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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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zu bezahlen braucht. -- Beleuchtung 370,000 Fr.,
und trotz den vielen Kerzen lebt König Philipp wie
jeder König, immer im Dunkeln! Wäsche 160,000 Fr.
Rechnen Sie mir aus, wie das möglich ist. Mu¬
sik
, Theater, 300,000 Fr. Reisen eine Mil¬
lion; Geschenke, 160,000 Fr. Ein Fürst hat
gut schenken! Und alle diese Ausgaben zusammen
nennt man an den Höfen: die kleinen Vergnü¬
gungen
der Fürsten, les menus plaisirs. Was
kosten ihnen nicht erst ihre großen Freuden,
Kriege, Eroberungen, Mätressen, Leibgarden, Günst¬
linge, Bestechungen, geheime Polizei! Und fragen
Sie vielleicht, aber im Ernste, wie sind solche große
unmögliche Bedürfnisse nachzuweisen? ist die Ant¬
wort: höchstens der vierte Theil dieser Summe wird
zu angegebnem Gebrauche verwendet; drei Viertheile
werden gestohlen, kommen in die Hände einiger be¬
günstigten Lieferanten, die den Vortheil mit dem Hof¬
minister theilen. Aber nicht der König, das Volk
wird betrogen, welches die Civilliste bezahlen muß.

Neulich las ich einige merkwürdige Beispiele
von Hof-Gaunereien. Die Kaiserin Katharina von
Rußland, welche ihren Haushalt selbst übersah, fand
einmal in der Rechnung 28,000 Fr. für Talglichter
angesetzt. Diese große Summe fiel ihr um so mehr
auf, da sie den strengsten Befehl gegeben hatte, daß
an ihrem Hofe kein Talglicht gebrannt werden sollte.

zu bezahlen braucht. — Beleuchtung 370,000 Fr.,
und trotz den vielen Kerzen lebt König Philipp wie
jeder König, immer im Dunkeln! Wäſche 160,000 Fr.
Rechnen Sie mir aus, wie das möglich iſt. Mu¬
ſik
, Theater, 300,000 Fr. Reiſen eine Mil¬
lion; Geſchenke, 160,000 Fr. Ein Fürſt hat
gut ſchenken! Und alle dieſe Ausgaben zuſammen
nennt man an den Höfen: die kleinen Vergnü¬
gungen
der Fürſten, les menus plaisirs. Was
koſten ihnen nicht erſt ihre großen Freuden,
Kriege, Eroberungen, Mätreſſen, Leibgarden, Günſt¬
linge, Beſtechungen, geheime Polizei! Und fragen
Sie vielleicht, aber im Ernſte, wie ſind ſolche große
unmögliche Bedürfniſſe nachzuweiſen? iſt die Ant¬
wort: höchſtens der vierte Theil dieſer Summe wird
zu angegebnem Gebrauche verwendet; drei Viertheile
werden geſtohlen, kommen in die Hände einiger be¬
günſtigten Lieferanten, die den Vortheil mit dem Hof¬
miniſter theilen. Aber nicht der König, das Volk
wird betrogen, welches die Civilliſte bezahlen muß.

Neulich las ich einige merkwürdige Beiſpiele
von Hof-Gaunereien. Die Kaiſerin Katharina von
Rußland, welche ihren Haushalt ſelbſt überſah, fand
einmal in der Rechnung 28,000 Fr. für Talglichter
angeſetzt. Dieſe große Summe fiel ihr um ſo mehr
auf, da ſie den ſtrengſten Befehl gegeben hatte, daß
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[36/0050] zu bezahlen braucht. — Beleuchtung 370,000 Fr., und trotz den vielen Kerzen lebt König Philipp wie jeder König, immer im Dunkeln! Wäſche 160,000 Fr. Rechnen Sie mir aus, wie das möglich iſt. Mu¬ ſik, Theater, 300,000 Fr. Reiſen eine Mil¬ lion; Geſchenke, 160,000 Fr. Ein Fürſt hat gut ſchenken! Und alle dieſe Ausgaben zuſammen nennt man an den Höfen: die kleinen Vergnü¬ gungen der Fürſten, les menus plaisirs. Was koſten ihnen nicht erſt ihre großen Freuden, Kriege, Eroberungen, Mätreſſen, Leibgarden, Günſt¬ linge, Beſtechungen, geheime Polizei! Und fragen Sie vielleicht, aber im Ernſte, wie ſind ſolche große unmögliche Bedürfniſſe nachzuweiſen? iſt die Ant¬ wort: höchſtens der vierte Theil dieſer Summe wird zu angegebnem Gebrauche verwendet; drei Viertheile werden geſtohlen, kommen in die Hände einiger be¬ günſtigten Lieferanten, die den Vortheil mit dem Hof¬ miniſter theilen. Aber nicht der König, das Volk wird betrogen, welches die Civilliſte bezahlen muß. Neulich las ich einige merkwürdige Beiſpiele von Hof-Gaunereien. Die Kaiſerin Katharina von Rußland, welche ihren Haushalt ſelbſt überſah, fand einmal in der Rechnung 28,000 Fr. für Talglichter angeſetzt. Dieſe große Summe fiel ihr um ſo mehr auf, da ſie den ſtrengſten Befehl gegeben hatte, daß an ihrem Hofe kein Talglicht gebrannt werden ſollte.

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/50>, abgerufen am 19.04.2024.