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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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bei diesen Verhandlungen langsam und vorsichtig
zu Werke zu gehen, und den gefährlichen Reizen
der Neuerungen
zu widerstehen. Wenn nun der
Kaiser von Oesterreich sogar einen reichlichen
Stoff sich um das Vaterland verdient zu
machen
, vierzig Jahre geschont hat, wie viel nöthi¬
ger ist es, daß die Regierung des kleinen Frankfurts
einen so ärmlichen Stoff als die Verbesserung des
Zustandes der Juden ist, nicht zu früh angreife, son¬
dern durch Aufhäufung der Zinsen das Kapital wach¬
sen lasse, damit der Stoff sich um das Vaterland
verdient zu machen nach verzig Jahren auch reich
werde.

Ihnen aber gebe ich jetzt drei Aufträge und
einen zwar freundschaftlichen aber ernst gemeinten
Rath. Erstens, gehen Sie in das Theater und sehen
Sie wie Richard hinkt. Zweitens gehen Sie in das
Museum und geben Acht, ob nicht die g moll-Sym¬
phonie von Mozart, aus Verdruß das sie Juden
mit anhören, in das Dur überspringt. Drittens,
lassen Sie auf dem Römer Erkundigungen einziehen
ob man die Aecker der Juden in dem Grund Lager¬
buche unter der Rubrik Aecker jüdischer Nation
einschreibe. Mein Rath ist: berichten Sie mir
künftig besser, sonst werden Sie zurückberufen; dann
giebt es Kriegsfurcht, die Papiere fallen und die

bei dieſen Verhandlungen langſam und vorſichtig
zu Werke zu gehen, und den gefährlichen Reizen
der Neuerungen
zu widerſtehen. Wenn nun der
Kaiſer von Oeſterreich ſogar einen reichlichen
Stoff ſich um das Vaterland verdient zu
machen
, vierzig Jahre geſchont hat, wie viel nöthi¬
ger iſt es, daß die Regierung des kleinen Frankfurts
einen ſo ärmlichen Stoff als die Verbeſſerung des
Zuſtandes der Juden iſt, nicht zu früh angreife, ſon¬
dern durch Aufhäufung der Zinſen das Kapital wach¬
ſen laſſe, damit der Stoff ſich um das Vaterland
verdient zu machen nach verzig Jahren auch reich
werde.

Ihnen aber gebe ich jetzt drei Aufträge und
einen zwar freundſchaftlichen aber ernſt gemeinten
Rath. Erſtens, gehen Sie in das Theater und ſehen
Sie wie Richard hinkt. Zweitens gehen Sie in das
Muſeum und geben Acht, ob nicht die g moll-Sym¬
phonie von Mozart, aus Verdruß das ſie Juden
mit anhören, in das Dur überſpringt. Drittens,
laſſen Sie auf dem Römer Erkundigungen einziehen
ob man die Aecker der Juden in dem Grund Lager¬
buche unter der Rubrik Aecker jüdiſcher Nation
einſchreibe. Mein Rath iſt: berichten Sie mir
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[178/0190] bei dieſen Verhandlungen langſam und vorſichtig zu Werke zu gehen, und den gefährlichen Reizen der Neuerungen zu widerſtehen. Wenn nun der Kaiſer von Oeſterreich ſogar einen reichlichen Stoff ſich um das Vaterland verdient zu machen, vierzig Jahre geſchont hat, wie viel nöthi¬ ger iſt es, daß die Regierung des kleinen Frankfurts einen ſo ärmlichen Stoff als die Verbeſſerung des Zuſtandes der Juden iſt, nicht zu früh angreife, ſon¬ dern durch Aufhäufung der Zinſen das Kapital wach¬ ſen laſſe, damit der Stoff ſich um das Vaterland verdient zu machen nach verzig Jahren auch reich werde. Ihnen aber gebe ich jetzt drei Aufträge und einen zwar freundſchaftlichen aber ernſt gemeinten Rath. Erſtens, gehen Sie in das Theater und ſehen Sie wie Richard hinkt. Zweitens gehen Sie in das Muſeum und geben Acht, ob nicht die g moll-Sym¬ phonie von Mozart, aus Verdruß das ſie Juden mit anhören, in das Dur überſpringt. Drittens, laſſen Sie auf dem Römer Erkundigungen einziehen ob man die Aecker der Juden in dem Grund Lager¬ buche unter der Rubrik Aecker jüdiſcher Nation einſchreibe. Mein Rath iſt: berichten Sie mir künftig beſſer, ſonſt werden Sie zurückberufen; dann giebt es Kriegsfurcht, die Papiere fallen und die

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/190>, abgerufen am 29.03.2024.