das Becken beſteht aus zwei kurzen Wirbeln; die Zahl der Schwanzwirbel
ſteigt bis dreißig. Der Magen iſt einfach und drüſenreich und der Blinddarm ganz außerordentlich
lang. Jm Gehirn fehlen alle oberflächlichen Windungen.

Die Kletterbeutelthiere bewohnen Auſtralien und einige Jnſeln Südaſiens. Sie ſind ſämmtlich
Baumthiere und finden ſich deshalb auch nur in Wäldern; blos ausnahmsweiſe ſteigen einige zur
Erde herab, die meiſten verbringen ihr ganzes Leben in den Kronen der Bäume. Faſt ſämmtliche
Arten ſind Nachtthiere oder ſchlafen wenigſtens den größten Theil des Tages und erwachen nur vom
Hunger getrieben auf kurze Zeit. Beim Eintritt der Dunkelheit kommen ſie aus ihren Verſtecken
hervor, um zu weiden; denn Früchte, Blätter und Knospen bilden ihre Hauptnahrung: ſelbſt die
Arten, welche dem Fuchſe oder entfernt dem Bären ähneln, ſind Pflanzenfreſſer, und wohl nur zu-
fällig nehmen Einzelne auch Vögel, Eier und Kerbthiere mit weg. Dagegen freſſen Andere blos die
jungen Blätter und Triebe oder graben den Wurzeln im Boden nach. Sie, die letzteren, ſollen ſich
unterirdiſche Baue anlegen und in denſelben während der kalten Jahreszeit ſchlafen. Jn ihren Be-
wegungen unterſcheiden ſich die Sippen weſentlich von einander. Die Einen ſind langſam und äußerſt
vorſichtig und gehen mehr ſchleichend dahin, die Anderen zeichnen ſich durch Lebendigkeit und Behen-
digkeit aus. Alle können vortrefflich klettern und Einige auch weite Sprünge ausführen. Der Greif-
ſchwanz und die Flughaut deuten ſchon von vornherein auf ſolche Fertigkeiten hin. Beim Gehen treten
Alle mit der ganzen Sohle auf; beim Klettern ſuchen ſie ſich ſämmtlich ſoviel als möglich zu ver-
ſichern. Die Mehrzahl lebt geſellig oder hält ſich paarweiſe zuſammen. Einige werfen gewöhnlich
zwei bis vier Junge, andere ein einziges, welches von der Mutter zärtlich geliebt und gepflegt und
lange Zeit auf dem Rücken oder den Schultern getragen wird. Alle Kletterbeutelthiere ſind ſanfte,
harmloſe, furchtſame Geſchöpfe. Wenn ſie verfolgt werden, hängen ſich manche mittelſt des Schwanzes
an einen Aſt und verharren lange Zeit regungslos in dieſer Stellung, jedenfalls um ſich dadurch zu
verbergen. Hierin zeigt ſich die einzige Spur von Verſtand, welche ſie im Freileben offenbaren. Jn
der Gefangenſchaft bekunden ſie zwar zuweilen eine gewiſſe Anhänglichkeit an ihren Wärter; doch die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0041" n="29"/><fw place="top" type="header">Die Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Ku&#x017F;us.</fw><lb/>&#x017F;cheln, möglich&#x017F;t verdeckt vor den Blicken, &#x017F;o daß &#x017F;elb&#x017F;t ein erfahrener Jäger Mühe hat, es aufzu-<lb/>
finden. Seine Nahrung &#x017F;oll ein Gemi&#x017F;ch ver&#x017F;chiedener Pflanzen&#x017F;to&#x017F;&#x017F;e und Kerbthiere &#x017F;ein. Genaueres<lb/>
i&#x017F;t bis jetzt noch nicht über &#x017F;eine Lebenswei&#x017F;e bekannt geworden.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Die vierte Familie</hi> enthält eine Reihe merkwürdiger, &#x017F;ehr ver&#x017F;chieden er&#x017F;cheinender Thiere,<lb/>
welche man <hi rendition="#g">Kletterbeutelthiere, Flugbeutler</hi> oder <hi rendition="#g">Ku&#x017F;us</hi> (<hi rendition="#aq">Phalangista</hi>) genannt hat. Der<lb/>
er&#x017F;te Name dürfte angeme&#x017F;&#x017F;ener &#x017F;ein, als die übrigen und die Benennung &#x201E;<hi rendition="#g">Beutelbilche</hi>&#x201F;, welche<lb/>
Einige auf die ganze Familie angewendet wi&#x017F;&#x017F;en wollen, weil nur eine Sippe den Bilchen und Hörn-<lb/>
chen ähnlich fieht, wir auch in der Familie noch andere Erinnerungen an höher- oder tiefer&#x017F;tehende<lb/>
Ordnungen wiederfinden. Die Kletterbeutelthiere &#x017F;ind im Ganzen kleine Thierchen, da die wenigen<lb/>
Arten, welche zwei Fuß Länge haben, eigentlich als Ausnahmen er&#x017F;cheinen. Jhre vorderen und hin-<lb/>
teren Gliedmaßen &#x017F;ind von gleicher Länge und auch ziemlich regelmäßig gebaut, weil die vorderen und<lb/>
hinteren fünf Zehen haben. An der Hinterpfote i&#x017F;t die innere Zehe vergrößert und zu einem nagel-<lb/>
lo&#x017F;en und gegen&#x017F;etzbaren Daumen geworden; die zweite und dritte Zehe &#x017F;ind mit einander verbunden.<lb/>
Der Schwanz i&#x017F;t gewöhnlich ein Greif&#x017F;chwanz und als &#x017F;olcher oft &#x017F;ehr lang; bei einer Sippe fehlt er<lb/>
aber gänzlich. Der Kopf i&#x017F;t kurz und die Oberlippe, wie bei den Nagern, ge&#x017F;palten. Das Weib-<lb/>
chen hat zwei oder vier Zitzen in einer Ta&#x017F;che. Das Gebiß, auf welches die Vereinigung der ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Sippen begründet i&#x017F;t, zeigt oben &#x017F;echs an Größe &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedene, unten dagegen blos zwei<lb/>
&#x017F;ehr große Schneidezähne; die Eckzähne &#x017F;ind &#x017F;tumpf oder fehlen &#x017F;ogar; die Lückzähne &#x017F;ind &#x017F;tummelhaft<lb/>
geworden, die Backzähne endlich, von denen &#x017F;ich drei bis vier in jeder Reihe finden, haben viereckige<lb/>
Kronen mit ver&#x017F;chiedenen Jochen und Hörnern. Zwölf bis dreizehn Rückenwirbel tragen Rippen, &#x017F;echs<lb/>
oder &#x017F;ieben &#x017F;ind rippenlos. Das Becken be&#x017F;teht aus zwei kurzen Wirbeln; die Zahl der Schwanzwirbel<lb/>
&#x017F;teigt bis dreißig. Der Magen i&#x017F;t einfach und drü&#x017F;enreich und der Blinddarm ganz außerordentlich<lb/>
lang. Jm Gehirn fehlen alle oberflächlichen Windungen.</p><lb/>
              <p>Die Kletterbeutelthiere bewohnen Au&#x017F;tralien und einige Jn&#x017F;eln Süda&#x017F;iens. Sie &#x017F;ind &#x017F;ämmtlich<lb/>
Baumthiere und finden &#x017F;ich deshalb auch nur in Wäldern; blos ausnahmswei&#x017F;e &#x017F;teigen einige zur<lb/>
Erde herab, die mei&#x017F;ten verbringen ihr ganzes Leben in den Kronen der Bäume. Fa&#x017F;t &#x017F;ämmtliche<lb/>
Arten &#x017F;ind Nachtthiere oder &#x017F;chlafen wenig&#x017F;tens den größten Theil des Tages und erwachen nur vom<lb/>
Hunger getrieben auf kurze Zeit. Beim Eintritt der Dunkelheit kommen &#x017F;ie aus ihren Ver&#x017F;tecken<lb/>
hervor, um zu weiden; denn Früchte, Blätter und Knospen bilden ihre Hauptnahrung: &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
Arten, welche dem Fuch&#x017F;e oder entfernt dem Bären ähneln, &#x017F;ind Pflanzenfre&#x017F;&#x017F;er, und wohl nur zu-<lb/>
fällig nehmen Einzelne auch Vögel, Eier und Kerbthiere mit weg. Dagegen fre&#x017F;&#x017F;en Andere blos die<lb/>
jungen Blätter und Triebe oder graben den Wurzeln im Boden nach. Sie, die letzteren, &#x017F;ollen &#x017F;ich<lb/>
unterirdi&#x017F;che Baue anlegen und in den&#x017F;elben während der kalten Jahreszeit &#x017F;chlafen. Jn ihren Be-<lb/>
wegungen unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich die Sippen we&#x017F;entlich von einander. Die Einen &#x017F;ind lang&#x017F;am und äußer&#x017F;t<lb/>
vor&#x017F;ichtig und gehen mehr &#x017F;chleichend dahin, die Anderen zeichnen &#x017F;ich durch Lebendigkeit und Behen-<lb/>
digkeit aus. Alle können vortrefflich klettern und Einige auch weite Sprünge ausführen. Der Greif-<lb/>
&#x017F;chwanz und die Flughaut deuten &#x017F;chon von vornherein auf &#x017F;olche Fertigkeiten hin. Beim Gehen treten<lb/>
Alle mit der ganzen Sohle auf; beim Klettern &#x017F;uchen &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;ämmtlich &#x017F;oviel als möglich zu ver-<lb/>
&#x017F;ichern. Die Mehrzahl lebt ge&#x017F;ellig oder hält &#x017F;ich paarwei&#x017F;e zu&#x017F;ammen. Einige werfen gewöhnlich<lb/>
zwei bis vier Junge, andere ein einziges, welches von der Mutter zärtlich geliebt und gepflegt und<lb/>
lange Zeit auf dem Rücken oder den Schultern getragen wird. Alle Kletterbeutelthiere &#x017F;ind &#x017F;anfte,<lb/>
harmlo&#x017F;e, furcht&#x017F;ame Ge&#x017F;chöpfe. Wenn &#x017F;ie verfolgt werden, hängen &#x017F;ich manche mittel&#x017F;t des Schwanzes<lb/>
an einen A&#x017F;t und verharren lange Zeit regungslos in die&#x017F;er Stellung, jedenfalls um &#x017F;ich dadurch zu<lb/>
verbergen. Hierin zeigt &#x017F;ich die einzige Spur von Ver&#x017F;tand, welche &#x017F;ie im Freileben offenbaren. Jn<lb/>
der Gefangen&#x017F;chaft bekunden &#x017F;ie zwar zuweilen eine gewi&#x017F;&#x017F;e Anhänglichkeit an ihren Wärter; doch die<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0041] Die Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kuſus. büſcheln, möglichſt verdeckt vor den Blicken, ſo daß ſelbſt ein erfahrener Jäger Mühe hat, es aufzu- finden. Seine Nahrung ſoll ein Gemiſch verſchiedener Pflanzenſtoſſe und Kerbthiere ſein. Genaueres iſt bis jetzt noch nicht über ſeine Lebensweiſe bekannt geworden. Die vierte Familie enthält eine Reihe merkwürdiger, ſehr verſchieden erſcheinender Thiere, welche man Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kuſus (Phalangista) genannt hat. Der erſte Name dürfte angemeſſener ſein, als die übrigen und die Benennung „Beutelbilche‟, welche Einige auf die ganze Familie angewendet wiſſen wollen, weil nur eine Sippe den Bilchen und Hörn- chen ähnlich fieht, wir auch in der Familie noch andere Erinnerungen an höher- oder tieferſtehende Ordnungen wiederfinden. Die Kletterbeutelthiere ſind im Ganzen kleine Thierchen, da die wenigen Arten, welche zwei Fuß Länge haben, eigentlich als Ausnahmen erſcheinen. Jhre vorderen und hin- teren Gliedmaßen ſind von gleicher Länge und auch ziemlich regelmäßig gebaut, weil die vorderen und hinteren fünf Zehen haben. An der Hinterpfote iſt die innere Zehe vergrößert und zu einem nagel- loſen und gegenſetzbaren Daumen geworden; die zweite und dritte Zehe ſind mit einander verbunden. Der Schwanz iſt gewöhnlich ein Greifſchwanz und als ſolcher oft ſehr lang; bei einer Sippe fehlt er aber gänzlich. Der Kopf iſt kurz und die Oberlippe, wie bei den Nagern, geſpalten. Das Weib- chen hat zwei oder vier Zitzen in einer Taſche. Das Gebiß, auf welches die Vereinigung der ver- ſchiedenen Sippen begründet iſt, zeigt oben ſechs an Größe ſehr verſchiedene, unten dagegen blos zwei ſehr große Schneidezähne; die Eckzähne ſind ſtumpf oder fehlen ſogar; die Lückzähne ſind ſtummelhaft geworden, die Backzähne endlich, von denen ſich drei bis vier in jeder Reihe finden, haben viereckige Kronen mit verſchiedenen Jochen und Hörnern. Zwölf bis dreizehn Rückenwirbel tragen Rippen, ſechs oder ſieben ſind rippenlos. Das Becken beſteht aus zwei kurzen Wirbeln; die Zahl der Schwanzwirbel ſteigt bis dreißig. Der Magen iſt einfach und drüſenreich und der Blinddarm ganz außerordentlich lang. Jm Gehirn fehlen alle oberflächlichen Windungen. Die Kletterbeutelthiere bewohnen Auſtralien und einige Jnſeln Südaſiens. Sie ſind ſämmtlich Baumthiere und finden ſich deshalb auch nur in Wäldern; blos ausnahmsweiſe ſteigen einige zur Erde herab, die meiſten verbringen ihr ganzes Leben in den Kronen der Bäume. Faſt ſämmtliche Arten ſind Nachtthiere oder ſchlafen wenigſtens den größten Theil des Tages und erwachen nur vom Hunger getrieben auf kurze Zeit. Beim Eintritt der Dunkelheit kommen ſie aus ihren Verſtecken hervor, um zu weiden; denn Früchte, Blätter und Knospen bilden ihre Hauptnahrung: ſelbſt die Arten, welche dem Fuchſe oder entfernt dem Bären ähneln, ſind Pflanzenfreſſer, und wohl nur zu- fällig nehmen Einzelne auch Vögel, Eier und Kerbthiere mit weg. Dagegen freſſen Andere blos die jungen Blätter und Triebe oder graben den Wurzeln im Boden nach. Sie, die letzteren, ſollen ſich unterirdiſche Baue anlegen und in denſelben während der kalten Jahreszeit ſchlafen. Jn ihren Be- wegungen unterſcheiden ſich die Sippen weſentlich von einander. Die Einen ſind langſam und äußerſt vorſichtig und gehen mehr ſchleichend dahin, die Anderen zeichnen ſich durch Lebendigkeit und Behen- digkeit aus. Alle können vortrefflich klettern und Einige auch weite Sprünge ausführen. Der Greif- ſchwanz und die Flughaut deuten ſchon von vornherein auf ſolche Fertigkeiten hin. Beim Gehen treten Alle mit der ganzen Sohle auf; beim Klettern ſuchen ſie ſich ſämmtlich ſoviel als möglich zu ver- ſichern. Die Mehrzahl lebt geſellig oder hält ſich paarweiſe zuſammen. Einige werfen gewöhnlich zwei bis vier Junge, andere ein einziges, welches von der Mutter zärtlich geliebt und gepflegt und lange Zeit auf dem Rücken oder den Schultern getragen wird. Alle Kletterbeutelthiere ſind ſanfte, harmloſe, furchtſame Geſchöpfe. Wenn ſie verfolgt werden, hängen ſich manche mittelſt des Schwanzes an einen Aſt und verharren lange Zeit regungslos in dieſer Stellung, jedenfalls um ſich dadurch zu verbergen. Hierin zeigt ſich die einzige Spur von Verſtand, welche ſie im Freileben offenbaren. Jn der Gefangenſchaft bekunden ſie zwar zuweilen eine gewiſſe Anhänglichkeit an ihren Wärter; doch die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/41
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/41>, abgerufen am 19.04.2024.