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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

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II. Abschnitt. [Gleich. 37]

Den von den Zweiphasengeraden erfüllten Flächenraum
nennen wir den Zweiphasenraum; er ist in der Fig. 3 vertikal
schraffirt. Da die punktirte Curve der Fig. 1, welche der
geometrische Ort aller Maxima und Minima der Isothermen ist,
jedenfalls ganz innerhalb des Zweiphasenraumes liegt, so hat
die diesen Raum begrenzende Curve im kritischen Punkt K eine
noch schwächere Krümmung, als die punktirte Curve, jedenfalls
keine Spitze.

Unterhalb des Gasraumes liegt rechts vom Zweiphasen-
raume der Dampfraum, in welchem sich die Substanz ähnlich
wie ein Gas verhält; links vom Zweiphasenraume, und zwar
von der Geraden A B begrenzt, der Flüssigkeitsraum, in dem
wir sie als tropfbare Flüssigkeit bezeichnen. Diese beiden
letztgenannten Räume sind in Fig. 3 schief schraffirt. Sie sind
dadurch characterisirt, dass kein Zustand des einen in einen
Zustand des anderen ohne Condensation isotherm übergeführt
werden kann.

Die typische, diese Räume durchsetzende Isotherme ist
die Curve 3 der Fig. 3. Durchläuft man sie, von der höchsten
Verdünnung ausgehend, so kann man folgendes über das Ver-
halten der Substanz bei isothermer Compression aussagen: Im
Dampfraume gilt, so lange das Volumen gross ist, angenähert
das Boyle'sche Gesetz. Verkleinert man das Volumen, so
treten die Abweichungen von diesem Gesetze immer mehr her-
vor. Sobald man den Zweiphasenraum betritt, bleibt bei weiterer
Volumverkleinerung der Druck constant und es verflüssigt sich
ein immer grösserer Theil der Substanz. Nachdem alle Sub-
stanz flüssig geworden ist, steigt bei weiterer Compression der
Druck rapid.

Zwei extreme Fälle hievon bieten die Isothermen 2 und 5;
erstere liegt noch nahe der kritischen. Da ist die flüssige
Phase noch wenig von der dampfförmigen verschieden. Die
Condensation dauert nur sehr kurze Zeit, so dass sie nur den
Charakter einer vorübergehenden Unregelmässigkeit in der Zu-
sammendrückbarkeit hat. Die Isotherme 5 dagegen entspricht
einer Temperatur, die sehr tief unter der kritischen liegt; der
Dampf kann da überhaupt nur mehr einen verschwindenden
Druck ausüben und macht sich gar nicht mehr bemerkbar.
Sobald der Druck einigermaassen erheblich und keine andere

II. Abschnitt. [Gleich. 37]

Den von den Zweiphasengeraden erfüllten Flächenraum
nennen wir den Zweiphasenraum; er ist in der Fig. 3 vertikal
schraffirt. Da die punktirte Curve der Fig. 1, welche der
geometrische Ort aller Maxima und Minima der Isothermen ist,
jedenfalls ganz innerhalb des Zweiphasenraumes liegt, so hat
die diesen Raum begrenzende Curve im kritischen Punkt K eine
noch schwächere Krümmung, als die punktirte Curve, jedenfalls
keine Spitze.

Unterhalb des Gasraumes liegt rechts vom Zweiphasen-
raume der Dampfraum, in welchem sich die Substanz ähnlich
wie ein Gas verhält; links vom Zweiphasenraume, und zwar
von der Geraden A B begrenzt, der Flüssigkeitsraum, in dem
wir sie als tropfbare Flüssigkeit bezeichnen. Diese beiden
letztgenannten Räume sind in Fig. 3 schief schraffirt. Sie sind
dadurch characterisirt, dass kein Zustand des einen in einen
Zustand des anderen ohne Condensation isotherm übergeführt
werden kann.

Die typische, diese Räume durchsetzende Isotherme ist
die Curve 3 der Fig. 3. Durchläuft man sie, von der höchsten
Verdünnung ausgehend, so kann man folgendes über das Ver-
halten der Substanz bei isothermer Compression aussagen: Im
Dampfraume gilt, so lange das Volumen gross ist, angenähert
das Boyle’sche Gesetz. Verkleinert man das Volumen, so
treten die Abweichungen von diesem Gesetze immer mehr her-
vor. Sobald man den Zweiphasenraum betritt, bleibt bei weiterer
Volumverkleinerung der Druck constant und es verflüssigt sich
ein immer grösserer Theil der Substanz. Nachdem alle Sub-
stanz flüssig geworden ist, steigt bei weiterer Compression der
Druck rapid.

Zwei extreme Fälle hievon bieten die Isothermen 2 und 5;
erstere liegt noch nahe der kritischen. Da ist die flüssige
Phase noch wenig von der dampfförmigen verschieden. Die
Condensation dauert nur sehr kurze Zeit, so dass sie nur den
Charakter einer vorübergehenden Unregelmässigkeit in der Zu-
sammendrückbarkeit hat. Die Isotherme 5 dagegen entspricht
einer Temperatur, die sehr tief unter der kritischen liegt; der
Dampf kann da überhaupt nur mehr einen verschwindenden
Druck ausüben und macht sich gar nicht mehr bemerkbar.
Sobald der Druck einigermaassen erheblich und keine andere

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[46/0064] II. Abschnitt. [Gleich. 37] Den von den Zweiphasengeraden erfüllten Flächenraum nennen wir den Zweiphasenraum; er ist in der Fig. 3 vertikal schraffirt. Da die punktirte Curve der Fig. 1, welche der geometrische Ort aller Maxima und Minima der Isothermen ist, jedenfalls ganz innerhalb des Zweiphasenraumes liegt, so hat die diesen Raum begrenzende Curve im kritischen Punkt K eine noch schwächere Krümmung, als die punktirte Curve, jedenfalls keine Spitze. Unterhalb des Gasraumes liegt rechts vom Zweiphasen- raume der Dampfraum, in welchem sich die Substanz ähnlich wie ein Gas verhält; links vom Zweiphasenraume, und zwar von der Geraden A B begrenzt, der Flüssigkeitsraum, in dem wir sie als tropfbare Flüssigkeit bezeichnen. Diese beiden letztgenannten Räume sind in Fig. 3 schief schraffirt. Sie sind dadurch characterisirt, dass kein Zustand des einen in einen Zustand des anderen ohne Condensation isotherm übergeführt werden kann. Die typische, diese Räume durchsetzende Isotherme ist die Curve 3 der Fig. 3. Durchläuft man sie, von der höchsten Verdünnung ausgehend, so kann man folgendes über das Ver- halten der Substanz bei isothermer Compression aussagen: Im Dampfraume gilt, so lange das Volumen gross ist, angenähert das Boyle’sche Gesetz. Verkleinert man das Volumen, so treten die Abweichungen von diesem Gesetze immer mehr her- vor. Sobald man den Zweiphasenraum betritt, bleibt bei weiterer Volumverkleinerung der Druck constant und es verflüssigt sich ein immer grösserer Theil der Substanz. Nachdem alle Sub- stanz flüssig geworden ist, steigt bei weiterer Compression der Druck rapid. Zwei extreme Fälle hievon bieten die Isothermen 2 und 5; erstere liegt noch nahe der kritischen. Da ist die flüssige Phase noch wenig von der dampfförmigen verschieden. Die Condensation dauert nur sehr kurze Zeit, so dass sie nur den Charakter einer vorübergehenden Unregelmässigkeit in der Zu- sammendrückbarkeit hat. Die Isotherme 5 dagegen entspricht einer Temperatur, die sehr tief unter der kritischen liegt; der Dampf kann da überhaupt nur mehr einen verschwindenden Druck ausüben und macht sich gar nicht mehr bemerkbar. Sobald der Druck einigermaassen erheblich und keine andere

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/64>, abgerufen am 19.04.2024.