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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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Alle in einer Reihe stellten, Alle für Einen für Je¬
den sprächen und handelten, man ihnen ja gar nicht
beikommen könnte; da Frankfurt nicht genug Gefäng¬
nisse hat sie einzusperren.

So knurre ich; ich wollte aber ich wäre im
Ernste ein Hund. Wann ein Hund von seinem
Herrn geprügelt wird, so ist es doch ein höheres
Wesen, das ihn beherrscht; der Mensch ist der Gott
des Hundes, es ist seine Religion ihm treu und ge¬
horsam zu sein. Läßt sich aber je ein Hund von
einem andern Hunde beißen ohne sich zu wehren?
Oder hat man gar je gesehen, daß tausend Hunde
einem Einzigen gehorchen? Der Mensch aber läßt
sich von einem andern Menschen prügeln; ja tausend
Menschen erdulden es von einem Einzigen und we¬
deln dabei mit den Schwänzen! Und Jarke in
Berlin, ist an die Stelle von Genz nach Wien ge¬
kommen. Erinnern Sie mich an diesen Jarke, wenn
ich ihn vergessen sollte. Ich habe etwas über ihn zu
sagen. Zwar hat mich Heine gebeten, ich möchte ihm
den Jarke überlassen; aber ich denke es ist genug an
ihm für uns Beide.

Die andere europäische Tyrannei gefällt mir
weit besser als die Deutsche. Ich weiß nicht -- es
ist etwas Genialisches, Großes darin. Es ist we¬
nigstens eine hohe Mauer, die jeder sieht, der jeder

Alle in einer Reihe ſtellten, Alle für Einen für Je¬
den ſprächen und handelten, man ihnen ja gar nicht
beikommen könnte; da Frankfurt nicht genug Gefäng¬
niſſe hat ſie einzuſperren.

So knurre ich; ich wollte aber ich wäre im
Ernſte ein Hund. Wann ein Hund von ſeinem
Herrn geprügelt wird, ſo iſt es doch ein höheres
Weſen, das ihn beherrſcht; der Menſch iſt der Gott
des Hundes, es iſt ſeine Religion ihm treu und ge¬
horſam zu ſein. Läßt ſich aber je ein Hund von
einem andern Hunde beißen ohne ſich zu wehren?
Oder hat man gar je geſehen, daß tauſend Hunde
einem Einzigen gehorchen? Der Menſch aber läßt
ſich von einem andern Menſchen prügeln; ja tauſend
Menſchen erdulden es von einem Einzigen und we¬
deln dabei mit den Schwänzen! Und Jarke in
Berlin, iſt an die Stelle von Genz nach Wien ge¬
kommen. Erinnern Sie mich an dieſen Jarke, wenn
ich ihn vergeſſen ſollte. Ich habe etwas über ihn zu
ſagen. Zwar hat mich Heine gebeten, ich möchte ihm
den Jarke überlaſſen; aber ich denke es iſt genug an
ihm für uns Beide.

Die andere europäiſche Tyrannei gefällt mir
weit beſſer als die Deutſche. Ich weiß nicht — es
iſt etwas Genialiſches, Großes darin. Es iſt we¬
nigſtens eine hohe Mauer, die jeder ſieht, der jeder

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[5/0017] Alle in einer Reihe ſtellten, Alle für Einen für Je¬ den ſprächen und handelten, man ihnen ja gar nicht beikommen könnte; da Frankfurt nicht genug Gefäng¬ niſſe hat ſie einzuſperren. So knurre ich; ich wollte aber ich wäre im Ernſte ein Hund. Wann ein Hund von ſeinem Herrn geprügelt wird, ſo iſt es doch ein höheres Weſen, das ihn beherrſcht; der Menſch iſt der Gott des Hundes, es iſt ſeine Religion ihm treu und ge¬ horſam zu ſein. Läßt ſich aber je ein Hund von einem andern Hunde beißen ohne ſich zu wehren? Oder hat man gar je geſehen, daß tauſend Hunde einem Einzigen gehorchen? Der Menſch aber läßt ſich von einem andern Menſchen prügeln; ja tauſend Menſchen erdulden es von einem Einzigen und we¬ deln dabei mit den Schwänzen! Und Jarke in Berlin, iſt an die Stelle von Genz nach Wien ge¬ kommen. Erinnern Sie mich an dieſen Jarke, wenn ich ihn vergeſſen ſollte. Ich habe etwas über ihn zu ſagen. Zwar hat mich Heine gebeten, ich möchte ihm den Jarke überlaſſen; aber ich denke es iſt genug an ihm für uns Beide. Die andere europäiſche Tyrannei gefällt mir weit beſſer als die Deutſche. Ich weiß nicht — es iſt etwas Genialiſches, Großes darin. Es iſt we¬ nigſtens eine hohe Mauer, die jeder ſieht, der jeder

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/17>, abgerufen am 24.04.2024.