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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

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II. Abschnitt. [Gleich. 37]
niemals mit Condensation verknüpft ist, wogegen unterhalb die
isobare Compression stets den Zweiphasenraum passirt.

Noch eine andere Scheidung zwischen Dampf und Gas
würde man erhalten, wenn man die adiabatische Zustands-
änderung, d. h. die Zustandsänderung ohne Wärmezufuhr oder
-entziehung zu Grunde legen würde. Um dieselbe zu berechnen,
müsste man das Differentiale d Q der zugeführten Wärme (vergl.
§ 21) gleich Null setzen. Wir wollen uns hierauf nicht näher
einlassen und nur bemerken, dass, wenn man nicht eine be-
stimmte, sei es die isotherme, isobare oder adiabatische oder
sonst eine genau definirte Zustandsänderung zu Grunde legt,
eine Scheidung der Zustände in solche, welche man continuir-
lich in einander überführen kann oder nicht, überhaupt un-
möglich ist; denn man kann jeden Zustand in jeden anderen
ohne den Zweiphasenraum zu passiren, also continuirlich, aber
auch, indem man den Zweiphasenraum in der einen oder an-
deren Richtung passirt, also unter Condensation oder Ver-
dampfung überführen. Man sieht dies in folgender Weise ein:
Legen wir den Punkten des Zweiphasenraumes die bisherige
Bedeutung bei, so dass ihre Ordinaten gleich dem Drucke, ihre
Abscissen aber gleich dem Gesammtvolumen des tropfbaren
und dampfförmigen Antheiles zusammen sind, so stellt uns
jeder Punkt des Quadranten B A O der Fig. 3 einen möglichen
Zustand der Substanz dar. Seien uns zwei beliebige Zustände
gegeben. In jedem derselben habe die ganze Substanz dieselbe
Phase, sie entsprechen also zwei Punkten P und Q, welche
beide ausserhalb des Zweiphasenraumes liegen. (Sie sind in
der Figur nicht gezeichnet.) Wir können dieselben immer
durch eine Curve verbinden, welche ohne den Zweiphasen-
raum zu passiren oberhalb K von P nach Q geht. Diese
Curve stellt uns dann eine continuirliche Reihe von Zu-
ständen dar, durch welche die Substanz vom Zustande P in
den Zustand Q übergeführt werden kann, ohne dass irgend
einmal ein Theil derselben eine andere Phase als die übrige
Substanz hat. Wir können aber auch von P eine Curve nach
der linken Begrenzungslinie A J K des Zweiphasenraumes, dann
quer durch diesen hindurch von links nach rechts und endlich
oberhalb desselben hinweg nach Q ziehen. Diese Curve würde
eine Zustandsveränderung darstellen, wobei die Substanz zuerst

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niemals mit Condensation verknüpft ist, wogegen unterhalb die
isobare Compression stets den Zweiphasenraum passirt.

Noch eine andere Scheidung zwischen Dampf und Gas
würde man erhalten, wenn man die adiabatische Zustands-
änderung, d. h. die Zustandsänderung ohne Wärmezufuhr oder
-entziehung zu Grunde legen würde. Um dieselbe zu berechnen,
müsste man das Differentiale d Q der zugeführten Wärme (vergl.
§ 21) gleich Null setzen. Wir wollen uns hierauf nicht näher
einlassen und nur bemerken, dass, wenn man nicht eine be-
stimmte, sei es die isotherme, isobare oder adiabatische oder
sonst eine genau definirte Zustandsänderung zu Grunde legt,
eine Scheidung der Zustände in solche, welche man continuir-
lich in einander überführen kann oder nicht, überhaupt un-
möglich ist; denn man kann jeden Zustand in jeden anderen
ohne den Zweiphasenraum zu passiren, also continuirlich, aber
auch, indem man den Zweiphasenraum in der einen oder an-
deren Richtung passirt, also unter Condensation oder Ver-
dampfung überführen. Man sieht dies in folgender Weise ein:
Legen wir den Punkten des Zweiphasenraumes die bisherige
Bedeutung bei, so dass ihre Ordinaten gleich dem Drucke, ihre
Abscissen aber gleich dem Gesammtvolumen des tropfbaren
und dampfförmigen Antheiles zusammen sind, so stellt uns
jeder Punkt des Quadranten B A Ω der Fig. 3 einen möglichen
Zustand der Substanz dar. Seien uns zwei beliebige Zustände
gegeben. In jedem derselben habe die ganze Substanz dieselbe
Phase, sie entsprechen also zwei Punkten P und Q, welche
beide ausserhalb des Zweiphasenraumes liegen. (Sie sind in
der Figur nicht gezeichnet.) Wir können dieselben immer
durch eine Curve verbinden, welche ohne den Zweiphasen-
raum zu passiren oberhalb K von P nach Q geht. Diese
Curve stellt uns dann eine continuirliche Reihe von Zu-
ständen dar, durch welche die Substanz vom Zustande P in
den Zustand Q übergeführt werden kann, ohne dass irgend
einmal ein Theil derselben eine andere Phase als die übrige
Substanz hat. Wir können aber auch von P eine Curve nach
der linken Begrenzungslinie A J K des Zweiphasenraumes, dann
quer durch diesen hindurch von links nach rechts und endlich
oberhalb desselben hinweg nach Q ziehen. Diese Curve würde
eine Zustandsveränderung darstellen, wobei die Substanz zuerst

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[48/0066] II. Abschnitt. [Gleich. 37] niemals mit Condensation verknüpft ist, wogegen unterhalb die isobare Compression stets den Zweiphasenraum passirt. Noch eine andere Scheidung zwischen Dampf und Gas würde man erhalten, wenn man die adiabatische Zustands- änderung, d. h. die Zustandsänderung ohne Wärmezufuhr oder -entziehung zu Grunde legen würde. Um dieselbe zu berechnen, müsste man das Differentiale d Q der zugeführten Wärme (vergl. § 21) gleich Null setzen. Wir wollen uns hierauf nicht näher einlassen und nur bemerken, dass, wenn man nicht eine be- stimmte, sei es die isotherme, isobare oder adiabatische oder sonst eine genau definirte Zustandsänderung zu Grunde legt, eine Scheidung der Zustände in solche, welche man continuir- lich in einander überführen kann oder nicht, überhaupt un- möglich ist; denn man kann jeden Zustand in jeden anderen ohne den Zweiphasenraum zu passiren, also continuirlich, aber auch, indem man den Zweiphasenraum in der einen oder an- deren Richtung passirt, also unter Condensation oder Ver- dampfung überführen. Man sieht dies in folgender Weise ein: Legen wir den Punkten des Zweiphasenraumes die bisherige Bedeutung bei, so dass ihre Ordinaten gleich dem Drucke, ihre Abscissen aber gleich dem Gesammtvolumen des tropfbaren und dampfförmigen Antheiles zusammen sind, so stellt uns jeder Punkt des Quadranten B A Ω der Fig. 3 einen möglichen Zustand der Substanz dar. Seien uns zwei beliebige Zustände gegeben. In jedem derselben habe die ganze Substanz dieselbe Phase, sie entsprechen also zwei Punkten P und Q, welche beide ausserhalb des Zweiphasenraumes liegen. (Sie sind in der Figur nicht gezeichnet.) Wir können dieselben immer durch eine Curve verbinden, welche ohne den Zweiphasen- raum zu passiren oberhalb K von P nach Q geht. Diese Curve stellt uns dann eine continuirliche Reihe von Zu- ständen dar, durch welche die Substanz vom Zustande P in den Zustand Q übergeführt werden kann, ohne dass irgend einmal ein Theil derselben eine andere Phase als die übrige Substanz hat. Wir können aber auch von P eine Curve nach der linken Begrenzungslinie A J K des Zweiphasenraumes, dann quer durch diesen hindurch von links nach rechts und endlich oberhalb desselben hinweg nach Q ziehen. Diese Curve würde eine Zustandsveränderung darstellen, wobei die Substanz zuerst

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/66>, abgerufen am 29.03.2024.