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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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Verlust entschädigte. Hätte er keine fünf und dreißig
Millionen gehabt, sondern nicht mehr als er zu sei¬
nem Unterhalte bedurfte, hätte er die Kammer nicht
bestechen können, und das heillose Gesetz der Emi¬
granten-Entschädigung wäre nicht angenommen wor¬
den. Louis Philipp, der Pflaster-König, hat zwölf
Millionen jährlicher Einkünfte aus seinem Privatver¬
mögen, und doch verlangt er eine Civil-Liste von
achtzehn Millionen. Die Einwohner der Stadt
Bourgs haben der Kammer eine Bittschrift übersendet,
worin sie darauf antragen, man möchte dem Könige
nicht mehr als eine halbe Million geben. Das ist
nach meiner Gesinnung eine halbe Million zu viel,
ich würde ihm gar nichts geben. Wer die Ehre
haben will, ein großes Volk zu regieren, der mag es
sich etwas kosten lassen. Frankreich konnte unter
sechs Millionen Bürgern einen König wählen; aber
König Philipp konnte sich kein Volk wählen; die
Völker sind selten. Die Kommission der Kammer
war in ihren Ansichten getheilt. Vier Mitglieder
derselben stimmten für vierzehn Millionen, die vier
andern für zwölf und eine halbe, und das neunte
Glied, eben Ihr verehrter Cormenin, stimmte für
eine so kleine Summe, daß der ministerielle Bericht-
Erstatter der Commission sich schämte, sie in der
Kammer laut anzugeben. Dem Kronprinzen wurde
überdies, daß ihm die Zeit nicht lange werde, bis

Verluſt entſchädigte. Hätte er keine fünf und dreißig
Millionen gehabt, ſondern nicht mehr als er zu ſei¬
nem Unterhalte bedurfte, hätte er die Kammer nicht
beſtechen können, und das heilloſe Geſetz der Emi¬
granten-Entſchädigung wäre nicht angenommen wor¬
den. Louis Philipp, der Pflaſter-König, hat zwölf
Millionen jährlicher Einkünfte aus ſeinem Privatver¬
mögen, und doch verlangt er eine Civil-Liſte von
achtzehn Millionen. Die Einwohner der Stadt
Bourgs haben der Kammer eine Bittſchrift überſendet,
worin ſie darauf antragen, man möchte dem Könige
nicht mehr als eine halbe Million geben. Das iſt
nach meiner Geſinnung eine halbe Million zu viel,
ich würde ihm gar nichts geben. Wer die Ehre
haben will, ein großes Volk zu regieren, der mag es
ſich etwas koſten laſſen. Frankreich konnte unter
ſechs Millionen Bürgern einen König wählen; aber
König Philipp konnte ſich kein Volk wählen; die
Völker ſind ſelten. Die Kommiſſion der Kammer
war in ihren Anſichten getheilt. Vier Mitglieder
derſelben ſtimmten für vierzehn Millionen, die vier
andern für zwölf und eine halbe, und das neunte
Glied, eben Ihr verehrter Cormenin, ſtimmte für
eine ſo kleine Summe, daß der miniſterielle Bericht-
Erſtatter der Commiſſion ſich ſchämte, ſie in der
Kammer laut anzugeben. Dem Kronprinzen wurde
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[29/0043] Verluſt entſchädigte. Hätte er keine fünf und dreißig Millionen gehabt, ſondern nicht mehr als er zu ſei¬ nem Unterhalte bedurfte, hätte er die Kammer nicht beſtechen können, und das heilloſe Geſetz der Emi¬ granten-Entſchädigung wäre nicht angenommen wor¬ den. Louis Philipp, der Pflaſter-König, hat zwölf Millionen jährlicher Einkünfte aus ſeinem Privatver¬ mögen, und doch verlangt er eine Civil-Liſte von achtzehn Millionen. Die Einwohner der Stadt Bourgs haben der Kammer eine Bittſchrift überſendet, worin ſie darauf antragen, man möchte dem Könige nicht mehr als eine halbe Million geben. Das iſt nach meiner Geſinnung eine halbe Million zu viel, ich würde ihm gar nichts geben. Wer die Ehre haben will, ein großes Volk zu regieren, der mag es ſich etwas koſten laſſen. Frankreich konnte unter ſechs Millionen Bürgern einen König wählen; aber König Philipp konnte ſich kein Volk wählen; die Völker ſind ſelten. Die Kommiſſion der Kammer war in ihren Anſichten getheilt. Vier Mitglieder derſelben ſtimmten für vierzehn Millionen, die vier andern für zwölf und eine halbe, und das neunte Glied, eben Ihr verehrter Cormenin, ſtimmte für eine ſo kleine Summe, daß der miniſterielle Bericht- Erſtatter der Commiſſion ſich ſchämte, ſie in der Kammer laut anzugeben. Dem Kronprinzen wurde überdies, daß ihm die Zeit nicht lange werde, bis

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/43>, abgerufen am 20.04.2024.