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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896.

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I. Abschnitt. [Gleich. 27]
§ 5. Beweis, dass die Maxwell'sche Geschwindigkeits-
vertheilung die einzig mögliche ist
.

Wir werden uns mit der Auflösung der Gleichungen 27,
welche keine besondere Schwierigkeit bietet, später beschäftigen.
Sie führen mit Nothwendigkeit auf das bekannte Maxwell'sche
Geschwindigkeitsvertheilungsgesetz. Für dasselbe verschwinden
also die beiden Grössen partial f / partial t und partial F / partial t, weil für sämmt-
liche Integrale die Grösse unter dem Integralzeichen identisch
verschwindet. Es ist somit bewiesen, dass die Maxwell'sche
Geschwindigkeitsvertheilung, wenn sie einmal unter den Mole-
külen besteht, durch die Zusammenstösse nicht weiter ver-
ändert wird. Dagegen ist noch nicht der Beweis geliefert,
dass nicht auch noch durch andere Functionen die beiden
Ausdrücke 25 und 26 zum Verschwinden gebracht werden
können, ohne dass in allen Integralen die Grösse unter dem
Integralzeichen für alle Werthe der Integrationsvariabeln ver-
schwindet. Man mag derartigen Bedenken so wenig Gewicht
beilegen, als man will, ich fand mich veranlasst, sie durch
einen besonderen Beweis zu widerlegen. Da nun derselbe
eine, wie mir scheint, nicht uninteressante Beziehung zum
Entropieprincipe hat, so will ich ihn hier in der Form, die
ihm durch H. A. Lorentz gegeben wurde, wiedergeben.

Wir betrachten dasselbe Gasgemisch wie früher und be-
halten auch alle früher gebrauchten Bezeichnungen bei. Ferner
bezeichnen wir mit l f und l F die natürlichen Logarithmen
der Functionen f und F. Das Resultat, welches wir erhalten,
wenn wir in l f für x, e, z die Geschwindigkeitscomponenten
einsetzen, welche einem bestimmten Gasmoleküle von der
Masse m zu einer bestimmten Zeit t zukommen, bezeichnen
wir als den Werth der Logarithmusfunction, welche dem be-
treffenden Moleküle zur betreffenden Zeit entspricht. Ganz
analog erhalten wir den Werth der Logarithmusfunction, wel-
cher irgend einem Moleküle m1 zu irgend einer Zeit entspricht,
indem wir in l F1 die Geschwindigkeitscomponenten x1, e1, z1
des betreffenden Moleküls m1 zur betreffenden Zeit einsetzen.
Wir wollen nun die Summe H aller Werthe der Logarithmus-
function berechnen, welche zu einer bestimmten Zeit allen in

I. Abschnitt. [Gleich. 27]
§ 5. Beweis, dass die Maxwell’sche Geschwindigkeits-
vertheilung die einzig mögliche ist
.

Wir werden uns mit der Auflösung der Gleichungen 27,
welche keine besondere Schwierigkeit bietet, später beschäftigen.
Sie führen mit Nothwendigkeit auf das bekannte Maxwell’sche
Geschwindigkeitsvertheilungsgesetz. Für dasselbe verschwinden
also die beiden Grössen ∂ f / ∂ t und ∂ F / ∂ t, weil für sämmt-
liche Integrale die Grösse unter dem Integralzeichen identisch
verschwindet. Es ist somit bewiesen, dass die Maxwell’sche
Geschwindigkeitsvertheilung, wenn sie einmal unter den Mole-
külen besteht, durch die Zusammenstösse nicht weiter ver-
ändert wird. Dagegen ist noch nicht der Beweis geliefert,
dass nicht auch noch durch andere Functionen die beiden
Ausdrücke 25 und 26 zum Verschwinden gebracht werden
können, ohne dass in allen Integralen die Grösse unter dem
Integralzeichen für alle Werthe der Integrationsvariabeln ver-
schwindet. Man mag derartigen Bedenken so wenig Gewicht
beilegen, als man will, ich fand mich veranlasst, sie durch
einen besonderen Beweis zu widerlegen. Da nun derselbe
eine, wie mir scheint, nicht uninteressante Beziehung zum
Entropieprincipe hat, so will ich ihn hier in der Form, die
ihm durch H. A. Lorentz gegeben wurde, wiedergeben.

Wir betrachten dasselbe Gasgemisch wie früher und be-
halten auch alle früher gebrauchten Bezeichnungen bei. Ferner
bezeichnen wir mit l f und l F die natürlichen Logarithmen
der Functionen f und F. Das Resultat, welches wir erhalten,
wenn wir in l f für ξ, η, ζ die Geschwindigkeitscomponenten
einsetzen, welche einem bestimmten Gasmoleküle von der
Masse m zu einer bestimmten Zeit t zukommen, bezeichnen
wir als den Werth der Logarithmusfunction, welche dem be-
treffenden Moleküle zur betreffenden Zeit entspricht. Ganz
analog erhalten wir den Werth der Logarithmusfunction, wel-
cher irgend einem Moleküle m1 zu irgend einer Zeit entspricht,
indem wir in l F1 die Geschwindigkeitscomponenten ξ1, η1, ζ1
des betreffenden Moleküls m1 zur betreffenden Zeit einsetzen.
Wir wollen nun die Summe H aller Werthe der Logarithmus-
function berechnen, welche zu einer bestimmten Zeit allen in

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[32/0046] I. Abschnitt. [Gleich. 27] § 5. Beweis, dass die Maxwell’sche Geschwindigkeits- vertheilung die einzig mögliche ist. Wir werden uns mit der Auflösung der Gleichungen 27, welche keine besondere Schwierigkeit bietet, später beschäftigen. Sie führen mit Nothwendigkeit auf das bekannte Maxwell’sche Geschwindigkeitsvertheilungsgesetz. Für dasselbe verschwinden also die beiden Grössen ∂ f / ∂ t und ∂ F / ∂ t, weil für sämmt- liche Integrale die Grösse unter dem Integralzeichen identisch verschwindet. Es ist somit bewiesen, dass die Maxwell’sche Geschwindigkeitsvertheilung, wenn sie einmal unter den Mole- külen besteht, durch die Zusammenstösse nicht weiter ver- ändert wird. Dagegen ist noch nicht der Beweis geliefert, dass nicht auch noch durch andere Functionen die beiden Ausdrücke 25 und 26 zum Verschwinden gebracht werden können, ohne dass in allen Integralen die Grösse unter dem Integralzeichen für alle Werthe der Integrationsvariabeln ver- schwindet. Man mag derartigen Bedenken so wenig Gewicht beilegen, als man will, ich fand mich veranlasst, sie durch einen besonderen Beweis zu widerlegen. Da nun derselbe eine, wie mir scheint, nicht uninteressante Beziehung zum Entropieprincipe hat, so will ich ihn hier in der Form, die ihm durch H. A. Lorentz gegeben wurde, wiedergeben. Wir betrachten dasselbe Gasgemisch wie früher und be- halten auch alle früher gebrauchten Bezeichnungen bei. Ferner bezeichnen wir mit l f und l F die natürlichen Logarithmen der Functionen f und F. Das Resultat, welches wir erhalten, wenn wir in l f für ξ, η, ζ die Geschwindigkeitscomponenten einsetzen, welche einem bestimmten Gasmoleküle von der Masse m zu einer bestimmten Zeit t zukommen, bezeichnen wir als den Werth der Logarithmusfunction, welche dem be- treffenden Moleküle zur betreffenden Zeit entspricht. Ganz analog erhalten wir den Werth der Logarithmusfunction, wel- cher irgend einem Moleküle m1 zu irgend einer Zeit entspricht, indem wir in l F1 die Geschwindigkeitscomponenten ξ1, η1, ζ1 des betreffenden Moleküls m1 zur betreffenden Zeit einsetzen. Wir wollen nun die Summe H aller Werthe der Logarithmus- function berechnen, welche zu einer bestimmten Zeit allen in

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896/46>, abgerufen am 28.03.2024.