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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Uebereinstimmung der Färbung mit dem Wohnort. Leitthiere. Tag- und Nachtthiere.
Färbungen ihres Pelzes. Die Marder bekunden ihre Allseitigkeit auch im Fell. Beim Baummarder
ist es braun, beim Steinmarder graulicher, beim Jltis fahler; das Wiesel endlich wechselt sein Som-
merkleid mit dem Winter- oder Schneekleide. Unser Bär ist erdbraun, der Eisbär weiß, der Wasch-
bär
rindenfarbig. Die Beutelthiere zeigen ebenfalls Erd-, Gras- oder Baumfärbung. Sehr deutlich
tritt die Gleichfärbigkeit bei den Nagern hervor. Jch erinnere an die Hasen. Jeder Jäger weiß, was
es sagen will, einen Hasen im Lager zu sehen. Die Aehnlichkeit seines Pelzes und des Bodens ist so
groß, daß man auf zehn Schritt Entfernung an ihm vorübergehen kann, ohne ihn zu bemerken. Der
Wüstenhase ist natürlich isabellgelb, der nordische oder Hochgebirgshase aber wechselt ein Sommer-
und ein Winterkleid. Das Kaninchen, ein Höhlenthier, hat grane Färbung. Unser Eichhörnchen
ist fichtenrindenbraun, das nordische und das fliegende dagegen sind birkenrindenfarbig. Feldmäuse
haben ein graubraunes, Wüstenmäuse ein fahlgelbes, Steppenmäuse ein gelblichbraunes, oft ge-
streiftes Haarkleid. Unter den Wiederkäuern tragen die Hirsche ein Waldkleid, die Gemsen,
Renthiere
und Steinböcke ein Felsenkleid, die Antilopen ein Steppen- oder Wüstenkleid. Die
Einhufer geben sich wenigstens im Quagga, Zebra und wilden Esel als Steppenthiere, die Viel-
hufer
in ihrem unbestimmbaren Grau als Sumpfbewohner zu erkennen. Kurz, die angegebene Regel
ist eine allgemeine, und Ausnahmen sind nicht häufig. Man wird selten irren, wenn man in einem
braun, graugrün oder silbergrau gefärbten Säuger einen Baumbewohner, in einem dunkelgrau, fahl-
gelb, röthlichgrau, erdbraun und schneeweiß gefärbten einen Erdbewohner vermuthet. Jsabellgelb ist
Wüstenfarbe, Dunkelgelb Steppenfarbe, Aschgrau Felsenfarbe; bei Nachtthieren ist Grau vorherr-
schend, Tagthiere zeigen es mehr mit anderen Farben gemischt. Große Unsicherheit, Unbestimmbarkeit
der Färbung läßt auf Vielseitigkeit in der Lebensweise schließen; bestimmte Färbung deutet auf einen
abgeschlossenen bestimmten Wohnort des Thieres: einfach gelbe Thiere sind immer Wüstenbewohner,
einfach weiße stets Schneethiere.

Bei weitem die meisten Thiere sind gesellig und scharen sich deshalb mit anderen ihrer Art
oder auch mit Gleichlebenden fremder Arten in kleinen oder großen Trupps zusammen. Niemals
erlangen solche Verbindungen die Ausdehnung oder die Zahl der Vereine, welche die Vögel bilden;
denn bei diesen thun sich, wie bekannt, oft sogar Millionen zu einem Ganzen zusammen. Unter den
Säugern kommen nur unter gewissen Umständen stärkere Rudel vor. Mehr noch als die gleiche Lebens-
weise vereinigt die Noth: vor der Feuerlinie einer brennenden Steppe daher jagen selbst erklärte
Feinde in dichtem Gedränge.

Jn jedem größeren Vereine erwirbt sich das befähigtste Mitglied die Oberherrschaft und
erlangt schließlich unbedingten Gehorsam. Unter den Wiederkäuern kommen regelmäßig die alten
Weibchen zu solcher Ehre und namentlich diejenigen, welche kinderlos sind; bei andern geselligen
Thieren, z. B. bei den Affen, werden nur Männchen Zugführer und zwar erst nach sehr hartnäcki-
gem, nebenbuhlerischen Kampfe, aus dem sie endlich als allgemein gefürchtete Sieger hervorgehen;
hier ist die rohe Stärke maßgebend, bei jenen die Erfahrung oder der gute Wille. Bei allen geselli-
gen Thieren übernimmt das erwählte oder wenigstens anerkannte Leitthier die Sorge für den Schutz
und die Sicherheit der ganzen Herde und vertheidigt die schwachen Glieder derselben unter Umständen
mit Aufopferung. Minder Verständige und Schwächere schließen sich Klügeren an und leisten allen
ihren Anordnungen zur Sicherung Folge.

Gewisse Säugethiere leben einsiedlerisch. Alte griesgrämige und bösartige Männchen
werden gewöhnlich von dem Rudel oder der Herde verbannt, und hierdurch nur noch mürrischer und
wüthender gemacht. Allein es gibt auch andere Säuger, welche überhaupt ein Einsiedlerleben führen
und mit jedem Eindringlinge sofort in heftigster Weise den Kampf beginnen. Dabei kommt es nicht
selten vor, daß der Sieger den Besiegten geradezu auffrißt, und zwar läßt sich, wie bekannt, schon der
Mensch eine solche Scheußlichkeit zu Schulden kommen.

Die Mehrzahl unserer Klasse wacht bei Tage und schläft bei Nacht; jedoch gibt es fast unter
allen Ordnungen Tag- und auch Nachtthiere. Einzelne haben keine bestimmte Zeit zum Schlafen, son-
dern ruhen oder wachen, wie es ihnen gerade beliebt: so die Meerthiere oder in den höheren Breiten auch
die Landthiere während der Sommerzeit. Es mag im Ganzen genommen wohl mehr eigentliche Tag-,
als Nachtthiere geben: jedoch ist die Zahl derjenigen, welche bei Nacht lebendig und thätig sind, nicht
viel geringer, als die Menge derer, welche bei Tage ihrem Erwerbe nachgehen. Unter den Affen

Uebereinſtimmung der Färbung mit dem Wohnort. Leitthiere. Tag- und Nachtthiere.
Färbungen ihres Pelzes. Die Marder bekunden ihre Allſeitigkeit auch im Fell. Beim Baummarder
iſt es braun, beim Steinmarder graulicher, beim Jltis fahler; das Wieſel endlich wechſelt ſein Som-
merkleid mit dem Winter- oder Schneekleide. Unſer Bär iſt erdbraun, der Eisbär weiß, der Waſch-
bär
rindenfarbig. Die Beutelthiere zeigen ebenfalls Erd-, Gras- oder Baumfärbung. Sehr deutlich
tritt die Gleichfärbigkeit bei den Nagern hervor. Jch erinnere an die Haſen. Jeder Jäger weiß, was
es ſagen will, einen Haſen im Lager zu ſehen. Die Aehnlichkeit ſeines Pelzes und des Bodens iſt ſo
groß, daß man auf zehn Schritt Entfernung an ihm vorübergehen kann, ohne ihn zu bemerken. Der
Wüſtenhaſe iſt natürlich iſabellgelb, der nordiſche oder Hochgebirgshaſe aber wechſelt ein Sommer-
und ein Winterkleid. Das Kaninchen, ein Höhlenthier, hat grane Färbung. Unſer Eichhörnchen
iſt fichtenrindenbraun, das nordiſche und das fliegende dagegen ſind birkenrindenfarbig. Feldmäuſe
haben ein graubraunes, Wüſtenmäuſe ein fahlgelbes, Steppenmäuſe ein gelblichbraunes, oft ge-
ſtreiftes Haarkleid. Unter den Wiederkäuern tragen die Hirſche ein Waldkleid, die Gemſen,
Renthiere
und Steinböcke ein Felſenkleid, die Antilopen ein Steppen- oder Wüſtenkleid. Die
Einhufer geben ſich wenigſtens im Quagga, Zebra und wilden Eſel als Steppenthiere, die Viel-
hufer
in ihrem unbeſtimmbaren Grau als Sumpfbewohner zu erkennen. Kurz, die angegebene Regel
iſt eine allgemeine, und Ausnahmen ſind nicht häufig. Man wird ſelten irren, wenn man in einem
braun, graugrün oder ſilbergrau gefärbten Säuger einen Baumbewohner, in einem dunkelgrau, fahl-
gelb, röthlichgrau, erdbraun und ſchneeweiß gefärbten einen Erdbewohner vermuthet. Jſabellgelb iſt
Wüſtenfarbe, Dunkelgelb Steppenfarbe, Aſchgrau Felſenfarbe; bei Nachtthieren iſt Grau vorherr-
ſchend, Tagthiere zeigen es mehr mit anderen Farben gemiſcht. Große Unſicherheit, Unbeſtimmbarkeit
der Färbung läßt auf Vielſeitigkeit in der Lebensweiſe ſchließen; beſtimmte Färbung deutet auf einen
abgeſchloſſenen beſtimmten Wohnort des Thieres: einfach gelbe Thiere ſind immer Wüſtenbewohner,
einfach weiße ſtets Schneethiere.

Bei weitem die meiſten Thiere ſind geſellig und ſcharen ſich deshalb mit anderen ihrer Art
oder auch mit Gleichlebenden fremder Arten in kleinen oder großen Trupps zuſammen. Niemals
erlangen ſolche Verbindungen die Ausdehnung oder die Zahl der Vereine, welche die Vögel bilden;
denn bei dieſen thun ſich, wie bekannt, oft ſogar Millionen zu einem Ganzen zuſammen. Unter den
Säugern kommen nur unter gewiſſen Umſtänden ſtärkere Rudel vor. Mehr noch als die gleiche Lebens-
weiſe vereinigt die Noth: vor der Feuerlinie einer brennenden Steppe daher jagen ſelbſt erklärte
Feinde in dichtem Gedränge.

Jn jedem größeren Vereine erwirbt ſich das befähigtſte Mitglied die Oberherrſchaft und
erlangt ſchließlich unbedingten Gehorſam. Unter den Wiederkäuern kommen regelmäßig die alten
Weibchen zu ſolcher Ehre und namentlich diejenigen, welche kinderlos ſind; bei andern geſelligen
Thieren, z. B. bei den Affen, werden nur Männchen Zugführer und zwar erſt nach ſehr hartnäcki-
gem, nebenbuhleriſchen Kampfe, aus dem ſie endlich als allgemein gefürchtete Sieger hervorgehen;
hier iſt die rohe Stärke maßgebend, bei jenen die Erfahrung oder der gute Wille. Bei allen geſelli-
gen Thieren übernimmt das erwählte oder wenigſtens anerkannte Leitthier die Sorge für den Schutz
und die Sicherheit der ganzen Herde und vertheidigt die ſchwachen Glieder derſelben unter Umſtänden
mit Aufopferung. Minder Verſtändige und Schwächere ſchließen ſich Klügeren an und leiſten allen
ihren Anordnungen zur Sicherung Folge.

Gewiſſe Säugethiere leben einſiedleriſch. Alte griesgrämige und bösartige Männchen
werden gewöhnlich von dem Rudel oder der Herde verbannt, und hierdurch nur noch mürriſcher und
wüthender gemacht. Allein es gibt auch andere Säuger, welche überhaupt ein Einſiedlerleben führen
und mit jedem Eindringlinge ſofort in heftigſter Weiſe den Kampf beginnen. Dabei kommt es nicht
ſelten vor, daß der Sieger den Beſiegten geradezu auffrißt, und zwar läßt ſich, wie bekannt, ſchon der
Menſch eine ſolche Scheußlichkeit zu Schulden kommen.

Die Mehrzahl unſerer Klaſſe wacht bei Tage und ſchläft bei Nacht; jedoch gibt es faſt unter
allen Ordnungen Tag- und auch Nachtthiere. Einzelne haben keine beſtimmte Zeit zum Schlafen, ſon-
dern ruhen oder wachen, wie es ihnen gerade beliebt: ſo die Meerthiere oder in den höheren Breiten auch
die Landthiere während der Sommerzeit. Es mag im Ganzen genommen wohl mehr eigentliche Tag-,
als Nachtthiere geben: jedoch iſt die Zahl derjenigen, welche bei Nacht lebendig und thätig ſind, nicht
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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. XXXIII[XXXIII]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/43>, abgerufen am 29.03.2024.