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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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die Wärme, theils ein Eintrocknen dieser wärmeren Seite; der
Erfolg kann daher von entgegengesetzter Art sein.

Der glühend um das Rad geschlagene eiserne Reif muß es sehr
fest umschließen, wenn das Eisen kalt geworden ist. --

Daß wir an die ungleiche Ausdehnung der Körper bei man-
chen Versuchen, wenn wir genaue Folgerungen ziehen wollen, den-
ken müssen, habe ich schon früher zuweilen erwähnt. Das Aräo-
meter, dessen wir uns zu Bestimmung des specifischen Gewichtes
gewisser Flüssigkeiten bedienen, sinkt in eine erwärmte Flüssigkeit
tiefer ein, und muß um den richtigen Werth für diese Flüssigkeit
zu bestimmen, nur bei der Temperatur, für welche es graduirt ist,
gebraucht werden. Selbst die Abwägungen eines festen Körpers in
irgend einer Flüssigkeit sind, ohne die Rücksicht auf die Wärme,
von geringem Werthe, weil sie uns das Gewicht der einen gleichen
Raum einnehmenden Flüssigkeit in Vergleichung gegen das Gewicht
des festen Körpers für den gerade statt findenden Zustand kennen
lehren, aber das Verhältniß dieser Gewichte sich bei ungleicher
Wärme ändert. Und ebenso muß man bei genauen Messungen mit
Maaßstäben daran denken, daß das was im strengsten Sinne ein
Fuß, eine Toise, ein Meter heißt, nicht bei jeder Wärme die Länge
des Maaßstabes ist, der dieser Länge gleich angegeben wird. Will
man das ganz genaue Maaß eines eisernen Maaßstabes wieder auf
einen eisernen Maaßstab übertragen, und ist man sicher, genau
gleiches Eisen in beiden zu besitzen, so könnte man, vorausgesetzt,
daß beide genau gleich warm sind, bei jeder Temperatur die Ueber-
tragung machen, weil das in größerer Wärme zu große Maaß auch
auf dem neuen Maaßstabe in der Kälte sich ebenso verkleinert.
Ueberträgt man aber von einem eisernen Grundmaaße auf einen
Messingstab, so muß man beide in diejenige Temperatur bringen,
wo der alte Maaßstab seine wahre Länge hat, weil Messing sich
anderthalbmal so viel als Eisen ausdehnt und daher eine bei Son-
nenhitze der Messingtoise gleiche Eisentoise bei der Frostkälte nicht
mehr mit ihr übereinstimmt. Aus diesem Grunde werden bei sehr
genauen Messungen langer Linien die Wärmegrade zur Zeit der
Messung bemerkt; denn obgleich es uns zu gewöhnlichem Gebrauche
ziemlich unbedeutend scheint, daß bei einer Sommerwärme von
30° Centes. ein Messingstab von 10 Fuß lang um eines

die Waͤrme, theils ein Eintrocknen dieſer waͤrmeren Seite; der
Erfolg kann daher von entgegengeſetzter Art ſein.

Der gluͤhend um das Rad geſchlagene eiſerne Reif muß es ſehr
feſt umſchließen, wenn das Eiſen kalt geworden iſt. —

Daß wir an die ungleiche Ausdehnung der Koͤrper bei man-
chen Verſuchen, wenn wir genaue Folgerungen ziehen wollen, den-
ken muͤſſen, habe ich ſchon fruͤher zuweilen erwaͤhnt. Das Araͤo-
meter, deſſen wir uns zu Beſtimmung des ſpecifiſchen Gewichtes
gewiſſer Fluͤſſigkeiten bedienen, ſinkt in eine erwaͤrmte Fluͤſſigkeit
tiefer ein, und muß um den richtigen Werth fuͤr dieſe Fluͤſſigkeit
zu beſtimmen, nur bei der Temperatur, fuͤr welche es graduirt iſt,
gebraucht werden. Selbſt die Abwaͤgungen eines feſten Koͤrpers in
irgend einer Fluͤſſigkeit ſind, ohne die Ruͤckſicht auf die Waͤrme,
von geringem Werthe, weil ſie uns das Gewicht der einen gleichen
Raum einnehmenden Fluͤſſigkeit in Vergleichung gegen das Gewicht
des feſten Koͤrpers fuͤr den gerade ſtatt findenden Zuſtand kennen
lehren, aber das Verhaͤltniß dieſer Gewichte ſich bei ungleicher
Waͤrme aͤndert. Und ebenſo muß man bei genauen Meſſungen mit
Maaßſtaͤben daran denken, daß das was im ſtrengſten Sinne ein
Fuß, eine Toiſe, ein Meter heißt, nicht bei jeder Waͤrme die Laͤnge
des Maaßſtabes iſt, der dieſer Laͤnge gleich angegeben wird. Will
man das ganz genaue Maaß eines eiſernen Maaßſtabes wieder auf
einen eiſernen Maaßſtab uͤbertragen, und iſt man ſicher, genau
gleiches Eiſen in beiden zu beſitzen, ſo koͤnnte man, vorausgeſetzt,
daß beide genau gleich warm ſind, bei jeder Temperatur die Ueber-
tragung machen, weil das in groͤßerer Waͤrme zu große Maaß auch
auf dem neuen Maaßſtabe in der Kaͤlte ſich ebenſo verkleinert.
Uebertraͤgt man aber von einem eiſernen Grundmaaße auf einen
Meſſingſtab, ſo muß man beide in diejenige Temperatur bringen,
wo der alte Maaßſtab ſeine wahre Laͤnge hat, weil Meſſing ſich
anderthalbmal ſo viel als Eiſen ausdehnt und daher eine bei Son-
nenhitze der Meſſingtoiſe gleiche Eiſentoiſe bei der Froſtkaͤlte nicht
mehr mit ihr uͤbereinſtimmt. Aus dieſem Grunde werden bei ſehr
genauen Meſſungen langer Linien die Waͤrmegrade zur Zeit der
Meſſung bemerkt; denn obgleich es uns zu gewoͤhnlichem Gebrauche
ziemlich unbedeutend ſcheint, daß bei einer Sommerwaͤrme von
30° Centeſ. ein Meſſingſtab von 10 Fuß lang um eines

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[24/0038] die Waͤrme, theils ein Eintrocknen dieſer waͤrmeren Seite; der Erfolg kann daher von entgegengeſetzter Art ſein. Der gluͤhend um das Rad geſchlagene eiſerne Reif muß es ſehr feſt umſchließen, wenn das Eiſen kalt geworden iſt. — Daß wir an die ungleiche Ausdehnung der Koͤrper bei man- chen Verſuchen, wenn wir genaue Folgerungen ziehen wollen, den- ken muͤſſen, habe ich ſchon fruͤher zuweilen erwaͤhnt. Das Araͤo- meter, deſſen wir uns zu Beſtimmung des ſpecifiſchen Gewichtes gewiſſer Fluͤſſigkeiten bedienen, ſinkt in eine erwaͤrmte Fluͤſſigkeit tiefer ein, und muß um den richtigen Werth fuͤr dieſe Fluͤſſigkeit zu beſtimmen, nur bei der Temperatur, fuͤr welche es graduirt iſt, gebraucht werden. Selbſt die Abwaͤgungen eines feſten Koͤrpers in irgend einer Fluͤſſigkeit ſind, ohne die Ruͤckſicht auf die Waͤrme, von geringem Werthe, weil ſie uns das Gewicht der einen gleichen Raum einnehmenden Fluͤſſigkeit in Vergleichung gegen das Gewicht des feſten Koͤrpers fuͤr den gerade ſtatt findenden Zuſtand kennen lehren, aber das Verhaͤltniß dieſer Gewichte ſich bei ungleicher Waͤrme aͤndert. Und ebenſo muß man bei genauen Meſſungen mit Maaßſtaͤben daran denken, daß das was im ſtrengſten Sinne ein Fuß, eine Toiſe, ein Meter heißt, nicht bei jeder Waͤrme die Laͤnge des Maaßſtabes iſt, der dieſer Laͤnge gleich angegeben wird. Will man das ganz genaue Maaß eines eiſernen Maaßſtabes wieder auf einen eiſernen Maaßſtab uͤbertragen, und iſt man ſicher, genau gleiches Eiſen in beiden zu beſitzen, ſo koͤnnte man, vorausgeſetzt, daß beide genau gleich warm ſind, bei jeder Temperatur die Ueber- tragung machen, weil das in groͤßerer Waͤrme zu große Maaß auch auf dem neuen Maaßſtabe in der Kaͤlte ſich ebenſo verkleinert. Uebertraͤgt man aber von einem eiſernen Grundmaaße auf einen Meſſingſtab, ſo muß man beide in diejenige Temperatur bringen, wo der alte Maaßſtab ſeine wahre Laͤnge hat, weil Meſſing ſich anderthalbmal ſo viel als Eiſen ausdehnt und daher eine bei Son- nenhitze der Meſſingtoiſe gleiche Eiſentoiſe bei der Froſtkaͤlte nicht mehr mit ihr uͤbereinſtimmt. Aus dieſem Grunde werden bei ſehr genauen Meſſungen langer Linien die Waͤrmegrade zur Zeit der Meſſung bemerkt; denn obgleich es uns zu gewoͤhnlichem Gebrauche ziemlich unbedeutend ſcheint, daß bei einer Sommerwaͤrme von 30° Centeſ. ein Meſſingſtab von 10 Fuß lang um [FORMEL] eines

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/38>, abgerufen am 25.04.2024.