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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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"ich bin ohne Groll und ohne Haß. Nur daß die
"Polizei einem meiner Verse einen Sinn gegeben,
"den er nicht hatte, das, erkläre ich, ist unverschämt
"und gleich unverschämt gegen den König wie gegen
"den Dichter. Die Polizei wisse es ein für alle
"Male, daß ich keine Stücke mit Anspielungen mache.
"Sie lasse sich das gesagt sein."

"Nach dem moralischen und dem politischen
"Grunde kömmt der literärische. Daß eine Regie¬
"rung aus literärischen Bewegungsgründen ein Stück
"verbietet, das ist seltsam, aber es ist wirklich so.
"Erinnern Sie sich, wenn es sich ja der Mühe lohnte,
"sich einer solchen Sache zu erinnern, daß im Jahr
"1829, als die ersten sogenannten romantischen
"Werke auf dem Theater erschienen, zur Zeit wo die
"französische Comödie Marion de Lorme annahm,
"eine von sieben Personen unterzeichnete Bittschrift
"dem Könige Karl X. überreicht wurde, worin man
"verlangte daß das Theater Francais ohne weiteres,
"und von wegen des Königs, allen Werken die man
"die neue Schule nannte verschlossen werden möge.
"Karl X. lachte und antwortete mit Geist, daß in
"literarischen Angelegenheiten, er, wie wir alle, nur
"seinen Platz im Parterre habe. Die Bitt¬
"schrift starb an ihrer Lächerlichkeit. Nun wohl,

„ich bin ohne Groll und ohne Haß. Nur daß die
„Polizei einem meiner Verſe einen Sinn gegeben,
„den er nicht hatte, das, erkläre ich, iſt unverſchämt
„und gleich unverſchämt gegen den König wie gegen
„den Dichter. Die Polizei wiſſe es ein für alle
„Male, daß ich keine Stücke mit Anſpielungen mache.
„Sie laſſe ſich das geſagt ſein.“

„Nach dem moraliſchen und dem politiſchen
„Grunde kömmt der literäriſche. Daß eine Regie¬
„rung aus literäriſchen Bewegungsgründen ein Stück
„verbietet, das iſt ſeltſam, aber es iſt wirklich ſo.
„Erinnern Sie ſich, wenn es ſich ja der Mühe lohnte,
„ſich einer ſolchen Sache zu erinnern, daß im Jahr
„1829, als die erſten ſogenannten romantiſchen
„Werke auf dem Theater erſchienen, zur Zeit wo die
„franzöſiſche Comödie Marion de Lorme annahm,
„eine von ſieben Perſonen unterzeichnete Bittſchrift
„dem Könige Karl X. überreicht wurde, worin man
„verlangte daß das Theater Français ohne weiteres,
„und von wegen des Königs, allen Werken die man
die neue Schule nannte verſchloſſen werden möge.
„Karl X. lachte und antwortete mit Geiſt, daß in
„literariſchen Angelegenheiten, er, wie wir alle, nur
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[139/0151] „ich bin ohne Groll und ohne Haß. Nur daß die „Polizei einem meiner Verſe einen Sinn gegeben, „den er nicht hatte, das, erkläre ich, iſt unverſchämt „und gleich unverſchämt gegen den König wie gegen „den Dichter. Die Polizei wiſſe es ein für alle „Male, daß ich keine Stücke mit Anſpielungen mache. „Sie laſſe ſich das geſagt ſein.“ „Nach dem moraliſchen und dem politiſchen „Grunde kömmt der literäriſche. Daß eine Regie¬ „rung aus literäriſchen Bewegungsgründen ein Stück „verbietet, das iſt ſeltſam, aber es iſt wirklich ſo. „Erinnern Sie ſich, wenn es ſich ja der Mühe lohnte, „ſich einer ſolchen Sache zu erinnern, daß im Jahr „1829, als die erſten ſogenannten romantiſchen „Werke auf dem Theater erſchienen, zur Zeit wo die „franzöſiſche Comödie Marion de Lorme annahm, „eine von ſieben Perſonen unterzeichnete Bittſchrift „dem Könige Karl X. überreicht wurde, worin man „verlangte daß das Theater Français ohne weiteres, „und von wegen des Königs, allen Werken die man „die neue Schule nannte verſchloſſen werden möge. „Karl X. lachte und antwortete mit Geiſt, daß in „literariſchen Angelegenheiten, er, wie wir alle, nur „ſeinen Platz im Parterre habe. Die Bitt¬ „ſchrift ſtarb an ihrer Lächerlichkeit. Nun wohl,

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/151>, abgerufen am 28.03.2024.