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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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"wir uns, daß wir unsere Freiheit in Ruhm reichlich
"bezahlt erhielten. Das Frankreich von damals,
"hatte wie Rom unter Cäsar, eine zugleich unterwür¬
"fige und stolze Stellung. Es war nicht das Frank¬
"reich wie wir es wollen, das freie sich selbst be¬
"herrschende Frankreich; es war Frankreich. Sklave
"eines Mannes und Gebieter der Welt."

"Damals, das ist wahr, nahm man uns die
"Freiheit; aber man gab uns ein erhabenes Schau¬
"spiel dafür. Man sagte: an diesem Tage, zu die¬
"ser Stunde, werden wir in diese Hauptstadt hinein¬
"gehen, und am bestimmten Tage zur bestimmten
"Stunde, zog man dort ein. Man entthronte eine
"Königsfamilie mit einem Dekrete des Moniteurs.
"Man ließ sich alle Arten Könige, in seinem Vor¬
"zimmer herumtreiben. Hatte man den Einfall eine
"Säule aufzurichten, ließ man vom Kaiser von Oest¬
"reich das Metall dazu liefern. Man regelte, ich
"gestehe es, etwas eigenmächtig die Verhältnisse der
"französischen Schauspieler; aber die Verordnung
"war von Moskow datirt. Man nahm uns alle un¬
"sere Freiheiten, sage ich; man hatte ein Censur-
"Büreau, man zerstampfte unsere Bücher, man strich
"unsere Stücke von dem Anschlagezettel; aber auf
"alle unsere Klagen konnte man uns mit einem ein¬

„wir uns, daß wir unſere Freiheit in Ruhm reichlich
„bezahlt erhielten. Das Frankreich von damals,
„hatte wie Rom unter Cäſar, eine zugleich unterwür¬
„fige und ſtolze Stellung. Es war nicht das Frank¬
„reich wie wir es wollen, das freie ſich ſelbſt be¬
„herrſchende Frankreich; es war Frankreich. Sklave
„eines Mannes und Gebieter der Welt.“

„Damals, das iſt wahr, nahm man uns die
„Freiheit; aber man gab uns ein erhabenes Schau¬
„ſpiel dafür. Man ſagte: an dieſem Tage, zu die¬
„ſer Stunde, werden wir in dieſe Hauptſtadt hinein¬
„gehen, und am beſtimmten Tage zur beſtimmten
„Stunde, zog man dort ein. Man entthronte eine
„Königsfamilie mit einem Dekrete des Moniteurs.
„Man ließ ſich alle Arten Könige, in ſeinem Vor¬
„zimmer herumtreiben. Hatte man den Einfall eine
„Säule aufzurichten, ließ man vom Kaiſer von Oeſt¬
„reich das Metall dazu liefern. Man regelte, ich
„geſtehe es, etwas eigenmächtig die Verhältniſſe der
„franzöſiſchen Schauſpieler; aber die Verordnung
„war von Moskow datirt. Man nahm uns alle un¬
„ſere Freiheiten, ſage ich; man hatte ein Cenſur-
„Büreau, man zerſtampfte unſere Bücher, man ſtrich
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[144/0156] „wir uns, daß wir unſere Freiheit in Ruhm reichlich „bezahlt erhielten. Das Frankreich von damals, „hatte wie Rom unter Cäſar, eine zugleich unterwür¬ „fige und ſtolze Stellung. Es war nicht das Frank¬ „reich wie wir es wollen, das freie ſich ſelbſt be¬ „herrſchende Frankreich; es war Frankreich. Sklave „eines Mannes und Gebieter der Welt.“ „Damals, das iſt wahr, nahm man uns die „Freiheit; aber man gab uns ein erhabenes Schau¬ „ſpiel dafür. Man ſagte: an dieſem Tage, zu die¬ „ſer Stunde, werden wir in dieſe Hauptſtadt hinein¬ „gehen, und am beſtimmten Tage zur beſtimmten „Stunde, zog man dort ein. Man entthronte eine „Königsfamilie mit einem Dekrete des Moniteurs. „Man ließ ſich alle Arten Könige, in ſeinem Vor¬ „zimmer herumtreiben. Hatte man den Einfall eine „Säule aufzurichten, ließ man vom Kaiſer von Oeſt¬ „reich das Metall dazu liefern. Man regelte, ich „geſtehe es, etwas eigenmächtig die Verhältniſſe der „franzöſiſchen Schauſpieler; aber die Verordnung „war von Moskow datirt. Man nahm uns alle un¬ „ſere Freiheiten, ſage ich; man hatte ein Cenſur- „Büreau, man zerſtampfte unſere Bücher, man ſtrich „unſere Stücke von dem Anſchlagezettel; aber auf „alle unſere Klagen konnte man uns mit einem ein¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/156>, abgerufen am 25.04.2024.