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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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heit der Presse aufzuheben, das heilige Asyl des Hau¬
ses zu verletzen -- sie hätten das Recht nicht dazu.
Keine Nation hat das Recht der Täuschung, der
Furcht, dem Schrecken, der Selbstsucht, der Ermü¬
dung des Tages, die bessere Einsicht, die Wahrheit,
die Besonnenheit, die Liebe und Kraft der folgenden
Tage, die unveräußerlichen Rechte eines kommenden
Geschlechts aufzuopfern. Hier ist der Jammer, hier
ist die Trostlosigkeit, das ist's was die wahre Frei¬
heit Europens noch um ein Jahrhundert hinausschickt.
Erst fehlt die Kraft, dann fehlt der Muth, dann fehlt die
Einsicht. Wenn einmal die Völker Europens sich der
Tyrannei ihrer Fürsten werden entledigt haben, wer¬
den sie in die Tyrannei ihrer Gesetzgeber fallen, und
sind sie diese los geworden, gerathen sie in die Ty¬
rannei der Gesetze. -- Diese Tyrannei der Gesetze
ist aber gerade die feste Burg, welche von der Frei¬
heit seit fünfzig Jahren belagert wird. Was sie
seitdem erobert, das sind blos einige Außenwerke,
wobei noch nichts weiter gewonnen, als daß die Hoff¬
nung der Einnahme der Festung etwas näher gerückt
ist. Es muß Menschenrechte geben, die von keiner
Staatsgewalt, und hätte jedes Bettlerkind im Lande
Theil an deren Ausübung, zu keiner Zeit, in keinem
Verhältnisse, um keines Vortheils, um keiner Besei¬
tigung einer Gefahr willen, vernichtet, geschmälert

heit der Preſſe aufzuheben, das heilige Aſyl des Hau¬
ſes zu verletzen — ſie hätten das Recht nicht dazu.
Keine Nation hat das Recht der Täuſchung, der
Furcht, dem Schrecken, der Selbſtſucht, der Ermü¬
dung des Tages, die beſſere Einſicht, die Wahrheit,
die Beſonnenheit, die Liebe und Kraft der folgenden
Tage, die unveräußerlichen Rechte eines kommenden
Geſchlechts aufzuopfern. Hier iſt der Jammer, hier
iſt die Troſtloſigkeit, das iſt's was die wahre Frei¬
heit Europens noch um ein Jahrhundert hinausſchickt.
Erſt fehlt die Kraft, dann fehlt der Muth, dann fehlt die
Einſicht. Wenn einmal die Völker Europens ſich der
Tyrannei ihrer Fürſten werden entledigt haben, wer¬
den ſie in die Tyrannei ihrer Geſetzgeber fallen, und
ſind ſie dieſe los geworden, gerathen ſie in die Ty¬
rannei der Geſetze. — Dieſe Tyrannei der Geſetze
iſt aber gerade die feſte Burg, welche von der Frei¬
heit ſeit fünfzig Jahren belagert wird. Was ſie
ſeitdem erobert, das ſind blos einige Außenwerke,
wobei noch nichts weiter gewonnen, als daß die Hoff¬
nung der Einnahme der Feſtung etwas näher gerückt
iſt. Es muß Menſchenrechte geben, die von keiner
Staatsgewalt, und hätte jedes Bettlerkind im Lande
Theil an deren Ausübung, zu keiner Zeit, in keinem
Verhältniſſe, um keines Vortheils, um keiner Beſei¬
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[107/0119] heit der Preſſe aufzuheben, das heilige Aſyl des Hau¬ ſes zu verletzen — ſie hätten das Recht nicht dazu. Keine Nation hat das Recht der Täuſchung, der Furcht, dem Schrecken, der Selbſtſucht, der Ermü¬ dung des Tages, die beſſere Einſicht, die Wahrheit, die Beſonnenheit, die Liebe und Kraft der folgenden Tage, die unveräußerlichen Rechte eines kommenden Geſchlechts aufzuopfern. Hier iſt der Jammer, hier iſt die Troſtloſigkeit, das iſt's was die wahre Frei¬ heit Europens noch um ein Jahrhundert hinausſchickt. Erſt fehlt die Kraft, dann fehlt der Muth, dann fehlt die Einſicht. Wenn einmal die Völker Europens ſich der Tyrannei ihrer Fürſten werden entledigt haben, wer¬ den ſie in die Tyrannei ihrer Geſetzgeber fallen, und ſind ſie dieſe los geworden, gerathen ſie in die Ty¬ rannei der Geſetze. — Dieſe Tyrannei der Geſetze iſt aber gerade die feſte Burg, welche von der Frei¬ heit ſeit fünfzig Jahren belagert wird. Was ſie ſeitdem erobert, das ſind blos einige Außenwerke, wobei noch nichts weiter gewonnen, als daß die Hoff¬ nung der Einnahme der Feſtung etwas näher gerückt iſt. Es muß Menſchenrechte geben, die von keiner Staatsgewalt, und hätte jedes Bettlerkind im Lande Theil an deren Ausübung, zu keiner Zeit, in keinem Verhältniſſe, um keines Vortheils, um keiner Beſei¬ tigung einer Gefahr willen, vernichtet, geſchmälert

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/119>, abgerufen am 20.04.2024.