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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

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I. Abschnitt. [Gleich. 26]
bestimmt wird, sich nicht constant ergiebt, sondern mit ab-
nehmendem v abnimmt. Daraus folgt also keineswegs, dass
die Grundannahmen van der Waals' für die betreffende Sub-
stanz unerlaubt wären, da sich ja aus diesen Grundannahmen,
wenn sie exact in eine Formel gekleidet würden, dieselbe Con-
sequenz ergeben müsste. Leider war es bisher nicht möglich
zu berechnen, welche Function von v bei exacter Durchführung
der Rechnung unter den Grundannahmen van der Waals'
an die Stelle von r / (v -- b) treten müsste. Wir müssen uns
also im Folgenden auf Discussion der Gleichung 22) be-
schränken und in Erinnerung behalten, dass wir für kleine
Werthe des v nicht mehr als qualitative Uebereinstimmung zu
erwarten haben. Aus den Gleichungen 23) folgt ferner
26) [Formel 1] ,
woraus sich auch der Werth der Constanten a ergiebt. Be-
rechnet man wieder diesen Werth für mehrere Werthe von v,
so kann man sich überzeugen, mit welcher Genauigkeit die
Form des auf der linken Seite der Waals'schen Gleichung 22)
zu p additiv hinzutretenden Gliedes der Erfahrung entspricht,
inwieweit also die Annahme van der Waals' in der Natur
zutrifft, dass sich die Cohäsionskräfte, die wir nach ihm be-
nannt haben, auf Distanzen erstrecken, die gross gegenüber
dem mittleren Abstande zweier benachbarter Moleküle sind.

§ 10. Absolute Temperatur. Compressionscoefficient.

Die Bedingung, dass wir die absolute Temperatur mittelst
eines idealen Gases bestimmen können, ist niemals exact erfüllt,
da kein bekanntes Gas, selbst nicht das Wasserstoffgas, exact
die Eigenschaften besitzt, die wir einem idealen Gase zu-
schreiben. Die rationellste Definition der Temperatur ist aller-
dings die nach der Lord Kelvin'schen Temperaturscala, welche
bekanntlich von der maximalen Arbeit abgeleitet ist, die beim
Uebergang der Wärme von einer bestimmten höheren zu einer
bestimmten niederen Temperatur geleistet werden kann. Da
aber die directe experimentelle Bestimmung dieser Arbeit immer
sehr ungenau ausfallen würde, so ist man gezwungen, dieselbe
aus der Zustandsgleichung irgend eines Körpers zu berechnen.
Nun sind die Abweichungen des Wasserstoffes vom idealen

I. Abschnitt. [Gleich. 26]
bestimmt wird, sich nicht constant ergiebt, sondern mit ab-
nehmendem v abnimmt. Daraus folgt also keineswegs, dass
die Grundannahmen van der Waals’ für die betreffende Sub-
stanz unerlaubt wären, da sich ja aus diesen Grundannahmen,
wenn sie exact in eine Formel gekleidet würden, dieselbe Con-
sequenz ergeben müsste. Leider war es bisher nicht möglich
zu berechnen, welche Function von v bei exacter Durchführung
der Rechnung unter den Grundannahmen van der Waals’
an die Stelle von r / (v — b) treten müsste. Wir müssen uns
also im Folgenden auf Discussion der Gleichung 22) be-
schränken und in Erinnerung behalten, dass wir für kleine
Werthe des v nicht mehr als qualitative Uebereinstimmung zu
erwarten haben. Aus den Gleichungen 23) folgt ferner
26) [Formel 1] ,
woraus sich auch der Werth der Constanten a ergiebt. Be-
rechnet man wieder diesen Werth für mehrere Werthe von v,
so kann man sich überzeugen, mit welcher Genauigkeit die
Form des auf der linken Seite der Waals’schen Gleichung 22)
zu p additiv hinzutretenden Gliedes der Erfahrung entspricht,
inwieweit also die Annahme van der Waals’ in der Natur
zutrifft, dass sich die Cohäsionskräfte, die wir nach ihm be-
nannt haben, auf Distanzen erstrecken, die gross gegenüber
dem mittleren Abstande zweier benachbarter Moleküle sind.

§ 10. Absolute Temperatur. Compressionscoefficient.

Die Bedingung, dass wir die absolute Temperatur mittelst
eines idealen Gases bestimmen können, ist niemals exact erfüllt,
da kein bekanntes Gas, selbst nicht das Wasserstoffgas, exact
die Eigenschaften besitzt, die wir einem idealen Gase zu-
schreiben. Die rationellste Definition der Temperatur ist aller-
dings die nach der Lord Kelvin’schen Temperaturscala, welche
bekanntlich von der maximalen Arbeit abgeleitet ist, die beim
Uebergang der Wärme von einer bestimmten höheren zu einer
bestimmten niederen Temperatur geleistet werden kann. Da
aber die directe experimentelle Bestimmung dieser Arbeit immer
sehr ungenau ausfallen würde, so ist man gezwungen, dieselbe
aus der Zustandsgleichung irgend eines Körpers zu berechnen.
Nun sind die Abweichungen des Wasserstoffes vom idealen

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[20/0038] I. Abschnitt. [Gleich. 26] bestimmt wird, sich nicht constant ergiebt, sondern mit ab- nehmendem v abnimmt. Daraus folgt also keineswegs, dass die Grundannahmen van der Waals’ für die betreffende Sub- stanz unerlaubt wären, da sich ja aus diesen Grundannahmen, wenn sie exact in eine Formel gekleidet würden, dieselbe Con- sequenz ergeben müsste. Leider war es bisher nicht möglich zu berechnen, welche Function von v bei exacter Durchführung der Rechnung unter den Grundannahmen van der Waals’ an die Stelle von r / (v — b) treten müsste. Wir müssen uns also im Folgenden auf Discussion der Gleichung 22) be- schränken und in Erinnerung behalten, dass wir für kleine Werthe des v nicht mehr als qualitative Uebereinstimmung zu erwarten haben. Aus den Gleichungen 23) folgt ferner 26) [FORMEL], woraus sich auch der Werth der Constanten a ergiebt. Be- rechnet man wieder diesen Werth für mehrere Werthe von v, so kann man sich überzeugen, mit welcher Genauigkeit die Form des auf der linken Seite der Waals’schen Gleichung 22) zu p additiv hinzutretenden Gliedes der Erfahrung entspricht, inwieweit also die Annahme van der Waals’ in der Natur zutrifft, dass sich die Cohäsionskräfte, die wir nach ihm be- nannt haben, auf Distanzen erstrecken, die gross gegenüber dem mittleren Abstande zweier benachbarter Moleküle sind. § 10. Absolute Temperatur. Compressionscoefficient. Die Bedingung, dass wir die absolute Temperatur mittelst eines idealen Gases bestimmen können, ist niemals exact erfüllt, da kein bekanntes Gas, selbst nicht das Wasserstoffgas, exact die Eigenschaften besitzt, die wir einem idealen Gase zu- schreiben. Die rationellste Definition der Temperatur ist aller- dings die nach der Lord Kelvin’schen Temperaturscala, welche bekanntlich von der maximalen Arbeit abgeleitet ist, die beim Uebergang der Wärme von einer bestimmten höheren zu einer bestimmten niederen Temperatur geleistet werden kann. Da aber die directe experimentelle Bestimmung dieser Arbeit immer sehr ungenau ausfallen würde, so ist man gezwungen, dieselbe aus der Zustandsgleichung irgend eines Körpers zu berechnen. Nun sind die Abweichungen des Wasserstoffes vom idealen

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/38>, abgerufen am 16.04.2024.