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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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wie Argan auch das Volk klug werden, sich selbst
zum Doktor kreiren und das erhabene und geheim¬
nißvolle clysterium donare, postea segnare, en¬
suita purgare
-- was man regieren nennt --
selbst lernen und ausüben.

Haben Sie aber, wenn Sie Thee getrunken, je
daran gedacht, daß er der Thee ist dem wir die Ame¬
rikanische Freiheit zu verdanken und alle die herrlichen
Folgen, die sie für Europa gehabt? Ein Zoll den
das englische Parlament auf den Thee gelegt, veran¬
laßte den Abfall der amerikanischen Colonien. Ich
rede da freilich im Geiste der Monarchisten, die jede
Revolution einem unglücklichen Zufalle zuschreiben;
wäre es nicht der Thee gewesen, wäre eine andere
Veranlassung dazu gekommen; nicht die Freiheit, die
Tyrannei bedarf einer Erklärung. Doch ist es im¬
mer schön, daß es der Thee war, und daß er so
wieder gut machte was er verdarb. Nehmlich der
Thee, der Kaffe und andere indischen Gewürze, haben
erstaunlich viel dazu beigetragen, die Despotie in
Europa zu begründen -- einerseits, indem sie die
Völker durch den Genuß körperlich, durch Gewöhnung
an Ueppigkeit geistig entnervt haben, und andererseits,
indem das Emporblühen des Handels die Fürsten be¬
reichert hat, so daß sie sich stehende Heere bilden
konnten, mit welchen sie die Freiheit niederschlugen.
Trinken Sie die nächste Tasse Thee auf die Gesund¬

wie Argan auch das Volk klug werden, ſich ſelbſt
zum Doktor kreiren und das erhabene und geheim¬
nißvolle clysterium donare, postea segnare, en¬
suita purgare
— was man regieren nennt —
ſelbſt lernen und ausüben.

Haben Sie aber, wenn Sie Thee getrunken, je
daran gedacht, daß er der Thee iſt dem wir die Ame¬
rikaniſche Freiheit zu verdanken und alle die herrlichen
Folgen, die ſie für Europa gehabt? Ein Zoll den
das engliſche Parlament auf den Thee gelegt, veran¬
laßte den Abfall der amerikaniſchen Colonien. Ich
rede da freilich im Geiſte der Monarchiſten, die jede
Revolution einem unglücklichen Zufalle zuſchreiben;
wäre es nicht der Thee geweſen, wäre eine andere
Veranlaſſung dazu gekommen; nicht die Freiheit, die
Tyrannei bedarf einer Erklärung. Doch iſt es im¬
mer ſchön, daß es der Thee war, und daß er ſo
wieder gut machte was er verdarb. Nehmlich der
Thee, der Kaffe und andere indiſchen Gewürze, haben
erſtaunlich viel dazu beigetragen, die Despotie in
Europa zu begründen — einerſeits, indem ſie die
Völker durch den Genuß körperlich, durch Gewöhnung
an Ueppigkeit geiſtig entnervt haben, und andererſeits,
indem das Emporblühen des Handels die Fürſten be¬
reichert hat, ſo daß ſie ſich ſtehende Heere bilden
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[214/0226] wie Argan auch das Volk klug werden, ſich ſelbſt zum Doktor kreiren und das erhabene und geheim¬ nißvolle clysterium donare, postea segnare, en¬ suita purgare — was man regieren nennt — ſelbſt lernen und ausüben. Haben Sie aber, wenn Sie Thee getrunken, je daran gedacht, daß er der Thee iſt dem wir die Ame¬ rikaniſche Freiheit zu verdanken und alle die herrlichen Folgen, die ſie für Europa gehabt? Ein Zoll den das engliſche Parlament auf den Thee gelegt, veran¬ laßte den Abfall der amerikaniſchen Colonien. Ich rede da freilich im Geiſte der Monarchiſten, die jede Revolution einem unglücklichen Zufalle zuſchreiben; wäre es nicht der Thee geweſen, wäre eine andere Veranlaſſung dazu gekommen; nicht die Freiheit, die Tyrannei bedarf einer Erklärung. Doch iſt es im¬ mer ſchön, daß es der Thee war, und daß er ſo wieder gut machte was er verdarb. Nehmlich der Thee, der Kaffe und andere indiſchen Gewürze, haben erſtaunlich viel dazu beigetragen, die Despotie in Europa zu begründen — einerſeits, indem ſie die Völker durch den Genuß körperlich, durch Gewöhnung an Ueppigkeit geiſtig entnervt haben, und andererſeits, indem das Emporblühen des Handels die Fürſten be¬ reichert hat, ſo daß ſie ſich ſtehende Heere bilden konnten, mit welchen ſie die Freiheit niederſchlugen. Trinken Sie die nächſte Taſſe Thee auf die Geſund¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/226>, abgerufen am 29.03.2024.