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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

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[Gleich. 138] § 44. Werthe für specielle Fälle.
rotationslos waren, so bleiben sie es für alle Zeiten. Hatten
sie dagegen anfangs eine Drehung, so behält jedes Molekül
unabhängig von allen anderen seine Drehung bei, ohne dass
dieselbe je irgend eine beobachtbare Wirkung ausübt.

Von den die Lage eines Moleküles bestimmenden Variabeln
kommen daher für die Zusammenstösse allein die drei Coordi-
naten des Schwerpunktes in Betracht und es ist wieder
m = 3, k = 1 2/3 .1)

Anders ist es, wenn die Moleküle absolut glatte, undeformir-
bare elastische Körper sind, welche entweder die Gestalt von
Rotationskörpern haben, die von der Kugelform verschieden
sind oder zwar die Gestalt von Kugeln, aber ohne dass der
Schwerpunkt mit deren Mittelpunkt zusammenfällt. Wenn sie
Rotationskörper sind, die nicht Kugelgestalt haben, wird an-
genommen, dass entweder ihre Masse überhaupt vollkommen
symmetrisch um die Rotationsaxe angeordnet ist, oder dass
diese wenigstens Hauptträgheitsaxe ist, dass der Schwerpunkt
auf derselben liegt und das Trägheitsmoment des Moleküles
bezüglich jeder durch den Schwerpunkt senkrecht zur Rotations-
axe gelegten Geraden gleich ist. Wenn sie Kugeln mit excentrisch
liegendem Schwerpunkte sind, muss ebenfalls das Trägheits-
moment des Moleküles bezüglich jeder durch den Schwerpunkt
senkrecht auf der Verbindungslinie von Schwerpunkt und Mittel-
punkt gezogenen Geraden gleich sein. Dann wird nur die
Drehung um die Rotationsaxe auf die Zusammenstösse ohne
Einfluss sein. Alle anderen Drehungen werden durch die Zu-
sammenstösse fortwährend verändert, so dass sich deren lebendige
Kraft mit der lebendigen Kraft der Progressivbewegung ins
Wärmegleichgewicht setzen muss.

Zur Bestimmung der Lage eines Moleküles im Raume sind
jetzt fünf Variabeln nothwendig, die drei Coordinaten seines
Schwerpunktes und zwei die Lage seiner Rotationsaxe im Raume

1) Ueberhaupt erhält man in diesen beiden Fällen aus der Formel 118)
sofort alle Formeln wieder, welche wir im I. Theile für einatomige Mole-
küle entwickelten und zwar für den Fall des Fehlens äusserer Kräfte in
§ 7, für den Fall des Vorhandenseins solcher in § 19. Diese Formeln
sind also nur specielle Fälle der Formel 118).
Boltzmann, Gastheorie II. 9

[Gleich. 138] § 44. Werthe für specielle Fälle.
rotationslos waren, so bleiben sie es für alle Zeiten. Hatten
sie dagegen anfangs eine Drehung, so behält jedes Molekül
unabhängig von allen anderen seine Drehung bei, ohne dass
dieselbe je irgend eine beobachtbare Wirkung ausübt.

Von den die Lage eines Moleküles bestimmenden Variabeln
kommen daher für die Zusammenstösse allein die drei Coordi-
naten des Schwerpunktes in Betracht und es ist wieder
μ = 3, κ = 1⅔.1)

Anders ist es, wenn die Moleküle absolut glatte, undeformir-
bare elastische Körper sind, welche entweder die Gestalt von
Rotationskörpern haben, die von der Kugelform verschieden
sind oder zwar die Gestalt von Kugeln, aber ohne dass der
Schwerpunkt mit deren Mittelpunkt zusammenfällt. Wenn sie
Rotationskörper sind, die nicht Kugelgestalt haben, wird an-
genommen, dass entweder ihre Masse überhaupt vollkommen
symmetrisch um die Rotationsaxe angeordnet ist, oder dass
diese wenigstens Hauptträgheitsaxe ist, dass der Schwerpunkt
auf derselben liegt und das Trägheitsmoment des Moleküles
bezüglich jeder durch den Schwerpunkt senkrecht zur Rotations-
axe gelegten Geraden gleich ist. Wenn sie Kugeln mit excentrisch
liegendem Schwerpunkte sind, muss ebenfalls das Trägheits-
moment des Moleküles bezüglich jeder durch den Schwerpunkt
senkrecht auf der Verbindungslinie von Schwerpunkt und Mittel-
punkt gezogenen Geraden gleich sein. Dann wird nur die
Drehung um die Rotationsaxe auf die Zusammenstösse ohne
Einfluss sein. Alle anderen Drehungen werden durch die Zu-
sammenstösse fortwährend verändert, so dass sich deren lebendige
Kraft mit der lebendigen Kraft der Progressivbewegung ins
Wärmegleichgewicht setzen muss.

Zur Bestimmung der Lage eines Moleküles im Raume sind
jetzt fünf Variabeln nothwendig, die drei Coordinaten seines
Schwerpunktes und zwei die Lage seiner Rotationsaxe im Raume

1) Ueberhaupt erhält man in diesen beiden Fällen aus der Formel 118)
sofort alle Formeln wieder, welche wir im I. Theile für einatomige Mole-
küle entwickelten und zwar für den Fall des Fehlens äusserer Kräfte in
§ 7, für den Fall des Vorhandenseins solcher in § 19. Diese Formeln
sind also nur specielle Fälle der Formel 118).
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[129/0147] [Gleich. 138] § 44. Werthe für specielle Fälle. rotationslos waren, so bleiben sie es für alle Zeiten. Hatten sie dagegen anfangs eine Drehung, so behält jedes Molekül unabhängig von allen anderen seine Drehung bei, ohne dass dieselbe je irgend eine beobachtbare Wirkung ausübt. Von den die Lage eines Moleküles bestimmenden Variabeln kommen daher für die Zusammenstösse allein die drei Coordi- naten des Schwerpunktes in Betracht und es ist wieder μ = 3, κ = 1⅔. 1) Anders ist es, wenn die Moleküle absolut glatte, undeformir- bare elastische Körper sind, welche entweder die Gestalt von Rotationskörpern haben, die von der Kugelform verschieden sind oder zwar die Gestalt von Kugeln, aber ohne dass der Schwerpunkt mit deren Mittelpunkt zusammenfällt. Wenn sie Rotationskörper sind, die nicht Kugelgestalt haben, wird an- genommen, dass entweder ihre Masse überhaupt vollkommen symmetrisch um die Rotationsaxe angeordnet ist, oder dass diese wenigstens Hauptträgheitsaxe ist, dass der Schwerpunkt auf derselben liegt und das Trägheitsmoment des Moleküles bezüglich jeder durch den Schwerpunkt senkrecht zur Rotations- axe gelegten Geraden gleich ist. Wenn sie Kugeln mit excentrisch liegendem Schwerpunkte sind, muss ebenfalls das Trägheits- moment des Moleküles bezüglich jeder durch den Schwerpunkt senkrecht auf der Verbindungslinie von Schwerpunkt und Mittel- punkt gezogenen Geraden gleich sein. Dann wird nur die Drehung um die Rotationsaxe auf die Zusammenstösse ohne Einfluss sein. Alle anderen Drehungen werden durch die Zu- sammenstösse fortwährend verändert, so dass sich deren lebendige Kraft mit der lebendigen Kraft der Progressivbewegung ins Wärmegleichgewicht setzen muss. Zur Bestimmung der Lage eines Moleküles im Raume sind jetzt fünf Variabeln nothwendig, die drei Coordinaten seines Schwerpunktes und zwei die Lage seiner Rotationsaxe im Raume 1) Ueberhaupt erhält man in diesen beiden Fällen aus der Formel 118) sofort alle Formeln wieder, welche wir im I. Theile für einatomige Mole- küle entwickelten und zwar für den Fall des Fehlens äusserer Kräfte in § 7, für den Fall des Vorhandenseins solcher in § 19. Diese Formeln sind also nur specielle Fälle der Formel 118). Boltzmann, Gastheorie II. 9

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/147>, abgerufen am 29.03.2024.