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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Mensch und Thier. Das System. Wirbelthiere. Einhelligkeit des Baues der Säugethiere.
sätze der Ausbildung des thierischen Leibes zur Geltung brachte und die wirbellosen den Wirbel-
Thieren
gegenüber stellte. Er vereinigte die ersten vier Klassen Linnes zu der einen, die beiden letzten
zu einer andern Halbscheid, trennte dagegen die bunt zusammengeworfenen "Kerbthiere" und "Würmer",
ihrer natürlichen Beschaffenheit Rücksicht tragend, in drei größere Kreise (Weich-, Glieder- und
Pflanzenthiere) und bildete aus ihnen funfzehn Klassen. Hiermit legte er den Grund der heutigen
Thierkunde: und alle Naturforscher nach ihm haben nur auf dieser Grundlage fortgebaut.

Es ist unerläßlich, daß wir zunächst, wenn auch nur flüchtig, einen Blick auf die Gesammtheit
der Klassen werfen, deren erste uns zunächst beschäftigen soll. Alle Wirbelthiere haben so entschieden
übereinstimmende Merkmale, daß sie niemals mit den wirbellosen Thieren verwechselt werden können.
Sie kennzeichnet das innere Knochengerüst, welches Höhlen für Gehirn und Rückenmark bildet
und von Muskeln bewegt wird, die Gliedmaßen, deren Zahl niemals vier überschreitet, das rothe
Blut
und ein vollständiges Gefäßnetz. Jhre hohe Entwickelung ist deutlich genug ausgesprochen.
Das große Gehirn befähigt sie zu einer geistigen Thätigkeit, welche die aller übrigen Thiere weit über-
wiegt; ihre Sinneswerkzeuge sind mehr oder minder einhellig, gleichmäßig entwickelt: Augen und
Ohren sind fast immer vorhanden und dann stets paarig; die Nase besteht aus zwei Höhlen und dient
nur ausnahmsweise als Tastwerkzeug; die stets schmeckfähige Zunge ist ausschließliches Eigenthum der
Abtheilung. Leber und Nieren finden sich immer; die Milz ist nur selten nicht vorhanden. Alle sind
getrennten Geschlechts und pflanzen sich blos durch Begattung fort. Bewegungsfähigkeit, Empfindung
und Lebendigkeit sind ihnen gemein.

Die Säugethiere stehen in dieser Abtheilung entschieden oben an: und eine solche Stellung
verlangt der Walfisch ebenso gebieterisch, wie der Mensch, welcher die höchste denkbare Entwickelung
im Thierreiche darstellt. Eine ebenmäßige Ausbildung aller Leibestheile und die überwiegende Masse
des Gehirus spricht sich beim Elefant wie bei der Maus, beim Hunde wie beim Schnabelthier
aus. Die Säugethiere haben eine sehr vollkommene Lungenathmung und deshalb rothes, warmes
Blut, und sie gebären lebendige Junge, welche sie mit einer eigenthümlichen Drüsenabsonderung, der
Milch an ihren Brüsten oder Zitzen eine Zeit lang säugen. Sie bilden die am schärfsten und bestimm-
testen nach außen hin abgegrenzte Klasse; denn so groß auch ihre äußere Verschiedenheit sein mag, so
groß ist die Uebereinstimmung ihres inneren Baues.

Dem Uneingeweihten wird es freilich schwer, zu glauben, daß der Löwe und der Walfisch,
der Seehund und die Fledermaus nach ein und demselben Plane gebaut sind: ein einziger Blick
auf das Geripp dieser Thiere aber überzeugt auch ihn von der Uebereinstimmung der ganzen Anlage
bei allen diesen so verschiedenen Gestalten.

Der Schädel ist bei ihnen, wie bei allen übrigen Säugethieren, von der Wirbelsäule getrennt;
er besteht überall aus den nämlichen, im Wesentlichen gleichartig verbundenen Knochenstücken; sein Ober-
kiefer
ist stets mit ihm verwachsen, und die in ihm und dem Unterkiefer stehenden Zähne haben, so ver-
schiedenartig sie gebaut oder gestellt sind, doch das Eine gemein, daß sie immer in Zahnhöhlen oder
Alveolen eingekeilt sind. Sieben Wirbelbilden den Hals, mag er nun kurz oder lang sein, den
Hals der Girafe ebensowohl als den des Maulwurfs; und wenn es auch scheinen will, daß die
Faulthiere mehr und einige Wale weniger Wirbel des Halfes zählen, so zeigt die scharfe
Beobachtung doch deutlich, daß dort die überzähligen Wirbel zur Brust gerechnet und hier die fehlenden
als zusammengeschmolzene angesehen werden müssen. Schon den Vögeln gegenüber zeigt sich der Hals
der Säugethiere als durchaus einhellig gebaut: denn dort nimmt mit der Länge des Halfes auch die Zahl
der Wirbel zu. Der Brusttheil der Wirbelsäule wird von 10 bis 23, der Lendentheil von 2 bis 9, die
Kreuzbeingegend von ebensovielen und der Schwanz von 4 bis 46 Wirbeln gebildet. Rippen oder
Rippenstummel kommen zwar an allen Wirbeln vor; doch versteht man gewöhnlich unter den Rippen
blos die an den Brustwirbeln sitzenden, platten und gebogenen Knochen, welche sich mit dem Brustbeine
entweder fest oder durch Knorpelmasse verbinden und die Brusthöhle einschließen. Jhre Zahl stimmt
regelmäßig mit jener der Brustwirbel überein; die Zahl der wahren oder fest mit dem Brustbein ver-
wachsenen im Verhältniß zu den falschen oder durch Knorpelmasse an das Brustbein gehefteten ist aber
großen Schwankungen unterworfen. Die Gliedmaßen sind diejenigen Theile des Säugethierleibes,
welche schon im Geripp die größten Verschiedenheiten bemerklich werden lassen: -- fehlt doch das hintere
Paar manchen Walthieren gänzlich oder verkümmert wenigstens bis auf ganz unbedeutende Stummel!

I*

Menſch und Thier. Das Syſtem. Wirbelthiere. Einhelligkeit des Baues der Säugethiere.
ſätze der Ausbildung des thieriſchen Leibes zur Geltung brachte und die wirbelloſen den Wirbel-
Thieren
gegenüber ſtellte. Er vereinigte die erſten vier Klaſſen Linnés zu der einen, die beiden letzten
zu einer andern Halbſcheid, trennte dagegen die bunt zuſammengeworfenen „Kerbthiere‟ und „Würmer‟,
ihrer natürlichen Beſchaffenheit Rückſicht tragend, in drei größere Kreiſe (Weich-, Glieder- und
Pflanzenthiere) und bildete aus ihnen funfzehn Klaſſen. Hiermit legte er den Grund der heutigen
Thierkunde: und alle Naturforſcher nach ihm haben nur auf dieſer Grundlage fortgebaut.

Es iſt unerläßlich, daß wir zunächſt, wenn auch nur flüchtig, einen Blick auf die Geſammtheit
der Klaſſen werfen, deren erſte uns zunächſt beſchäftigen ſoll. Alle Wirbelthiere haben ſo entſchieden
übereinſtimmende Merkmale, daß ſie niemals mit den wirbelloſen Thieren verwechſelt werden können.
Sie kennzeichnet das innere Knochengerüſt, welches Höhlen für Gehirn und Rückenmark bildet
und von Muskeln bewegt wird, die Gliedmaßen, deren Zahl niemals vier überſchreitet, das rothe
Blut
und ein vollſtändiges Gefäßnetz. Jhre hohe Entwickelung iſt deutlich genug ausgeſprochen.
Das große Gehirn befähigt ſie zu einer geiſtigen Thätigkeit, welche die aller übrigen Thiere weit über-
wiegt; ihre Sinneswerkzeuge ſind mehr oder minder einhellig, gleichmäßig entwickelt: Augen und
Ohren ſind faſt immer vorhanden und dann ſtets paarig; die Naſe beſteht aus zwei Höhlen und dient
nur ausnahmsweiſe als Taſtwerkzeug; die ſtets ſchmeckfähige Zunge iſt ausſchließliches Eigenthum der
Abtheilung. Leber und Nieren finden ſich immer; die Milz iſt nur ſelten nicht vorhanden. Alle ſind
getrennten Geſchlechts und pflanzen ſich blos durch Begattung fort. Bewegungsfähigkeit, Empfindung
und Lebendigkeit ſind ihnen gemein.

Die Säugethiere ſtehen in dieſer Abtheilung entſchieden oben an: und eine ſolche Stellung
verlangt der Walfiſch ebenſo gebieteriſch, wie der Menſch, welcher die höchſte denkbare Entwickelung
im Thierreiche darſtellt. Eine ebenmäßige Ausbildung aller Leibestheile und die überwiegende Maſſe
des Gehirus ſpricht ſich beim Elefant wie bei der Maus, beim Hunde wie beim Schnabelthier
aus. Die Säugethiere haben eine ſehr vollkommene Lungenathmung und deshalb rothes, warmes
Blut, und ſie gebären lebendige Junge, welche ſie mit einer eigenthümlichen Drüſenabſonderung, der
Milch an ihren Brüſten oder Zitzen eine Zeit lang ſäugen. Sie bilden die am ſchärfſten und beſtimm-
teſten nach außen hin abgegrenzte Klaſſe; denn ſo groß auch ihre äußere Verſchiedenheit ſein mag, ſo
groß iſt die Uebereinſtimmung ihres inneren Baues.

Dem Uneingeweihten wird es freilich ſchwer, zu glauben, daß der Löwe und der Walfiſch,
der Seehund und die Fledermaus nach ein und demſelben Plane gebaut ſind: ein einziger Blick
auf das Geripp dieſer Thiere aber überzeugt auch ihn von der Uebereinſtimmung der ganzen Anlage
bei allen dieſen ſo verſchiedenen Geſtalten.

Der Schädel iſt bei ihnen, wie bei allen übrigen Säugethieren, von der Wirbelſäule getrennt;
er beſteht überall aus den nämlichen, im Weſentlichen gleichartig verbundenen Knochenſtücken; ſein Ober-
kiefer
iſt ſtets mit ihm verwachſen, und die in ihm und dem Unterkiefer ſtehenden Zähne haben, ſo ver-
ſchiedenartig ſie gebaut oder geſtellt ſind, doch das Eine gemein, daß ſie immer in Zahnhöhlen oder
Alveolen eingekeilt ſind. Sieben Wirbelbilden den Hals, mag er nun kurz oder lang ſein, den
Hals der Girafe ebenſowohl als den des Maulwurfs; und wenn es auch ſcheinen will, daß die
Faulthiere mehr und einige Wale weniger Wirbel des Halfes zählen, ſo zeigt die ſcharfe
Beobachtung doch deutlich, daß dort die überzähligen Wirbel zur Bruſt gerechnet und hier die fehlenden
als zuſammengeſchmolzene angeſehen werden müſſen. Schon den Vögeln gegenüber zeigt ſich der Hals
der Säugethiere als durchaus einhellig gebaut: denn dort nimmt mit der Länge des Halfes auch die Zahl
der Wirbel zu. Der Bruſttheil der Wirbelſäule wird von 10 bis 23, der Lendentheil von 2 bis 9, die
Kreuzbeingegend von ebenſovielen und der Schwanz von 4 bis 46 Wirbeln gebildet. Rippen oder
Rippenſtummel kommen zwar an allen Wirbeln vor; doch verſteht man gewöhnlich unter den Rippen
blos die an den Bruſtwirbeln ſitzenden, platten und gebogenen Knochen, welche ſich mit dem Bruſtbeine
entweder feſt oder durch Knorpelmaſſe verbinden und die Bruſthöhle einſchließen. Jhre Zahl ſtimmt
regelmäßig mit jener der Bruſtwirbel überein; die Zahl der wahren oder feſt mit dem Bruſtbein ver-
wachſenen im Verhältniß zu den falſchen oder durch Knorpelmaſſe an das Bruſtbein gehefteten iſt aber
großen Schwankungen unterworfen. Die Gliedmaßen ſind diejenigen Theile des Säugethierleibes,
welche ſchon im Geripp die größten Verſchiedenheiten bemerklich werden laſſen: — fehlt doch das hintere
Paar manchen Walthieren gänzlich oder verkümmert wenigſtens bis auf ganz unbedeutende Stummel!

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. XI[XI]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/21>, abgerufen am 29.03.2024.